Weder Waffen noch Geld für syrische Rebellen mehr — und die Folgen

Am 19. Juli meldete die „New-York Times“, dass Trump das heim­liche Waffen‑, Geld- und Ver­sor­gungs­güter-Lie­fe­rungs-Pro­gramm an die Rebel­len­truppen in Syrien beendet hat. Regie­rungs­ver­treter kom­men­tierten diesen Schritt dahin­gehend, dass diese Anstren­gungen der USA nicht den gewünschten Effekt gebracht haben, und man habe seitens der Regierung die Hoffnung auf­ge­geben, die Assad-Regierung stürzen zu können.

Schon seit einem Monat sei aus dem Strom der Waffen nur noch ein dünnes Rinnsal geworden.

Wem gehoert die Welt von Hans-Juergen Jakobs

Das heim­liche Bewaff­nungs­pro­gramm „Timber Sycamore“ für Rebellen und Ter­ro­risten war unter Barack Obama vor vier Jahren ange­schoben worden. Doch schon bald drang an die Öffent­lichkeit, dass weder die unter­stützten, „mode­raten Rebellen“ moderat waren, noch, dass aus­schließlich diesen Rebellen der Segen ame­ri­ka­ni­scher Waffen und Gelder zuteil wurde. Dies sei, so fügt die New York Times hinzu, nicht das einzige, wenig erfolg­reiche Enga­gement der US-Regierung, mit Waffen und Geld­lie­fe­rungen Milizen und Banden zu unter­stützen, die von Washington unge­liebte Regie­rungen stürzen sollten (Bei­spiel Kuba). 

So ist es auch in Syrien nicht das erste Mal, dass angeblich moderate Rebellen in die ter­ro­ris­ti­schen Gruppen über­wechseln und Waffen zuhauf ihren Weg in die Reihen derer finden, die man ja angeblich erbittert bekämpft.

Die USA bla­mierten sich nicht schlecht, als her­auskam, bei einem vom Pen­tagon gelei­teten 500 Mil­lionen Dollar-Pro­gramm zur Aus­bildung von Rebellen zur Bekämpfung des IS, seien am Ende nicht, wie pro­spek­tiert, 5000 Rebel­len­kämpfer gegen den IS zur Ver­fügung gestanden sondern nur nur fünf.

Von Anfang an schien es zwei­felhaft, dass das Bewaffnen von unor­ga­ni­sierten, unter­ein­ander zer­strit­tenen Gruppen zum gewünschten Erfolg führe. Sogar die Regie­rungs­of­fi­zi­ellen unter der Obama-Admi­nis­tration gaben zu, es könne niemand vor­her­sehen, wie loyal die jewei­ligen Emp­fänger der Waffen und Gelder in Zukunft sein würden. Und tat­sächlich gab es immer wieder Grup­pie­rungen, die mit der kom­pletten US-Aus­rüstung zu Ter­ro­risten-Milizen überliefen.

Seit Russ­lands Ein­tritt in den Syrien-Kon­flikt schwinden die Mög­lich­keiten der USA dort wie Schnee in der Sonne. Dazu kommt, dass Russland der einzige, externe Player ist, der legal und legitim in Syrien handelt: Prä­sident Assad hatte Russland offi­ziell zur Hilfe gerufen.

Die USA konnten sich nur mit der höchst frag­wür­digen Berech­tigung einer „Allianz gegen den Terror“ an Russ­lands Seite mit ein­mi­schen. Eine Allianz, die höchst brüchig war und den USA offen­sichtlich dazu diente, die Finger weiter im Spiel zu haben und unter der Decke so weit wie möglich doch noch gegen Assad zu agieren.

Seitdem hat der Druck auf Assad merklich nach­ge­lassen. Wie der bri­tische Inde­pendent schreibt, wurden die schweren Waffen und das Geld für die „Rebellen“ von Washingtons Ver­bün­deten vor Ort, den Saudis, an die Rebellen geliefert. Katar und die Türkei trugen eben­falls zur Finan­zierung bei, die CIA übernahm die Kampf­aus­bildung der Rebellen, welche die reguläre syrische Armee ver­nichten und Terror unter der Bevöl­kerung ver­breiten sollten, um Assad weg­zu­fegen und Syrien in US-ame­ri­ka­nische Hände bringen sollte.

