Vera Lengsfeld: Auf­ar­beitung des DDR-Unrechts nach Maßgabe einer Inof­fi­zi­ellen Mit­ar­bei­terin der Stasi?

Nachdem ich im gest­rigen Beitrag der unge­klärten Frage nach­ge­gangen bin, wer eigentlich die Ein­la­denden zu der Tagung über den angeb­lichen „rechten Rand der DDR-Auf­ar­beitung“ am kom­menden Don­nerstag, den 14. Februar in den Räumen der Amadeu Antonio Stiftung sind, unter­suche ich heute, was diese „Fach­tagung“ eigentlich bezweckt.

Liest man das Ein­la­dungs­schreiben, ist die Tendenz ganz klar: Es geht gegen die Gedenk­stätten des DDR-Unrechts, die in ehe­ma­ligen Gefäng­nissen für poli­tische Gefangene gegen erheb­liche Wider­stände der ehe­ma­ligen Täter ein­ge­richtet wurden.

Seit die DDR von ihren rebel­li­schen Bürgern im Ergebnis der Fried­lichen Revo­lution abge­schafft wurde, tobt der Kampf um ihr Bild in der Geschichte. Die alten SED-Kader und die Mit­ar­beiter der Staats­si­cherheit hatten das größte Interesse daran, den Dik­ta­tur­cha­rakter des zweiten deut­schen Staates zu ver­tu­schen. Dabei erzielte die SED, die sich nach vier­ma­ligem Namens­wechsel heute Linke nennt, beträcht­liche Erfolge. Weil es dem letzten SED-Chef Gregor Gysi, der die Par­tei­führung im Dezember 1989 übernahm, gelang, die Auf­lösung der Partei zu ver­hindern – das Haupt­ar­gument war, dass dann das Ver­mögen ver­loren gehe – stand der Partei ein rie­siger Apparat weiter zur Verfügung.

Die umfang­reichen SED-Res­sourcen konnten im Ver­ei­ni­gungs­prozess und danach erfolg­reich für ideo­lo­gische Kam­pagnen ein­ge­setzt werden. Eine Schlüs­sel­rolle kam dabei von Anfang an dem „Kampf gegen rechts“ zu. Die SED-PDS insze­nierte sich als die Kämp­ferin gegen den angeblich dro­henden Rechtsruck des ver­einten Deutschlands.

Am 28. Dezember 1989 beschmierten Unbe­kannte die Stein­sar­ko­phage und den Sockel der Krypta des Sowje­ti­schen Ehrenmals in Berlin-Treptow mit rechts­extre­mis­ti­schen Parolen. Sofort ver­kündete die SED-PDS auf allen ihr zur Ver­fügung ste­henden Kanälen, dass der oder die Täter aus der rechts­extremen Szene kämen, und ver­an­staltete am 3. Januar 1990 eine Mas­sen­de­mons­tration, an der sich 250.000 Genossen betei­ligten. Der Par­tei­vor­sit­zende Gysi for­derte bei dieser Gele­genheit einen „Ver­fas­sungs­schutz“ als Ersatz für die Staats­si­cherheit der DDR. Der His­to­riker Stefan Wolle hält es deshalb für möglich, dass hinter den Schmie­re­reien Stasi-Mit­ar­beiter steckten. Geklärt ist die Täter­schaft bis heute nicht.

Die Gedenk­stätten in den ehe­ma­ligen Sta­si­ge­fäng­nissen, Haft­an­stalten und geschlos­senen Jugend­werk­höfen sind den SED- und Sta­si­tätern ein beson­derer Dorn im Auge.

Jetzt kommt die Attacke mit Hilfe des Vor­wurfs „rechter Ten­denzen“ und kann damit zu dem führen, was viele schon länger wollen: Die Umin­ter­pre­tation des DDR-Unrechts. Der „Fach­tagung“ in den Räumen der Amadeu Antonio Stiftung kommt dabei offen­sichtlich die Rolle zu, „Beweise“ zu sammeln für eine erfolg­reiche Kam­pagne gegen die Gedenk­stätten. Dass dabei aus­ge­rechnet eine ehe­malige Stasi-IM eine Schlüs­sel­rolle ein­nimmt, ist besonders gruselig.

