„Schmeißt Deutschland aus dem Euro“ — Sozis sehen die Schuld für alle Pro­bleme des Euro bei Deutschland

Die SPD nahe IPG bringt immer mal Kom­mentare, die mich ver­wundern. Sollten sie viel­leicht nicht. Heute schauen wir uns einen Beitrag von Hartmut Elsenhans an, Poli­tik­wis­sen­schaftler, „füh­render Theo­re­tiker des glo­balen Keynesianismus“.
Er sieht wieder mal die Schuld für alle Pro­bleme des Euro bei uns, weshalb wir auch zahlen sollen. Ziel­richtung ist klar: weitere Stim­mungs­mache für eine Politik, die die ärmsten Haus­halte in der Eurozone die Rechnung bezahlen lässt. Komische Politik für eine Partei, die doch immer die Umver­teilung von arm zu reich bemängelt. Schauen wir uns die Argu­men­tation an:

  • „Die Eurozone krankt am Export­welt­meister Deutschland in seiner Mitte. Der fran­zö­sische Prä­sident Emmanuel Macron hat unlängst Vor­schläge unter­breitet, wie mit einem Euro­zonen-Budget auf eine Har­mo­ni­sierung im euro­päi­schen Wirt­schaftsraum hin­ge­ar­beitet werden könnte. Aber Deutschland bewegt sich nur in Trip­pel­schritten auf Macron zu.“
    Stelter: Macron geht es um Frank­reich, was völlig o. k. ist. Nur weil er es gut ver­packt, ist es noch lange nicht in euro­päi­schem oder gar deut­schem Interesse. Ich erinnere daran, dass Studien des IWF zeigen, dass die Umver­teilung weder funk­tio­niert noch aus­reichen würde!
  • „Wenn das so weiter geht, besteht die Gefahr, dass unsere euro­päi­schen Nachbarn die Geduld ver­lieren und Deutschland bitten, den Club zu ver­lassen, so wie früher die Mus­ter­schüler eine Klasse über­springen mussten. Damit es nicht so weit kommt, muss sich nicht nur die Austeri­täts­po­litik ändern, sondern in Deutschland müssten endlich die Löhne deutlich steigen.“
    – Stelter: Die werden das nie tun, denn dann fehlt der dumme Bei­trags­zahler. Was die Löhne betrifft, folgendes:
  • Weiter Stelter: Die Logik der Lohn­ar­gu­mente ist so: Die Lohn­zu­rück­haltung in Deutschland war unfair und die anderen haben die Löhne fair weiter steigen lassen, weshalb sie jetzt nicht mehr wett­be­werbs­fähig sind und wir sie aus­beuten. Meine Sicht ist anders: Das Zins­niveau war für die heu­tigen Kri­sen­länder real zu tief, was einen Schulden- und Kon­sumboom aus­gelöst und Immo­bi­li­en­blasen ange­heizt hat. In dem Zuge stiegen die Löhne in den Ländern viel zu schnell. Dann kam der Ein­bruch. Diese Länder hätten während des Booms immer impor­tieren müssen. Wenn nicht von uns, dann von anderen. Bei uns waren die Zinsen real zu hoch, weshalb wir eine Krise hatten, auch weil wir über­be­wertet in den Euro gegangen sind. Deshalb mussten wir intern abwerten. Der Über­schuss ist heute vor allem mit den Nicht-Euro-Ländern und dies wegen des schwachen Außen­werts des Euro ver­glichen mit einer D‑Mark. Bedeutet dies, dass alles o. k. ist? Natürlich nicht! Aber es ist eben nicht so einfach, dass man einfach nur die Löhne steigern muss.
  • „Viel zu lange wurde den deut­schen Arbeit­nehmern ein­ge­redet, ihre Löhne seien zu hoch, um im inter­na­tio­nalen Wett­bewerb mit­halten zu können. Tat­sächlich ist das Wachstum der Bin­nen­nach­frage zu gering. Und deutsche Arbeits­kräfte sind nicht zu teuer. Die Löhne sind über Jahre nicht ent­spre­chend der Pro­duk­ti­vität gestiegen.“
    – Stelter: aus den o. g. Gründen. Die Bin­nen­nach­frage boomt übrigens zurzeit, auch wegen der tiefen Zinsen!
  • „Gerade die Emp­fänger nied­riger Löhne stehen nicht unter inter­na­tio­nalem Wett­bewerb, weil sie keine han­del­baren Güter her­stellen. Unter inter­na­tio­nalen Wett­bewerb stehen vor allem die Arbeit­nehmer in den Export­in­dus­trien: Hier boomen die Arbeits­märkte, sind Fach­kräfte inzwi­schen schon knapp.“
    – Stelter: Das stimmt. Aber auch bei den ein­fachen Arbeiten gilt, dass es sich für die Arbeit­geber lohnen muss. Löhne hoch und wir bekommen wieder mehr Arbeitslosigkeit.
