Manifestation du mouvement des gilets jaunes de la FFMC, à la place de la République, à Belfort, le 17 novembre 2018.

Frank­reich: Frack­sausen bei den Eliten — Gelb­westen nicht mehr kon­trol­lierbar – es droht eine echte Revolution

Fre­deric Filloux ist Medi­en­wis­sen­schaftler und ein gebil­deter Schreiber. Seine Themen kann man auf seiner Medi­en­seite im Internet sehen. Er kümmert sich sehr stark um Themen in den sozialen Medien, um die Ent­wicklung der klas­si­schen Medien, deren Für­sprecher er ist. Er beob­achtet die Ent­wicklung weg von den klas­si­schen Zei­tungen und hin zu den Blogs, Alter­na­tiven und Sozialen Medien mit Sorge. Auch die Tat­sache, dass die Werbung von den Firmen zunehmend selbst gemacht wird und sich mehr und mehr vom alt­her­ge­brachten Anzei­gen­ge­schäft ver­ab­schiedet, erschreckt ihn.
Richtig auf­regen kann ihn aber die gegen­wärtige Revo­lution der Gelb­westen. Er nennt sie eine lose Gruppe von Demons­tranten und Ran­da­lierern, denen nur eins gemein sei, sie pro­tes­tieren gegen Macrons Politik.
Der Mann und seine Äuße­rungen wären nicht weiter inter­essant, wenn sie nicht stell­ver­tretend für die eta­blierte Medi­enwelt wäre. Man weiß einfach nicht, wie man mit dem Protest umgehen soll, der tat­sächlich das Zeug zu haben scheint, eine veri­table Revo­lution in Gang zu setzen.
So schreibt auch Leonid Bers­hidsky auf Bloomberg voll­kommen fas­sungslos:
There’s nothing demo­cratic about the emer­gence of Facebook group admi­nis­trators as spo­ke­speople for what passes for a popular movement. Unlike Macron and French legis­lators, they are unelected.“
Über­setzung: Es gibt nichts Demo­kra­ti­sches an dem Empor­kommen der (Facebook)-Gruppenadministratoren zum Sprecher für das, was da als Volks­be­wegung gilt. Im Gegensatz zu Macron und den Fran­zö­si­schen Gesetz­gebern sind sie nicht gewählt worden.
Soviel hilf­loses Unver­ständnis ist schon fast rührend. Diese Leute sollten einmal ihre Nase in ein gutes Geschichtsbuch stecken. Revo­lu­ti­ons­führer stellen sich nie zur Wahl. Bei der fran­zö­si­schen Revo­lution gab es vorher einige geistige Weg­be­reiter, es gab Schreiber und Denker, aber die waren es nicht, die an der Spitze des wütenden Volkes die Bas­tille erstürmt haben, zumal dieses Gefängnis als Ziel eigentlich auch voll­kommen unmaß­geblich war.
Revo­lu­tionen sind ein erup­tiver Vorgang, wie ein Vul­kan­aus­bruch. Sie brodeln unter­ir­disch lange vor sich hin. Wer es genau beob­achtet, stellt fest, dass der Boden arbeitet und sich hebt, dass es aus ver­schie­denen kleinen und grö­ßeren Spalten raucht und qualmt, aber oben­drauf sieht alles noch normal aus. Und dann eines schönen Tages grollt und wummert es viel­leicht noch vorher, und dann speit der Vulkan Asche und Feuer. Ein pyro­kla­si­ti­scher Strom und glü­hende Lava wälzen sich mit D‑Zuggeschwindigkeit zu Tal und ver­nichten alles, was im Weg ist.
Mit einem zur Weißglut auf­ge­sta­chelten Volk kann man genau­so­wenig über Demo­kratie und gute Manieren dis­ku­tieren, wie mit einem Vulkan über die Zer­störung seines pyro­klas­ti­schen Stromes. Das beweist die Geschichte der Menschheit. Es hat seit Jahren genügend Anzeichen vorher gegeben, wie vor jeder Revo­lution. Die Wahl Macrons zum Prä­si­denten war ein Trick des Systems, bei dem im letzten Moment der fran­zö­sische Wähler noch mal her­ein­gelegt und getäuscht werden konnte mit einem künst­lichen, hüb­schen Bürschlein, das sich als großer Refor­mator insze­nieren ließ, dann aber noch schneller ver­hasst war als alle Prä­si­denten vor ihm.
Und was die demo­kra­tische Legi­ti­mation betrifft, so haben die Qua­li­täts­medien Europas alle ein­helllig berichtet, dass die Gelb­wes­ten­pro­teste von 75 Prozent der Fran­zosen unter­stützt und getragen wird. Eine solche über­wäl­ti­gende Mehrheit kann man dann schon demo­kra­tisch nennen.
