Von Peter Haisenko
Es war ein beispielloser Vorgang nach dem Wahlsieg von Donald Trump: Der scheidende Präsident Obama hat während der letzten zwei Monate im Amt alles getan, den Amtsantritt seines Nachfolgers so schwierig wie möglich zu machen. Diesem schlechten Beispiel folgt jetzt offensichtlich der fulminant abgewählte Präsident der Ukraine.
Erinnern wir uns kurz, wie der Bürgerkrieg in der Ostukraine nach dem Maidan-Putsch hergestellt worden ist. Nur Tage im Amt, hat Poroschenko ein Dekret erlassen, das den Gebrauch der russischen Sprache innerhalb der Ukraine verbot. Die überwiegend russischsprechenden Bürger der Ostukraine fühlten sich diskriminiert und haben Kiew den Gehorsam verweigert. Anstatt seine unsinnige Anordnung auch nur zu diskutieren, hat Poroschenko sofort mit Gewalt gedroht, was auf der anderen Seite mit Gegengewalt beantwortet wurde. Das darf nicht verwundern, denn im Osten der Ukraine hatten bis zu 96,2 Prozent für den weggeputschten Präsident Janukowytsch gestimmt. Im Westteil hingegen war die überwältigende Mehrheit für den Gegenkandidat Juschtschenko und so der Konflikt geradezu vorprogrammiert. Dennoch bedurfte es der “Investition” von etwa fünf Milliarden Dollar aus den USA, den Putsch zu organisieren, Poroschenko ins Amt zu hieven und den folgenden Bürgerkrieg herzustellen.
Der Westen hätte Poroschenko entschieden zur Ordnung rufen müssen
Poroschenko hat anschließend alles getan, den Konflikt weiter zu eskalieren. Das war wohl sein Auftrag, ebenso wie er Russland als Schuldigen brandmarken sollte. Poroschenko hat sich während seiner gesamten Amtszeit an keine Auflage des Minsk-II-Abkommens gehalten und der Westen hat fleißig auf Russland eingeschlagen, obwohl Russland die Einhaltung dieses Abkommens in keiner Weise erzwingen konnte. Die einzige Möglichkeit den Konflikt zu entschärfen wäre gewesen, dass der Westen Poroschenko zur Ordnung gerufen und dies mit Sanktionen durchgesetzt hätte. Jetzt ist er abgewählt und der Neue, Selensky, hat sofort angekündigt, diesen Konflikt entschärfen zu wollen.
Pikant an dem rassistischen Sprachdiktat Poroschenkos ist, dass nach wie vor in seinem Ministerrat russisch gesprochen worden ist, denn einige seiner Minister waren der ukrainischen Sprache gar nicht mächtig. So ist das Sprachdiktat in Vergessenheit geraten. Der Neue Präsident Selensky selbst spricht nur mangelhaft ukrainisch. So kann es nur als abgrundtiefe Bösartigkeit bewertet werden, wenn Poroschenko jetzt, nur wenige Tage nach seiner Abwahl, aber immer noch im Amt, per Gesetz den Gebrauch der russischen Sprache verbieten lässt. Natürlich weiß Poroschenko, dass es eben dieses Sprachdiktat war, das den Konflikt originär ausgelöst hatte. Er will also seinem Nachfolger seine Bemühungen zur Konfliktlösung so schwer wie irgend möglich machen.
Dem Nachfolger das Leben so schwer wie möglich zu machen, heißt die Devise
Damit folgt er seinem Gönner Obama, der ebenfalls in der Übergangszeit noch Gesetze erlassen hat, von denen er wusste, dass sie die geplante Agenda seines Nachfolgers Trump maximal behindern werden. Inklusive dessen, dass er mit dem FBI noch geklüngelt hat, um das Märchen von der russischen Wahleinmischung zu befördern. Poroschenko wiederum hat mit dem jetzt gesetzlich festgelegten Sprachdiktat noch einen weiteren Effekt erzielt. Er diskreditiert seinen Nachfolger, denn dieser wird sich nicht an dieses Gesetz halten können oder wollen. Er selbst hingegen muss nicht mehr fürchten, mit den russischsprachigen Ministern an seiner eigenen Messlatte gemessen zu werden, denn er scheidet ja aus dem Amt.
