Spargel-Abstechen beim Spiegel

Von Roger Letsch — Wieviel Lack muss man eigentlich gesoffen haben, bis die richtige Stimmung für einen PC-kon­formen Spargel-Verriss-Artikel erreicht ist? Nicht, dass man keine gas­tro­no­mische Häme über ver­un­glückte Krea­tionen und tot­ge­kochtem Spargel aus­schütten könnte! Da wäre sicher von diversen Küchen­miss­hand­lungen Schlimmes zu berichten. Aber Mar­garete Sto­kowskis kuli­na­rische Expertise dürfte mit der Unter­scheidung von grünem und weißem Spargel bereits hin­rei­chend gefordert sein. Ihre Kritik ist deshalb „poli­ti­scher” Natur und da ist der Spargel, der deutsche zumal, ein ganz pöhses Zeichen von Patri­archat, Aus­beutung, „white supremacy“ und sexis­tisch ist er auch! Sozu­sagen das „dicpic“ unter den Gemüsen. Beim Lesen macht man sich unwill­kürlich und ernsthaft Sorgen über den geis­tigen Gesund­heits­zu­stand der Autorin, die sich mit ihrer Empörung entlang von selbst­emp­fun­denen Mikro-Aggres­sionen an einem wehr­losen Gemüse und seinen Pro­du­zenten und Kon­su­menten abarbeitet.
Die sechste Jah­reszeit, die soge­nannte Spar­gel­saison“ – Was für eine Unver­schämtheit, wo Sto­kowski doch schon mit der fünften Jah­reszeit namens Kar­neval sicher das eine oder andere neo-femi­nis­tische Hühnchen zu rupfen hat.
Er [der Spargel] darf überall rein und überall ran“ – Das ist natürlich Blödsinn, denn weder im Müsli noch im Smoothie noch im ent­kof­fe­inierten Soya-Latte wurde er bisher gesichtet.
Der Loriot unter den Gemüsen – ok, aber kom­plett über­be­wertet“ – Alte weiße Männer aus der Ver­gan­genheit, besonders wenn sie tot sind, geben eben ein per­fektes Feindbild ab. Gerade wenn ihr Werk berghoch über dem der Autorin aufragt. Zwar bezeichnet Sto­kowski Spargel im selben Artikel als „sehr lecker“ und sogar als „Superfood“, das hindert sie aber nicht daran, im selben Artikel den Maßstab zu ändern und das Gemüse als über­schätzt zu bezeichnen. Das Adjektiv muss sich der Spargel aber mit Frau Sto­kowski teilen.
Der weiße Spargel, der eigentlich und nicht ohne Grund ‘Gemeiner Spargel’ heißt“ – Wir haben ver­standen, Gretel! Weiß und gemein. Schon klar.
Wenn die Spitze des Spargels es ans Licht geschafft hat, ver­färbt sie sich blau-lila und schmeckt dann zwar nicht schlechter, gilt aber sofort als Wert­verlust.“ – Hier muss der Hob­bykoch kurz ein­haken. Es handelt sich hier weniger um einen Wert­verlust, weil der Spargel dann zum „Veggie of color“ wird und Dis­kri­mi­nierung wegen seiner Haut­farbe erfahren muss, sondern um eine Änderung in der Han­dels­klasse. Köche sind da noch pin­ge­liger als EU-Büro­kraten. Im Handel macht sich das übrigens nicht immer am Preis fest. Die Stangen liegen nur in sepa­raten Kisten – und nein, das ist keine Spargelapartheit!
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Grüner Spargel hat das Problem nicht, weil er über der Erde wächst, außerdem ist er gesünder und muss nicht geschält werden.“ – So viel Ahnungs­lo­sigkeit in einem Satz. Über der Erde wächst der weiße Spargel auch – wenn man ihn lässt! Aber genau das ist ja der Grund, warum man ihm den Weg ver­längert, indem man Erde über ihm anhäuft. „Gesünder“ ist zudem eine sehr pau­schale Aussage. Ein Medi­kament ist auch der grüne Spargel nicht. Außerdem möchte ich der Autorin ‚was das Schälen angeht, einfach mal Unwis­senheit und Koch-Leg­asthenie attes­tieren und nicht unter­stellen, sie sei einfach nur zu faul dazu. Denn Schälen muss man den grünen Spargel sehr wohl – nur nicht so viel.
Spargel und Verspargelung
Während Wind­kraft­werke als Ver­schan­delung der Natur gelten, hat der gemeine Deutsche kein Problem damit, dass Spargel oft in Mono­kul­turen unter Plas­tik­folie angebaut wird, die min­destens genau so hässlich aus­sehen. – Gemeiner Spargel, gemeine Deutsche. Da wächst zusammen, was offenbar zusammen gehört. Ob es aber etwas gibt, das häss­licher ist als eine mit Wind­kraft­an­lagen „ver­spar­gelte“ Land­schaft, wage ich zu bezweifeln. Auch unter­scheiden sich diese beiden „Spar­gel­sorten” in der Höhe der Sub­ven­tionen, die sie aus dem Boden schießen lassen. Zudem ist jede andere Gemü­se­sorte an ihrem Standort und für eine Saison „Mono­kultur“, ganz zu schweigen von der hori­zont­ver­än­dernden Ener­gie­pflanze Mais.
Außerdem sorgen die Bauern doch im Sinne eines freien Blickes auf den Horizont durch das recht­zeitige Ernten des Spargels dafür, dass dieser erst gar nicht den Blick ver­stellt. Wind­räder sind da ganz anders, wachsen höher und ihnen ist beim Spar­gel­stechen kaum bei­zu­kommen. Dass Spargel ein mehr­jäh­riges Gewächs ist, könnte Sto­kowski unter dem Nach­hal­tig­keits­aspekt sogar bejubeln, wüchse er nicht in Phal­lusform, wäre so unver­schämt weiß und deutsch und würde nicht aus­ge­rechnet(!) von pol­ni­schen Ern­te­helfern geerntet. Wo Sto­kowski sich durch die Äcker schreibt, wächst jeden­falls so schnell kein Spargel mehr.
Freuen wir uns also schon mal auf den Mut­tertag, an dem Frau Sto­kowski in einem ulti­ma­tiven Mic-Drop-Artikel ein für alle Mal mit der Blu­men­in­dustrie abrechnen wird. Und die alten weißen Weih­nachts­baum­züchter können sich im November schon mal auf ein amt­liches Don­ner­wetter gefasst machen!
 

Der Autor Roger Letsch ver­öf­fent­licht seine sehr lesens­werten Bei­träge auf www.unbesorgt.de