Fre­deric Filloux stört sich an der Art und Weise, wie die Pro­teste und der Aufruhr zustandekamen:
Two weeks ago, more than 1,500 Yellow Vests-related Facebook events were orga­nized locally, some­times gar­nering a quarter of a city’s popu­lation. Self-appointed thinkers became national figures, thanks to popular pages and a flurry of Facebook Live. One of them, Maxime Nicolle (107,000 fol­lowers), orga­nizes fre­quent impromptu “lives”, imme­diately fol­lowed by thou­sands of people. His gospel is a hod­ge­podge of inco­herent demands but he’s now a national voice. His Facebook account, fea­turing a guil­lotine, symbol of the French Revo­lution and the device for death penalty until 1981, was briefly sus­pended before being rein­stated after he put up a more accep­table image. Despite sur­reals, but always copious lists of claims, these people appear on popular TV shows. Right now in France, tra­di­tional TV is trailing a social sphere seen as uncor­rupted by the elites, unfil­tered, and more authentic.“ 
Über­setzung: Vor zwei Wochen wurden vor Ort mehr als 1.500 Facebook-Ver­an­stal­tungen im Zusam­menhang mit den Gelben Westen orga­ni­siert, die manchmal ein Viertel der Bevöl­kerung einer Stadt mobi­li­sierten. Selbst­er­nannte Denker wurden dank popu­lärer Seiten und einer Flut von “Facebook-Lives” zu natio­nalen Per­sön­lich­keiten. Einer von ihnen, Maxime Nicolle (mit 107.000 Anhängern), orga­ni­siert häufig impro­vi­sierte “Lives”, wor­aufhin ihm unmit­telbar Tau­sende Leute folgen. Sein Evan­gelium ist ein Gebräu wirrer For­de­rungen, aber er ist jetzt eine Stimme der Nation. Sein Facebook-Konto mit dem Bild einer Guil­lotine, Symbol der Fran­zö­si­schen Revo­lution und dem Instrument für die Todes­strafe bis 1981, wurde vor­über­gehend her­un­ter­ge­nommen, nachdem er zwi­schendrin ein akzep­ta­bleres Bild ein­gesezt hatte. Trotz sur­realer Vor­stel­lungen, aber immer mit ellen­langen Listen an For­de­rungen, tauchen diese Leute in popu­lären Fern­seh­sen­dungen auf. Das nationale Fern­sehen läuft zur Zeit einer sozialen Bewegung hin­terher, die als nicht von den Eliten kor­rum­piert, unge­filtert und mehr authen­tisch gesehen wird.
Es gleicht wirklich alles einer Revo­lution, und auch diese Rat­lo­sigkeit der Volkswut gegenüber ist nicht neu, sondern ein typi­sches Zeichen der Abge­ho­benheit bestimmter Kreise. Auch Marie Antoi­nette fragte völlig ver­wundert, warum denn die Leute da draußen so her­um­toben und was sie denn wollen. „Sie haben kein Brot“, bekam sie zur Antwort. „Dann sollen sie doch Kuchen essen“, soll die Königin gesagt haben, was zwar nicht belegt ist, aber sehr symbolisch.
Die Revo­luzzer auf der Straße sind einfach wütend und fühlen sich ver­raten und ver­kauft und zwar aus vielen Gründen, die alle zusammen das gärende „Gebräu“ des Volks­zorns ange­rührt haben. Was die Leute umtreibt, das schreiben sie sehr wohl auf die Plakate, die sie tragen. Und wenn sie erst einmal so weit sind, dass sie nur noch „Ras de Bol!“ — also „Schnautze voll“ auf den Trans­pa­renten stehen haben, dann ist es eine Sekunde vor zwölf und es gibt keine klug for­mu­lierten Ver­hand­lungs­pa­piere mehr.
Her­um­zu­heulen, dass Facebook den klas­si­schen Medien den Rang abge­laufen habe, wie Fre­deric Filloux es tut, zeigt, dass er nichts begriffen hat. Die Fran­zosen haben sich schon lange von den klas­si­schen Medien abge­wandt, weil sie dort nur belehrt, beschimpft, belogen, mani­pu­liert und umer­zogen werden.
Die klas­si­schen Medien sind es, die unde­mo­kra­tisch sind und sie haben das Ver­trauen des Volkes genauso ver­loren, wie die Eliten, denen sie — gegen das Volk — gedient haben. Das ist die traurige Wahrheit. Und wieder fällt Elfen­beinturm-Bewohnern wie Fiolloux nichts anderes ein, als auch Facebook zu zen­sieren oder zu zer­stören: Sollte Facebook also ver­boten werden? Nein, meint Filoux. Das würde nur noch schlim­meren Platt­formen den Weg bereiten. Er plä­diert aller­dings für eine deutlich stärkere Regu­lierung des welt­größten Social Net­works bis hin zur Zerschlagung.“ 
Diesen hoch­ge­bil­deten Dumm­köpfen kann man nur sagen: Es hat immer schon Revo­lu­tionen gegeben, wenn es dem Volk zu dumm wurde und die Not zu groß. Auch zu Zeiten, in denen es noch kein Facebook gegeben hat. Dazu braucht kein Volk Facebook. Und das wird auch immer wieder so sein.