Der Ira­nische Aus­sen­mi­nister, Mohammad Javad Zarif merkte zu der Ent­scheidung Trumps an, die USA hätten eine bedeu­tende Rolle dabei gespielt, die ganze Region zu destabilisieren. 

Der Iran, rus­sische Kampf­kraft und Dominanz, sowie dezente Rücken­de­ckung von China, konnten jedoch ver­hindern, dass die USA sich das syrische Ter­ri­torium durch Desta­bi­li­sierung und Dau­er­krieg ein­ver­leibte, um die Oberhand auf den wich­tigsten Dreh- und Angel­punkt der Ener­gie­ströme nach Europa hinein zu erhalten. Assad konnte sich, trotz aller echten und insze­nierten Eska­la­tionen seit 2013 halten, und es ist auch nicht zu erwarten, dass sich das ändern wird.

Für die vielen bunten Häufen der mehr oder weniger mode­raten Rebellen, Söldner, Ter­ro­risten aller mus­li­mi­schen Couleur, IS-Truppen, Kur­den­kämpfer und anderen Milizen in Syrien ent­fallen damit neue Waffen, Munition, Nach­schub, Ver­sor­gungs­güter und Geld. Aber es rui­niert auch die Kampf­moral der Milizen. Ein US-Special Ope­ra­tions Com­mander for­mu­lierte es so: „Psy­cho­lo­gisch ist das ein ver­nich­tender Schlag gegen die syri­schen Rebellen“.

Eine Reuters-Meldung vom 21 Juli, ver­fasst von Suleiman Al-Khalidi und John Davison zeichnet nun ein Bild der syri­schen Situation, das an die End­phase des Drei­ßig­jäh­rigen Krieges in Deutschland erinnert. Die Kämpfer diverser Milizen von Al-Irgendwas prügeln sich nun um die letzten, loh­nenden Brocken und um alles, was Geld verspricht.

(Bild: Southfront.org) This map pro­vides a general look at the military situation in Syria on July 24, 2017. The Syrian Arab Army (SAA) Tiger Forces are rapidly advancing in the sou­thern Raqqah coun­tryside. The US-backed Syrian Demo­cratic Forces (SDF) are storming the city of Raqqah. The SAA, Hez­bollah and the Lea­banese Army are clearing the Jaroud Arsal area at the Syrian-Lebanese border. Diese Karte bietet einen Überbick über die mili­tä­rische Situation in Syrien am 24. Juli 2017. Die Syrisch-Ara­bische Armee (SAA) Tiger Kampf­truppen kommen in der Länd­lichen Gegend im Süden Raqqas schnell voran, Die von der USA gestützten Syri­schen Demo­kra­ti­schen Kräfte (SDF) stürmen die Stadt Raqqah. Die SAA, die His­bollah unde die Liba­ne­siche Armee säubern die Jaroud Arsal-Region an der Syrisch-Liba­ne­si­schen Grenze.

Nach erbit­terten Kämpfen am Don­nerstag zwi­schen dem Hayat Tahrir al-Sham (ehemals Al-Nusra-Front) unter Führung der syri­schen Al-Qaeda (heute Fateh Al-Sham) und der isla­mis­ti­schen Miliz Ahrar al-Sham und deren Alli­ierten aus­ge­brochen. Die Gefechte spielten sich in der Nähe des syrisch-tür­ki­schen Grenz­über­gangs Cil­vegözu ab. Die Kämpfe dehnten sich über die ganze Provinz aus, reichten bis Aleppo und den Grenz­übergang Bab-Al-Hawa zur Türkei. Die Grenze selbst ist nun zum Schlachtfeld geworden, und der Grenz­übergang ist teils von der einen, teils von der anderen Miliz besetzt. Bisher zählt man 65 Tote, davon 15 Zivi­listen. Die andau­ernden, hef­tigen Kämpfe ver­hindern, dass Schwer­ver­letzte aus syri­schen Kran­ken­häusern in den umkämpften Zonen in grenznahe Kran­ken­häuser auf der tür­ki­schen Seite eva­kuiert werden können, berichtet Midd­lee­asteye.

Ver­schiedene Söld­ner­mi­lizen ver­suchen Städte zu erobern, um sich dort fest­zu­setzen. Man bezeichnet sich gegen­seitig als Ver­räter und schwört in Videos, bis zum Ende zu kämpfen.

