Collage mit Angela Merkel - Quelle: Bundesarchiv Bild_183-57000-0139,_V._Parteitag_der_SED

Der uner­träg­liche Per­so­nenkult um Angela M.

Im „begeh­baren Wahl­pro­gramm“ der CDU in Berlin ist man sparsam mit dem geschrie­benen Wort. Zwar gibt es für jeden The­mensaal den pas­senden Flyer mit ein paar nach­les­baren Erläu­te­rungen. Aber das Par­tei­pro­gramm liegt nicht öffentlich aus. Danach muss man extra an der Theke fragen. „Wir möchten Sie ja nicht mit Papier zuschmeißen“, ist die freund­liche Antwort auf mein dies­be­züg­liches Anliegen.

Außer dem Par­tei­pro­gramm gibt es noch zwei kleinere Heftchen. In einem kann man „kurz und knapp“ die „Kern­punkte des Regie­rungs­pro­gramms“ nach­lesen, auf dem anderen steht unter dem Bild unserer Kanz­lerin „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“.

Beim Durch­blättern fällt es mir vor Über­ra­schung fast aus der Hand. Auf allen 10 Seiten Bilder von Merkel, ins­gesamt 42! Der Per­so­nenkult, früher ein Wahr­zeichen für tota­litäre Systeme, hat in Deutschland wieder Fuß gefasst.

Als zu DDR-Zeiten anlässlich eines Mes­se­be­suchs von Erich Hon­ecker einmal 26 Fotos vom Partei- und Staatschef in einer Ausgabe des „Neuen Deutschland“, damals „Zen­tral­organ der SED“, erschien, war das selbst den strammsten Genossen zu viel. Der Protest war so stark, dass sich ein solcher Aus­rut­scher nicht wiederholte.

Und nun ein Mer­kel­heftchen, in dem nichts aus­ge­lassen wird. Natürlich gibt es Fotos mit Kindern, die der kin­der­losen „Chefin“, wie sie sich gern titu­lieren lässt, besonders am Herzen liegen sollen, neben Familien natürlich, „die unser großes Glück“ sind und denen „Aner­kennung und Unter­stützung“ ver­sprochen wird. Aller­dings kommt die wirk­liche Ent­lastung, ein erhöhter Kin­der­frei­betrag bei der Steuer, erst in der „nächsten Legis­la­tur­pe­riode“, das heißt, viel­leicht nie.

Auf der Seite „Lust auf die Zukunft“ sieht man die Kanz­lerin durch unter­schied­liche Bril­len­ge­stelle Aus­schau auf die „Neugier“ auf „Neues“ Aus­schau halten, die sie selbst, wenn man nach ihrem Regie­rungsstil urteilt, nicht zu besitzen scheint. Aber ein paar „kreative Tüftler, tüchtige Erfinder und mutige Start-up-Gründer“ gibt es immer noch, auch wenn immer mehr Kreative, For­scher und Gebildete Deutschland den Rücken kehren.

„Unser Land ist stark, indem es Einheit in Vielfalt zeigt“, behauptet eine weitere Über­schrift. Dabei ist das Land so tief gespalten, wie seit der Gründung der Bun­des­re­publik nicht. Das hat nichts mit der angeb­lichen Mauer in den Köpfen zu tun, sondern mit den zahl­losen unge­lösten Pro­blemen, die uns die von Merkel aus­ge­löste Mas­sen­mi­gration beschert hat. Die Einheit findet man nur in der Politik, wo sich die Alt­par­teien immer mehr angleichen und eine bunte Front bilden, die man in der DDR noch die „Nationale“ genannt hat.

Das Bild in der Mitte dieser Seite ist bezeichnend: Merkel mit Schirm in der Hand im Vor­der­grund, während die wahren Helden des Alltags, Not­ärzte, Feu­er­wehr­männer und Arbeiter hinter ihr im Regen stehen.

