Viele Ideen geplatzt, aber schuld sind immer die anderen
(Von Dieter Farwick, Brigadegeneral a.D. und Publizist)
Die vierjährige Amtszeit von Ursula von der Leyen (vdL) wird dadurch charakterisiert, dass sie viele bunte Ballons mit absurden Ideen in die Luft geblasen hat, die überwiegend geplatzt sind – z.B. Teilzeitarbeit auch für Führungskräfte oder ihr „neues“ Personalkonzept.
Die Schuldigen für das Scheitern waren immer andere – bevorzugt ihre Vorgänger oder die verantwortlichen Soldaten, denen sie öffentlich mangelnde Eignung und Effizienz vorgeworfen hat.
Jetzt hat sie ein neues Spielfeld entdeckt: Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der EU auch im militärischen Bereich.
Ihre Kritik am Bestehenden ist scharf: “…Das ist kleinteilig, zersplittert, sehr teuer und wenig abgestimmt“…Sorry, wo war vdL in den letzten vier Jahren?
Der Zeitpunkt ihrer neuen Ankündigungen ist schlecht gewählt. Sie ist mit der Regierung unter Merkel in der Bundestagswahl 2017 deutlich abgestraft worden. Die jetzige Regierung ist eine Übergangsregierung. Merkel wird es schwerfallen, ohne Verzicht auf „ faule“ Kompromisse eine Vier-Parteien-Regierung – wenn überhaupt – zu bilden und diese vier Jahre zusammenzuhalten.
Man rechnet mit einer langen Dauer der Koalitionsgespräche, bevor eine neue Regierung steht.
In dieser Zeit sind öffentliche Äußerungen zu möglichen Änderungen in der Sicherheitspolitik kontraproduzent, zumal sie erneut kein Gesamtpaket vorlegt, sondern nur Teilaspekte anspricht ohne Gesamtkonzept, das soll noch entwickelt werden soll.
Mit wem?
Bisher war die „Regierungsposition“, dass die NATO die erste Adresse für die deutsche Sicherheitspolitik ist. Die NATO wird durch vdL überhaupt nicht erwähnt.
Sieht sie am Ende eine „ Europäische Armee“ mit dem Ziel einer „ autonomen europäischen Verteidigung“? Welche Rolle sollen die USA spielen, die seit Jahren rd. 70 Prozent der NATO-Ausgaben schultern? Will vdL diese missliche Lage ändern? Welche europäischen Staaten sind bereit, die dann fehlenden Beiträge der USA zu ersetzen?
„Personell und materiell am Ende“
Die NATO-Staaten haben 2014 beschlossen, ihre Verteidigungsausgaben bis 2024 auf die Benchmark von zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes zu steigern. Deutschland steht mir rd.1,2 Prozent weit abgeschlagen auf einem „ Relegationsplatz“. Als es der amerikanische Präsident bei der NATO-Konferenz wagte, seine Kollegen an die Absprache zu erinnern und die zwei Prozent-Marke erneut zu fordern, wurde von deutschen Politikern von einem lächerlichen Zahlenfetischismus gesprochen.
Hätten diese unseriösen Politiker den „Bericht 2016 des Wehrbeauftragten ( SPD)“ gelesen und verstanden, könnten sie wissen, dass die zwei Prozent kaum ausreichen werden, die eklatanten Defizite der Bundeswehr in den verbleibenden sieben Jahren abzubauen.
Die Bundeswehr ist nach vier Jahren unter der Verantwortung von vdL „ personell und materiell“ am Ende. Sie ist selbst zu „mittleren“ militärischen Operationen „nur bedingt einsatzbereit“.
Die kommenden Koalitionsgespräche müssen im angestrebten Koalitionsvertag zum Thema „Sicherheitspolitik und Streitkräfte“ klare Aussagen machen, was man bis 2021 verbessern will und kann – selbst auf Kosten einer „ Schwarzen Null“.
Was will Frau von der Leyen mit ihren Vorschlägen eigentlich erreichen? Ist es ein Versuch, sich für weitere vier Jahre als Verteidigungsministerin zu bewerben?
In Merkels Personalpolitik ist alles möglich. Vielleicht sieht sie in Frau von der Leyen die potentielle Nachfolgerin nach zwei oder vier Jahren.
Es geht nicht nur um das Verteidigungsressort, es geht um Deutschland.
Frau von der Leyen hat menschlich und fachlich versagt. Ihr ist es nicht gelungen, einen kompetenten Mitarbeiterstab aufzubauen. Sie hat nie verstanden, wie Soldaten fühlen und denken.
Frau von der Leyen sollte erklären, dass sie der nächsten Bundesregierung nicht angehören wird. Vielen Soldaten würde ein riesiger Stein von der Seele rollen.
Mit einer überzeugenden Persönlichkeit könnte ein „ Heynckes-Effekt“ auch in den Streitkräften neue Motivation und Kräfte freisetzen.
Es muss wieder eine Freude werden, in der Bundeswehr zu dienen.
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*) Dieter Farwick wurde am 17. Juni 1940 in Schopfheim, Baden-Württemberg, geboren. Nach dem Abitur wurde er im Jahre 1961 als Wehrpflichtiger in die Bundeswehr eingezogen. Nach einer Verpflichtung auf Zeit wurde er Berufssoldat des deutschen Heeres in der Panzergrenadiertruppe.
Vom Gruppenführer durchlief er alle Führungspositionen bis zum Führer einer Panzerdivision. In dieser Zeit nahm er an der Generalstabsausbildung an der Führungsakademie in Hamburg teil. National hatte er Verwendungen in Stäben und als Chef des damaligen Amtes für Militärisches Nachrichtenwesen.
Im Planungsstab des Verteidigungsministers Dr. Manfred Wörner war er vier Jahre an der Schnittstelle Politik-Militär tätig und unter anderem an der Erarbeitung von zwei Weißbüchern beteiligt. Internationale Erfahrungen sammelte Dieter Farwick als Teilnehmer an dem einjährigen Lehrgang am Royal Defense College in London.
In den 90er Jahren war er über vier Jahre als Operationschef im damaligen NATO-Hauptquartier Europa-Mitte eingesetzt. Er war maßgeblich an der Weiterentwicklung des NATO-Programmes ;Partnership for Peace beteiligt.
Seinen Ruhestand erreichte Dieter Farwick im Dienstgrad eines Brigadegernerals. Während seiner aktiven Dienstzeit und später hat er mehrere Bücher und zahlreiche Publikationen über Fragen der Sicherheitspolitik und der Streitkräfte veröffentlicht.
Nach seiner Pensionierung war er zehn Jahre lang Chefredakteur des Newsservice worldsecurity.com, der sicherheitsrelevante Themen global abdeckt.
Dieter Farwick ist Beisitzer im Präsidium des Studienzentrum Weikersheim und führt dort eine jährliche Sicherheitspolitische Tagung durch.
Seit seiner Pensionierung arbeitet er als Publizist