Neue Risiken durch EDIS: Über die Gefahren einer euro­päi­schen Einlagensicherung

In der EU wächst der Druck auf Deutschland, einem EU-weiten System zur Sicherung der Bank­ein­lagen zuzu­stimmen. Die Kom­mission hatte dafür bereits 2015 einen Legis­la­tiv­vor­schlag prä­sen­tiert. Das EDIS (European Deposit Insu­rance Scheme) getaufte System sei „unver­zichtbar“ für das Ver­trauen in die Banken der Eurozone.
(Von Prof. Dr. Bernd Lucke)
Anfang 2016 lehnten Bun­destag und Bun­desrat die Kom­mis­si­ons­vor­schläge aller­dings als „nicht akzep­tabel“ ab. Fast wort­gleich heißt es, dass „eine euro­päische Ein­la­gen­si­cherung kein Ver­trauen in die Sicherheit der Spar­ein­lagen in ganz Europa schaffen und somit nicht zur Sta­bi­lität der Banken bei­tragen“ könne. Der Bun­destag drohte sogar mit der Erhebung einer Subsidiaritätsklage.
Dennoch öffnete der damalige geschäfts­füh­rende Bun­des­fi­nanz­mi­nister Alt­maier vor einigen Wochen die Tür für EDIS. Er sei opti­mis­tisch, dass „bis Juni eine Lösung erreicht wird“, wurde Alt­maier in der Presse zitiert. Das ließ auf­horchen, auch wenn Frau Merkel sich hin­zu­zu­fügen beeilte, die deutsche Position sei unver­ändert. Sein Nach­folger, Olaf Scholz, hat zwar gebremst, EDIS aber nicht grund­sätzlich abge­lehnt. Er hat es nur auf der Zeit­achse verschoben.
Neue Risiken durch EDIS
Genau wie Alt­maier fordert er, dass zuerst die Risiken in den Bank­bi­lanzen abgebaut werden. Das klingt vor­der­gründig ver­nünftig, ver­kennt aber das eigent­liche Problem: Denn durch die Euro­päi­sierung der Ein­la­gen­si­cherung werden nicht nur bestehende Risiken ver­ge­mein­schaftet, sondern es ent­stehen, wie es der Bun­desrat völlig richtig fest­ge­stellt hat, neue, kaum abzu­schät­zende Risiken vor allem in den Staaten, die funk­tio­nie­rende Ein­la­gen­si­che­rungs­systeme besitzen.
Dies liegt in der Natur eines grenz­über­schrei­tenden Systems: Wenn Res­sourcen eines natio­nalen Ein­la­gen­si­che­rungs­systems von einem anderen Land in Anspruch genommen werden, wird das hel­fende Ein­la­gen­si­che­rungs­system geschwächt. Seine Glaub­wür­digkeit, eine Krise im eigenen Land abwenden zu können, sinkt. Dies beein­trächtigt das Ver­trauen der Sparer in die fort­be­stehende Sicherheit ihrer Einlagen.
Wenn Bank­krisen Schlag­zeilen machen, liegt die Befürchtung nahe, dass die Krise auch auf das eigene Land über­greifen könnte. Das ist der schlech­test­mög­liche Zeit­punkt, um ein eigenes Ein­la­gen­si­che­rungs­system durch einen Res­sour­cen­transfer in ein Kri­senland zu schwächen. Kleinste Anzeichen oder bloße Gerüchte über ein Über­greifen der Krise können dann zu einem Schal­ter­sturm (bank run) im hel­fenden Land führen, weil die Sparer die Sicherheit der eigenen Ein­lagen nicht mehr für gewähr­leistet halten.
Das bessere System?
Deshalb greift es zu kurz, wenn die Befür­worter von EDIS dieses einfach als ein bes­seres (?) System zum Management bestehender Risiken sehen. Die große Gefahr besteht darin, dass durch EDIS endogen neue Risiken ent­stehen, die zu den bereits bestehenden hinzutreten.