So zwingt er Selensky dazu, direkt nach Amtsantritt dieses Gesetz zu widerrufen. Aber das kann auch misslingen, denn in der Kiewer Rada sitzen noch überwiegend Poroschenko-treue Abgeordnete. Wenn dieses Schandgesetz aber nicht widerrufen werden kann, kann Selensky seinen Plan gar nicht angehen, die Ostukraine zu befrieden. Ich wiederhole: Der Ausbruch des Bürgerkriegs war diesem rassistischen Sprachdiktat geschuldet.
Von Demokratie halten Poroschenko und seine westlichen Unterstützer nicht viel
Wenn es überhaupt noch eines Beweises bedurft hätte, hat ihn Poroschenko jetzt geliefert. Nämlich, dass er niemals Frieden in der Ostukraine gesucht hat und eben jetzt alles tut, damit sein Nachfolger auch scheitern muss. Es ist nur noch widerlich, wie dieser Vasall des Westens, der Zerstörer seines Landes, über die gesamte Amtszeit vom Westen hofiert worden ist. Und Kanzlerin Merkel hat auch noch einen letzten Versuch unternommen, die Wiederwahl ihres Favoriten zu unterstützen, mit einem Empfang und Pressekonferenz wenige Tage vor der Stichwahl. Ach ja, Russland mischt sich in die Wahlen im Westen ein, nicht Merkel in der Ukraine.
Noch können wir nicht wissen, was der neue Präsident Selensky für sein Land geplant hat. Aber wie jedem Neuen sollte man auch ihm erstmal etwas Zeit lassen zu zeigen, wohin er will. Poroschenko hingegen tut offensichtlich alles zu verhindern, dass sein Nachfolger Erfolg haben kann, solange er dazu noch in der Lage ist. Poroschenko und seine Unterstützer im Westen zeigen damit auf, wie wenig sie von Demokratie halten. Wie verkommen die Machtelite des Westens ist. So wie im Fall Trump wenden sie alle unlauteren Mittel an zu verhindern, dass Reformen und Friedenspläne umgesetzt werden können, die die Welt so dringend braucht. Während Trump nicht einfach umgebracht werden kann – das würde Bürgerkrieg bedeuten – würde ich im Fall Selensky nicht auf ein langes Leben wetten. Wie sagte doch Evo Morales einmal so schön auf die Frage, warum es in den USA noch keinen gewaltsamen Umsturz gegeben hat? Weil es dort keine Botschaft der USA gibt.
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Kann es überhaupt eine Möglichkeit geben, das regional tief gespaltene Land in seiner jetzigen Form zu befrieden? Wäre es nicht praktikabler, diesen Flächenstaat mit einen Ost- und Westteil neu aufzustellen? Lesen Sie dazu meine Analyse, die ich bereits 2014 erstellt habe: Kann die Tschechoslowakei das Modell zur Lösung der Ukraine-Krise sein?
Wer Interesse daran hat, etwas über die Konflikte in der Ostukraine zu erfahren, wie es sie schon vor 90 Jahren gab, dem sei der autobiografische Roman von Vadim Grom empfohlen. Er beschreibt aus eigener Erfahrung, wie sich schon 1944 Ost- und Westukrainer aufs Blut bekämpft haben. So ist der aktuelle Konflikt nichts Neues, sondern nur die von außen wiederentfachte uralte Feindschaft zwischen “Moskali” und ukrainischen Ultranationalisten. “Der Weg vom Don zur Isar” in zwei Bänden ist ein spannender Roman und vermittelt dem Leser Verständnis darüber, warum die Ukraine in ihrer heutigen Form nicht zur Ruhe kommen kann. Die Bücher sind erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen beim Verlag hier.