Der pein­liche Höhe­punkt kommt auf der Seite „Europa stärken, heißt Deutschland stärken“, auf der der fran­zö­sische Staats­prä­sident Macron und Merkel kurz vor dem abge­lichtet sind, was im Sozia­lismus „Bru­derkuss“ betitelt wurde. Merkel hat bereits in Vor­freude hin­ge­bungsvoll die Augen geschlossen und das wird sie bei­be­halten, wenn die Folgen der For­derung Macrons an Deutschland, die auf eine end­gültige Ver­ge­mein­schaftung der Schulden hin­aus­laufen, zu spüren sind. Ein ähn­liches Motiv von DDR-Staatschef Hon­ecker und dem sowje­ti­schen Staats- und Par­teichef Bre­schnew wurde im Ost­block schon lange vor dem Mau­erfall als Symbol für eine Politik der Unter­werfung verachtet.

Auf der vor­letzten Seite kommt, was offen­sichtlich als „emo­tio­naler Höhe­punkt“ kon­zi­piert ist. Rechts über den Sätzen: „Jedes Kind hat Träume. Es soll genauso viele Chancen bekommen“ kann man ein Foto der kind­lichen Angela von 1957 bewundern, die anscheinend damals schon davon geträumt hat, einmal Kanz­lerin zu werden. Jeden­falls hat sie die not­wen­digen Bil­dungs­vor­aus­set­zungen in der DDR noch erhalten. Sie hat Schreiben und Rechnen gelernt und hat außer „Kom­pe­tenzen“ noch solide natur­wis­sen­schaft­liche Kennt­nisse ver­mittelt bekommen, auch wenn sie als Kanz­lerin keinen Gebrauch mehr davon macht, jeden­falls nicht, wenn es um Atom­aus­stieg und Ener­gie­wende geht.

Die „beste Bildung“ heute hat mit dem Hum­boldt­schen Bil­dungs­pro­gramm, das Deutschland in den ver­gan­genen zwei Jahr­hun­derten an die einsame Welt­spitze in Wis­sen­schaft und For­schung gebracht hat, immer weniger zu tun. Die Kinder lernen nicht einmal mehr ordentlich schreiben. Es gibt zwar immer mehr Abitu­ri­enten, aber noch nie waren Abitu­ri­enten so schlecht gebildet, wie heute. Zwar ist in den Merkel-Jahren die Zahl der „Stu­die­renden“ sprunghaft gestiegen, von 1.985.755 in 2005 auf 2.757.799 in 2015, aber noch nie war die Zahl der Stu­denten, denen an der Uni­ver­sität erst einmal die nötigen Schreib- und Lese­kom­pe­tenzen bei­gebracht werden mussten, so hoch.

Das soll uns „die Freude auf Morgen“ nicht ver­derben, wünscht sich die Kanz­lerin auf der letzten Seite. Dieser fromme Wunsch ist gar­niert mit Schnapp­schüssen, die Merkels Gesicht als Kari­katur ablichten. Das soll sie wohl volks­näher erscheinen lassen, als sie ist. Ach nein, das Wort „Volk“ haben ihre Wer­be­ex­perten sicher nicht gebraucht, sondern sie haben ganz bestimmt „authen­tisch“ gesagt.

Dabei ist das ganze Heftchen nichts weniger als authen­tisch. Es passt aber zu einer Person, die von ihren Par­tei­funk­tio­nären elf Minuten langen Beifall erwartet und bekommt. Wenn sie aber meint, dass dieses Funk­tio­närs­ge­klatsche etwas über ihre wahre Popu­la­rität aussagt, seien Merkel und ihre Macher an den his­to­ri­schen Irrtum jener „ZEIT“- Jour­na­listen erinnert, die im Jahre 1988 die DDR bereisten und fest­ge­stellt haben wollen, dass dem Staatschef Hon­ecker vom Volk der DDR so etwas wie „stille Ver­ehrung“ ent­ge­gen­ge­bracht würde.

Ein Jahr später war es mit Hon­ecker vorbei.

Bild: Collage / Hanno Vollenweider

Dieser Artikel erschien zuerst hier: http://vera-lengsfeld.de/2017/08/29/der-unertraegliche-personenkult-um-angela‑m/