Aber bei dieser Tagung spielt nicht nur Anetta Kahane eine zen­trale Rolle. Sondern auch ein gewisser Enrico Heitzer. Und der ist wohl­be­kannt. Dazu möchte ich aus dem Brief der geschäfts­füh­renden Lei­terin des Men­schen­rechts­zen­trums Cottbus an die Lan­des­zen­trale für Poli­tische Bildung Berlin zitieren:

„Wir als Men­schen­rechts­zentrum Cottbus e.V. sind Teil des Pro­gramms. Der Referent über uns, Enrico Heitzer, kri­ti­siert uns und die von uns geführte Gedenk­stätte seit Jahren. Dies kann er von mir aus tun. Aber nicht in der Art und Weise, wie er es tut – ein­seitig, bös­willig, mit sar­kas­ti­schen und her­ab­set­zenden Kom­men­taren, nicht kon­struktiv. Er lässt weder Gegen­ar­gu­mente zu, noch akzep­tiert er einen eigenen Weg der Auf­ar­beitung von Unrecht. Ent­weder soll man sich nach seinen Richt­linien richten, ansonsten wird man nie­der­ge­macht, was er auch fleißig seit Jahren gegen uns prak­ti­ziert. Mitt­ler­weile kommt es mir wie ein ideo­lo­gi­scher Kampf gegen uns vor. Herr Heitzer war bei uns am 14. Januar 2019, um sich, wie er sagte, wegen einer Rezension, über unser päd­ago­gi­sches Konzept, unseren Stand in der Stadt Cottbus usw. zu erkun­digen. Wir nahmen sein Anliegen ernst und waren von uns aus an dem Tag zu viert, damit jeder aus seinem Fach­gebiet Ant­worten geben kann. Die Methodik der Befragung durch Herrn Heitzer während des drei­stün­digen Gesprächs war wie bei einer Ver­nehmung, was ich ihm als Lei­terin auch mehrfach gesagt habe. Er hat auch nicht mit offenen Karten gespielt, dass er eine Ver­an­staltung vor­be­reitet, bei der wir mit einem Referat von ihm einen Teil ausmachen.“

Ein anderer Referent ist der Jour­nalist Markus Decker, der eben­falls seit geraumer Zeit in ein­sei­tiger und bös­wil­liger Weise Bür­ger­rechtler der DDR und Mit­ar­beiter der Gedenk­stätten des DDR-Unrechts attackiert.

Und dann noch dies: „Erfah­rungen von Stu­die­renden in der Gedenk­stätte Hohen­schön­hausen“, Refe­rentin: Annica Peter – ich finde es besonders ver­werflich, dass hier ein ‚Erfah­rungs­be­richt‘ einer Stu­dentin der Öffent­lichkeit vor­ge­stellt werden soll, ohne dass die betroffene Gedenk­stätte oder ihre Refe­renten sich adäquat zu mög­lichen Vor­würfen äußern können.

„Ein Tri­bunal“ sei nicht inten­diert” wird im Ein­la­dungs­schreiben ver­si­chert. Das stimmt insofern, als bei Tri­bu­nalen die Ange­klagten anwesend sind und sich ver­tei­digen können. Bei der „Fach­tagung“ handelt es sich eher um eine geschlossene Gesell­schaft, die ihre Urteile ent­spre­chend ihrer ideo­lo­gi­schen Vor­ur­teile fällen will. Offenbar sollen die neuen Kri­terien der Auf­ar­beitung des DDR-Unrechts nach Maßgabe einer Sta­si­mit­ar­bei­terin erfolgen, im Sinne derer, denen sie früher gedient hat. Ein solcher Skandal ist wohl nur in Deutschland möglich.

Wer schweigt, stimmt zu!

Hier können Sie gegen die geplante Ver­an­staltung pro­tes­tieren: thomas.gill@senbjf.berlin.de

Hier können Sie eine Petition gegen die Finan­zierung der Kahane-Stiftung aus öffent­lichen Mitteln unter­stützen: https://www.change.org/p/bundesregierung-bundesministerium‑f%C3%BCr-fsfj-keine-%C3%B6ffentliche-finanzierung-der-amadeu-antonio-stiftung


Vera Lengsfeld — www.vera-lengsfeld.de