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Das Voll­geld­system und die Not­wen­digkeit von Schulden

Am Montag  findet in der Schweiz – vor dem Hin­ter­grund der dor­tigen Volks­in­itiative zur Umstellung auf Vollgeld – eine sehr inter­es­sante Tagung zum Thema „Geld­system und Voll­geld­reform“ statt. Ich nehme an der Tagung teil und werde berichten.
Zum Thema Vollgeld habe ich schon mehrfach etwas geschrieben:
„Voll­geld­system: Island als Vorbild“
„Voll­geld­system: So lösen sich Schulden in Nichts auf“
Im Vorfeld der Abstimmung mobi­li­sieren Befür­worter und Gegner mit Argu­menten. Eine Dis­kussion auf einem Niveau, wie sie in Deutschland leider (!!) undenkbar wäre.
So erklärte der Prä­sident der Schweizer Notenbank kürzlich, weshalb er an der bestehenden Ordnung fest­halten möchte. Dabei betonte er die positive Wirkung von Kredit. Das erin­nerte mich an meine Serie zur Eigen­tums­öko­nomik, wenn­gleich er nicht ganz so kon­se­quent argumentierte:
Schulden sind gut ‒ Eigen­tums­öko­nomik I
Hier die Argu­mente des Ver­treters der SNB:

  • „Eine extrem hohe private Ver­schuldung war eine wichtige Ursache für die Finanz­krise, die vor rund zehn Jahren ihren Ausgang nahm. (…) Aus dieser Erfahrung heraus hat sich der Ein­druck fest­ge­setzt, dass Ver­schuldung ganz generell etwas Übles ist, das es auf jeden Fall und immer zu ver­hindern gilt.“
    Fazit: Manch (neuer) Leser von Stelter mag denken, ich würde dies auch so sehen. Dem ist aber nicht so. Emp­fehle die Lektüre der Serie zur Eigentumsökonomik.

 

  • „In Wahrheit ist die Mög­lichkeit zur Ver­schuldung eine gute Sache! Denn ohne sie wären moderne Volks­wirt­schaften in ihrem Wachstum massiv ein­ge­schränkt. Diese Aussage hat dem Sinn nach Thomas Jordan, der Prä­sident der Schwei­ze­ri­schen Natio­nalbank, am ver­gan­genen Don­nerstag an einer öffent­lichen Ver­an­staltung gemacht. Und er hat recht.“
    – Fazit: Ich würde es anders sagen: Die Not­wen­digkeit Schulden zu machen und der sich aus den Schulden erge­bende Druck zur Mehr­leistung ist ein wich­tiger Treiber der wirt­schaft­lichen Ent­wicklung. Ohne den Druck haben wir Sozia­lismus. Aller­dings haben wir den Druck aus­ge­hebelt, indem wir jeden raus­hauen und damit sind wir kein Kapi­ta­lismus mehr, sondern eine Wirt­schaft, die zunehmend davon abhängt, den rich­tigen Zugang zu (Notenbank-)Geld und Macht zu haben. Wahnsinn, hätte nie gedacht, dass ich das mal schreibe.

 

  • „Unser Geld­system baut zum grössten Teil auf Schulden auf. Wenn Geschäfts­banken Kredite ver­geben, landen diese als Ein­lagen wie­derum auf Bank­konten: als Ein­lagen der Kre­dit­nehmer oder noch wahr­schein­licher als Ein­lagen der Ver­käufer von Häusern oder anderer Dinge, für die der Kredit (bzw. die Hypothek) auf­ge­nommen wurde. In jedem Fall basieren unsere Ein­lagen auf Schulden.“
    Fazit: was natürlich auch bedeutet, dass die Noten­banken nur einen sehr indi­rekten Ein­fluss auf die Ent­wicklung haben.

 

  • „(…) es ist eine his­to­rische Errun­gen­schaft, die eine moderne Volks­wirt­schaft sehr viel fle­xibler und reicher macht. Es muss nicht erst das Geld dazu bereit­stehen, damit inves­tiert werden kann. Man kann es sich sozu­sagen aus der Zukunft borgen. Viel­ver­spre­chende Inves­ti­tionen mit einem hohen öko­no­mi­schen und sozialen Nutzen wären sonst meist nicht möglich. Dies würde das Fort­kommen einer Volks­wirt­schaft massiv einschränken.“
    – Fazit: Dazu gehört zwingend, dass die Schuldner die Kon­se­quenzen von Fehl­ent­schei­dungen tragen. Und die Banken und ihre Eigentümer.

 

  • „(…) ent­scheidend ist tat­sächlich der Zusam­menhang zwi­schen der Ver­schuldung und dem erwar­teten Nutzen der damit getä­tigten Inves­tition: Leiht man sich per Kredit aus der Zukunft Mittel für Inves­ti­tionen aus, die einen hohen Ertrag abwerfen, dann ist die Auf­nahme von Schulden öko­no­misch sinnvoll. (…) Ganz anders sieht es aus, wenn Inves­ti­tionen keinen nach­hal­tigen Nutzen und Ertrag gene­rieren. Schulden zur Finan­zierung der Spe­ku­lation auf stei­gende Immo­bi­li­en­preise, wie im Vorfeld der Immo­bi­li­en­krise, haben keinen sozialen Nutzen und gefährden eine Volkswirtschaft.“
    – Fazit: Deshalb darf es eben auch keinen nach­hal­tigen Anstieg der Schul­den­quoten geben. Steigen diese an, ist es ein Zeichen für unpro­duktive Kre­dit­vergabe. Was sagt uns das nun heute?

 

  • „Falsche Anreize wie eine unge­nü­gende Regu­lierung der Banken, ein zu geringes Eigen­ka­pital und die sichere Aus­sicht, von den Steu­er­zahlern gerettet zu werden, befördern ein solches Fehl­ver­halten. Steigt die Ver­schuldung sehr rasch an, ist das meist auch ein deut­liches Warn­signal, denn die Mög­lichkeit für sozial und öko­no­misch sinn­volle Inves­ti­tionen kann damit in der Regel nicht mithalten.“
    – Fazit: Nein, mehr noch, es zeigt, dass die Inves­ti­tionen schlecht waren.

 

  • „(…) statt jede Art von Schulden zu ver­teufeln, ist eine gute Regu­lierung not­wendig; das gilt ganz besonders für die Finanz­branche, die ihr Geschäft mit der Ver­schuldung betreibt. Denn ange­messen regu­liert, hat sie für die Volks­wirt­schaft eine enorm wichtige und positive Funktion. Nicht nur durch ihre Mög­lichkeit, Kredite zu ver­geben, sondern auch durch ihre Aufgabe, die Chancen von Inves­ti­tionen zu eva­lu­ieren und die Mittel gut diver­si­fi­ziert in solche mit Aus­sicht auf Erfolg zur Ver­fügung zu stellen.“
    – Fazit: Die Wahrheit ist, dass Banken ohnehin kein Risi­ko­ka­pital geben. Sie finan­zieren Immo­bilien und Finanz­spe­ku­lation, aber keine Start-ups. Ich denke, wir brauchen deutlich mehr Eigen­ka­pital ohne eine Vorgabe der Kre­dit­vergabe gepaart mit einem echten Konkursrisiko.

FINANZ und WIRT­SCHAFT: „Die Not­wen­digkeit von Schulden“, 22. Januar 2017
Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com