Am Donnerstag trat – wenn auch nur vorläufig – CETA in Kraft, das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. Von den in fünf Jahren erreichten Vereinbarungen sollen etwa 90% angewendet werden. Sobald die Parlamente der EU-Mitgliedsländer unterschrieben haben, klappert der kleine Rest noch hinterher. Der Deutsche Bundestag wird wahrscheinlich am Jahresende ratifizieren.
Die Zustimmung des Bundesrates ist zwar noch unsicher, aber auch das wird wahrscheinlich über die Bühne gehen.
Der Protest gegen CETA und TTIP aus der Bevölkerung war gewaltig. 3,2 Millionen haben die Kampagne „Stop TTIP“ unterschrieben. Es gab riesige Demonstrationszüge. Hinter dem Protest gegen die beiden Freihandelsvereinbarungen TTIP (USA und EU) und CETA (Kanada und EU) stehen in Europa mehr als 500 Organisationen aus den verschiedensten politischen Lagern.
Denn CETA bedeutet nichts Gutes für die arbeitende Bevölkerung in Europa. Mit CETA geht die Erosion der Arbeitnehmer-Rechte in den Turbogang. Soziale Errungenschaften werden geschleift, Tarife auf den Müll geworfen, hart erkämpfte Umweltschutzvorschriften zum Schutz der Natur werden unterlaufen und der Schutz der Verbraucher vor gesundheitsschädlichen Eigenschaften und Zutaten der Produkte weggesprengt. Sondergerichte und Schiedsstellen können ruinöse Megabeträge als Strafen verhängen.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz gibt sich kämpferisch. Das Bundesverfassungsgericht wird sich mit CETA noch einmal befassen müssen. Nach Ansicht des BUND widerspricht das Freihandelsabkommen deutschem Recht. BUND-Vorsitzender und Handelsexperte Ernst-Christoph Stolper gibt sich zuversichtlich: „Die EU-Kommission hat CETA mit Mühe über die ersten fünf von mehr als dreißig Hürden gehievt, aber niemand geht ernsthaft davon aus, dass es in der vorliegenden Form durchkommt. Ohne Herausnahme des Investorenschutzes und ohne Änderungen beispielsweise zum Vorsorgeprinzip und zur Daseinsvorsorge darf CETA nicht ratifiziert werden. Wir sind guten Mutes, dass CETA nicht kommen wird. Letztlich wird CETA entweder vom Europäischen Gerichtshof, vom Bundesrat, vom Bundesverfassungsgericht, vom österreichischen Parlament, von einer Volksabstimmung in den Niederlanden oder wieder von einer belgischen Regierung gestoppt werden.“
So tapfer und entschlossen sich der Bund für Umwelt und Naturschutz schlägt, so jämmerlich ist die Figur, die die Umweltpartei schlechthin, „die Grünen“, macht. Gerade diese Partei, die doch an allererster Stelle für eine gesunde Umwelt, gegen Umweltverschmutzung, gegen chemiebelastete, genmanipulierte Nahrung kämpfen müsste, gibt sich zahm und angepasst. Schon im November 2016 kündigten die Grünen an, dass sie zwar gegen CETA und TTIP sind, aber sich bei einer Abstimmung im Bundesrat enthalten würden. Schon da zeigte sich die neue Parteilinie: Ein bisschen Alibi-Rumnörgeln an Details, aber letztendlich alles laufen lassen.
Am 15. September zeigte nun die Partei der Grünen, dass sie anscheinend voll in die Riege der Systemparteien einzuordnen ist. War vielleicht schon klar, dass man sich für eine Jamaika-Koalition an die CDU und die Wirtschaftsliberalen der FDP anbiedern muss? Ist die Mitwirkung bei CETA die Morgengabe der Grünen für den Platz an den Fleischtöpfen?
Winfried Kretschmann, dem „Realo“-Flügel der Grünen zugehörig, enttäuschte die Anstrengungen einer großen Gruppe junger Leute, die mit einer breit angelegten Unterschriftenaktion auf Kretschmann zukamen. Die bekannte Beschwerdeführerin in der Causa „CETA“ vor dem Bundesverfassungsgericht, Marianne Grimmenstein, und der EU-Abgeordnete der wahren grünen Partei, ÖDP, Klaus Buchner, hatten zusammen mit Jugendlichen 400.000 Unterschriften gesammelt, die sie am 15. September dem „grünen“ Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg überreichten.
Die jungen Leute vom „Greenteam Schwabenpower“ waren mit 200 Unterstützern angereist. Ihre Forderung an Winfried Kretschmann: „Halten Sie Ihr Wahlversprechen: Lehnen Sie CETA im Bundesrat ab!“.
Auf ihrer Webseite ist der kurze Bericht, der von großem Einsatz und bitterer Enttäuschung spricht:
„Leider konnte Herr Kretschmann mit seinem Auftreten als auch durch seine Aussagen nicht punkten.
Herr Kretschmann ist seit dem 15.9. offiziell ein CETA-Befürworter. Damit steht er nicht 100%ig hinter dem Wahlprogramm der Grünen. Nach seiner mehr als aggressiven Rede, in der er uns vorwarf, gegen Handel zu sein, ging er einfach von der Bühne, ohne überhaupt die Unterschriften mitzunehmen! Nur weil unser Fachreferent ihm hinterherlief, konnten wir ihm noch schnell die Unterschriften übergeben.“
https://www.youtube.com/watch?time_continue=1&v=-_Iwf5zD6FY
Was ist aus der aufrechten Rebellenpartei mit der fröhlichen Sonnenblume geworden? Was hat das nonkonformistische, langhaarige Latzhosen-und-bunte-Klamotten-Völkchen mit einem Haufen wilder Rotznasenkinder nur für Nachfahren hervorgebracht?
Die Frontleute der Grünen sind berechnende Gehilfen der internationalen Konzerne geworden, denen die Rechte der Arbeiter und Angestellten schnuppe sind. Die einst so rührend aufrechte, kratzig-selbstgestrickte Umweltschutz Lebensphilosophie der Grünen ist schon lange der leger-eleganten Luxus-Marken-Streetwear-Attitüde gewichen, die in Bangladesh in giftigen Färbereien und Hallen voller Hungerlohn-Näher gefertigt wird. Salon-Nonkonformismus als Selbstinszenierung. Kretschmann wird mit seinem „Ja“ zu CETA den internationalen Syndikaten Luft, Wasser und Erde in Europa zum Missbrauch und zur Verschmutzung anbieten. Gesundheit und Leben der Menschen dieses Kontinents werden auf dem Altar des Profits und des shareholder values geopfert. Und das von einer Partei, deren Wahlplakate „Gesundes Essen kommt nicht aus einer kranken Natur“ herumposaunen.