Die Stadt­be­wohner sind ver­zweifelt. Abdul­salam Haji Ahmad, ein Bürger aus der umkämpften Stadt Idlib, sagt „Es ist Wahnsinn, wir wollen hier in Frieden leben, weg vom Krieg. Ich wünsche, dass dieser Wafen­still­stand bald­mög­lichst beendet wird, damit Assad und Russland all diese Par­teien töten können.“ Und unter Tränen fügt er hinzu, dass die syri­schen Zivi­listen dabei nichts zu gewinnen haben. „Sie geben vor, dass sie für uns kämpfen, aber das ist gelogen. Das ist nur ein Macht­kampf, ein Game of Thrones“.

Inter­es­san­ter­weise haben die diversen Rebel­len­truppen nie ein Problem mit der Türkei gehabt, jetzt jedoch richten sich die Kämpfer einiger Gruppen nicht nur gegen Russland und die reguläre, syrische Armee, sondern gegen die Türkei. Die kur­di­schen Milizen der YPG kämpfen im Norden Syriens eben­falls gegen die Türkei, die sich schon immer vehement gegen eine kur­dische Auto­nomie gestellt hat, welche aber den Kurden stets von den Ame­ri­kanern in Aus­sicht gestellt wird, im Gegenzug zu Kriegs­diensten kur­di­scher Kämpfer für ame­ri­ka­nische Inter­essen in dieser Region.

Aus der ganzen, ver­wor­renen Lage scheint sich aber her­aus­zu­stellen, dass es den Söld­ner­trupps und Milizen jetzt vor­dringlich darum geht, Regionen mit Zugriff auf die Erdöl-Han­dels­routen zu erobern. Ins­be­sondere die von den USA unter­stützten Gruppen haben nun ein Exis­tenz­problem und kämpfen um Res­sourcen und Rück­zugs­ge­biete, in denen sie sich ein­nisten, ver­pflegen und Geld gene­rieren können.

Fraglich ist zur Zeit, ob Katar, Saudi-Arabien, die Türkei und Jor­danien ihre Unter­stützung für die­je­nigen Söld­ner­truppen, die ihren Inter­essen in der Region dienen, tat­sächlich auch ein­stellen werden. Davon ist aller Wahr­schein­lichkeit nach nicht aus­zu­gehen. Dazu sind die Inter­essen um das Erdöl, um Han­dels­routen und Gebiets­ge­winne, für die Türkei die Neu­tra­li­sierung der kur­di­schen Inter­essen, für den Iran die Stärkung der schii­ti­schen Kräfte und Ein­dämmung der sun­ni­tisch-waha­bi­ti­schen Ein­flüsse Saudi-Ara­biens zu wichtig.

Selbst wenn die USA Druck auf einige Player ausüben würden, ist zu bezweifeln, dass dies die ver­schie­denen Prot­ago­nisten vor Ort beein­drucken kann. Wird ihnen doch gerade vor Augen geführt, wie kläglich die USA in ihren Geheim­dienst- und Umsturz­plänen gescheitert ist. Ob Washington und seine Geheim­dienste die ara­bische Men­ta­lität falsch ein­ge­schätzt haben oder die Gege­ben­heiten vor Ort nicht in den Griff bekamen, ob sie die Inter­es­senlage der Länder um Syrien herum nicht zutreffend beur­teilt haben, die Rolle Chinas und des Irans unter­schätzten oder die Reak­tionen Russ­lands nicht zutreffend anti­zi­piert – oder alles zusammen: Der Regie­rungs­um­sturz in Syrien ist unter fürch­ter­lichen Opfern ful­minant gescheitert.

Man sollte sich aller­dings nicht darauf ver­lassen, dass die USA es dabei bewenden lässt. Dafür steht zuviel auf dem Spiel. Nicht nur die Kon­trolle über die Ener­gie­ströme. Auch die Vor­macht­stellung der USA in der Welt steht hier klar auf dem Prüf­stand. Zieht Amerika geschlagen davon, läutet das seinen Fall als Welt­macht ein.

Sollte das tat­sächlich so sein, wird die Welt von nun an neu ein­ge­teilt werden und große Ver­än­de­rungen kommen auf uns zu.
Wahr­scheinlich werden wir uns aber auf eine neue Taktik und Stra­tegie der USA ein­stellen müssen, das Problem Syrien zu lösen.