  • „Unsere Partner in der Eurozone haben in den letzten Jahr­zehnten die Löhne um die Pro­duk­ti­vi­täts­stei­gerung und zwei Prozent Inflation erhöht, wie dies die Euro­päische Zen­tralbank (EZB) vor­schlägt – Deutschland oft nicht einmal um die Pro­duk­ti­vi­täts­stei­gerung. Für unsere Partner in der  Eurozone bedeutet dies dann Han­dels­bi­lanz­de­fizite. Ihren Regie­rungen bleibt nur die Mög­lichkeit, durch Staats­pro­gramme Arbeits­lo­sigkeit abzu­mildern. Diese müssen über Schulden finan­ziert werden. Deutsche Arbeits­plätze sind also auch Folge der Bereit­schaft unserer Partner, sich zu verschulden.“
    – Stelter: Das stimmt aber breiter als hier insi­nuiert. Weltweit hängen wir an der Bereit­schaft der Länder (nicht nur der Staaten!), sich immer mehr zu ver­schulden, was keine gute Idee ist.
  • Die deutsche Austeri­täts­po­litik hat das euro­päische Projekt massiv gefährdet. Sie hat in den betrof­fenen Staaten zu mas­siver Staats­ver­schuldung, dem Abbau von Arbeits­rechten und sozialen Siche­rungs­sys­temen, zu Jugend­ar­beits­lo­sigkeit geführt, und nicht zuletzt eine popu­lis­tische Desta­bi­li­sierung der Politik befeuert.“
    – Stelter: Das ist einfach nur Quatsch. Wenn die Welt so simpel wäre! Keynes wäre niemals so simpel an die Sache ran­ge­gangen.
  • „Deutschland hat die Länder des süd­lichen Europas instru­men­ta­li­siert und zu einer aus­ge­beu­teten Peri­pherie gemacht, die der deut­schen Export­in­dustrie zuar­beitet. Es ent­steht eine gespaltene EU zwi­schen hoch­pro­duk­tivem Export­welt­meister und sta­gnie­rendem EU-Süden.“
    – Stelter: wer solche Ver­treter des eigenen Landes hat, oh je. Kein Wort zu der Pro­ble­matik der Zinspolitik.
  • „Kein kon­ser­va­tiver Wirt­schafts­wis­sen­schaftler bestreitet ernsthaft, dass per­ma­nente deutsche Export­über­schüsse zur Auf­wertung, und damit zur Ver­teuerung deut­scher Arbeits­kräfte auf dem Welt­ar­beits­markt führen müssten. Statt­dessen wird den deut­schen Arbeit­nehmern aber noch ein­ge­redet, sie seien mit ihrer Lohn­zu­rück­haltung den faulen Süd­ländern mora­lisch über­legen.“
    – Stelter: Ich denke, allen gemein ist, dass sie nicht sehen, dass wir auch unsere Erspar­nisse damit expor­tieren, was nun wahrlich nicht in unserem Interesse ist!
  • „Weil das deutsche Wachs­tums­modell nicht nach­haltig ist, schlägt der fran­zö­sische Prä­sident heute der Bun­des­re­publik ein Modell gemein­samen Wachstums vor, das die Inte­gration in Europa ver­tieft. Er will eine milde Trans­fer­union und ein gemein­sames Budget der Euro­päi­schen Union zur Finan­zierung von Infra­struk­tur­maß­nahmen und Ent­wick­lungs­maß­nahmen in den schwä­cheren Ländern, also letztlich eine Art Län­der­fi­nanz­aus­gleich, wie in Deutschland.“
    – Stelter: wo der IWF vor­rechnet, dass es nichts bringt! Warum soll man dann so etwas machen?
  • „Export­über­schüsse sind keine preu­ßische Tugend, sondern eine Untugend und zer­stören die Koope­ration in der Welt­wirt­schaft. Die Gründer des erfolg­reichen Bretton-Woods-Wäh­rungs­systems haben deshalb gefordert, dass Über­schuss­länder bestraft werden müssen. Der bri­tische Ökonom John Maynard Keynes schlug vor, dass Ein­nahmen aus Export­über­schüssen niedrig ver­zinst an Defi­zit­länder wei­ter­zu­reichen sind. Im Ver­gleich zu einem solchen Vor­schlag sind Macrons Vor­schläge für ein Euro-Budget äußerst moderat.“
    – Stelter: Da bin ich baff. Wie ist es denn mit den 900 Mil­li­arden, die wir zins- und til­gungsfrei ohne Sicherheit ver­leihen. Genügt das nicht? (Target2).
  • Die hohen Export­über­schüsse sind zu einem erheb­lichen Teil auf den Finanz­märkten angelegt worden, Geld­spe­ku­lation, die mit realer Wert­bildung nichts zu tun hat.“
    – Stelter: Wir legen unser Geld wirklich falsch an. Sollte man das nicht ändern?
  • „Wenn die deutsche Politik den Plan eines Euro­zonen-Budgets nicht ergänzt durch stark stei­gende deutsche Real­löhne, stark stei­gende Aus­gaben für soziale Infra­struktur und den Ausbau des Sozi­al­staates, bleibt nur das Ende des Euro, oder ein Euro, ohne den deut­schen Ele­fanten in seiner Mitte.“
    – Stelter: Ausbau des Sozi­al­staates zur Euro­rettung. Darauf muss man erst mal kommen. Richtig ist, dass die „schwarze Null“ das Problem ver­schärft. Wie wäre es denn mit Geld für Infra­struktur, Bildung und Innovation?

IPG: „Schmeißt Deutschland aus dem Euro“, 4. April 2018


Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com