Es geht hier nicht um die ver­breitete Wahr­nehmung, dass EDIS „gute“ deutsche Banken dazu ver­pflichtet, für „schlechte“ ita­lie­nische oder grie­chische Banken ein­zu­springen. So besorg­nis­er­regend die Risiken in den Ban­ken­sys­temen mancher süd­eu­ro­päi­schen Staaten sind: Auch manche deut­schen Banken haben gra­vie­rende Pro­bleme. Es ist kei­neswegs aus­ge­schlossen, dass die nächste große Finanz­krise von einer deut­schen Bank ausgeht. Aber genau wegen dieser Gefahr wäre es ver­häng­nisvoll, wenn die deut­schen Ein­la­gen­si­che­rungs­systeme ver­pflichtet wären, bei Krisen außerhalb Deutsch­lands aus­zu­helfen. In Kri­sen­zeiten müssen unsere Ein­la­gen­si­che­rungs­systeme stark und unge­bunden sein, um das Ver­trauen der Sparer in die Sta­bi­lität der eigenen Banken zu erhalten.
Gefähr­liche Beistandspflicht
Der sprin­gende Punkt an EDIS ist die Ver­pflichtung zur grenz­über­schrei­tenden Hilfe: Darin unter­scheidet sich EDIS ent­scheidend von der derzeit gül­tigen Ein­la­gen­si­che­rungs­richt­linie der EU: Nach deren Artikel 12 können sich Ein­la­gen­si­che­rungen gegen­seitig Hilfe leisten, wenn ein System ansonsten eine Bank­krise nicht abwehren kann. Diese frei­willige Hilfe kann in manchen Situa­tionen auch völlig richtig sein, um eine Krise schnell auszutreten.
Aber jede Finanz­krise ist anders. Deshalb muss ein Ein­la­gen­si­che­rungs­system stets frei ent­scheiden können, ob der Abfluss von Res­sourcen in ein Kri­senland in der kon­kreten Situation ver­ant­wortbar ist, oder ob damit das Ent­stehen einer Ban­ken­krise im eigenen Land her­auf­be­schworen wird. Diese Freiheit haben Ein­la­gen­si­che­rungs­systeme heut­zutage. EDIS aber beseitigt diese Freiheit und ersetzt sie durch eine mecha­nische Bei­stands­pflicht. Das ist falsch und gefährlich. Kein Bun­des­fi­nanz­mi­nister sollte dem Vor­schub leisten.
Miss­brauch von EDIS
Es gibt noch einen zweiten Grund, weshalb EDIS nationale Ein­la­gen­si­che­rungs­systeme so stark schwächen könnte, dass dadurch neue Bank­krisen ent­stehen. Dieser besteht darin, dass EDIS dazu miss­braucht werden könnte, sys­te­mische Bank­krisen zu bekämpfen.
Ein­la­gen­si­che­rungs­systeme werden aus Mitteln der einem bestimmten Ban­ken­verbund ange­hö­renden Banken finan­ziert. Sie decken typi­scher­weise nur einen kleinen Pro­zentsatz der garan­tierten Ein­lagen ab. Deshalb können Ein­la­gen­si­che­rungs­systeme immer nur „kleine“ Bank­krisen abwenden, die eine oder wenige Banken des Ver­bundes betreffen. Eine sys­te­mische Krise, die alle oder die meisten Banken erfasst, können die um ihr Über­leben rin­genden Banken nicht selbst abwenden. Dafür braucht man eine fis­ka­lische Letzt­si­cherung, also ein Ein­treten des Staates (und Steu­er­zahlers) in höchster Not.
Kein Staat tut das gern. Wenn es also in einem Mit­glieds­staat eine „große“ (sys­te­mische) Ban­ken­krise geben sollte, ist zu befürchten, dass EDIS her­an­ge­zogen werden würde, sobald diese Mög­lichkeit besteht. Lieber die Banken anderer Länder in Anspruch nehmen als die eigenen Steu­er­zahler. Wenn aber EDIS auch für „große“ Krisen ein­springen muss, kann der Abfluss von Res­sourcen aus den hel­fenden Ein­la­gen­si­che­rungs­sys­temen beträchtlich sein. Da die Krise „sys­te­misch“ ist und die EU ein ein­heit­liches System der Ban­ken­re­gu­lierung hat, müssen die Sparer ein Über­springen der Krise auf das eigene Land befürchten. Die Nach­richt von der Schwä­chung der eigenen Ein­la­gen­si­che­rungen durch Hil­fe­leistung andernorts kann dann gerade den Schal­ter­sturm ver­ur­sachen, den ein starkes Siche­rungs­system hätte ver­hindern sollen.
 


Prof. Dr. Bernd Lucke für TheEuropean.de