Wir sehen uns in einem erbitterten Krieg der Begriffe und der „Konnotationen“. Es geht sogar hauptsächlich darum. Eine Konnotation ist eine mitschwingende, assoziative, emotionale, Bedeutung. Das Wort „Flüchtling“ signalisiert(e) die Notsituation und Schutzwürdigkeit des Betreffenden. Nachdem „Flüchtling“ aufgrund der unerfreulichen Begleiterscheinungen eine negative Konnotation erworben hat, verordnete man von oben die Bezeichnung „Schutzsuchende“ oder „Geflüchtete“. Selbst die vorsichtige Bezeichnung „Wirtschaftsflüchtlinge“ für diejenigen, die nachweislich nicht vor Krieg und Mordbrand fliehen mussten, sondern sich ein besseres Leben in Europa versprechen (was mit der Konnotation „Glücksritter, will auf unsere Kosten leben“ verbunden ist) wurde als unzulässig und diskriminierend eingestuft. Was aber will man den Menschen für ein Etikett umhängen, die aus Ländern kommen, in denen weder Krieg noch Bürgerkrieg oder Terror tobt?
Gelenkte Migrantenströme und alleingelassene Opfer
Nun macht das Wort „Klimaflüchtling“ das Rennen. Damit suggeriert man, dass der Klimawandel diesen armen Menschen ihre Lebensgrundlage entzogen habe, und sie in ihrer Heimat kaum Überlebenschancen haben. Und an dem Klimawandel sind natürlich wir westlichen Industrienationen schuld, und daher auch verpflichtet, diese Menschen alle aufzunehmen. Zur Zeit prominenteste Vertreterin dieser Forderung ist die Kapitänin der „Sea Watch 3“, Carola Rackete, die mit ihrer spektakulären Aktion die Titelseiten füllte.
Die „Konnotation“ unserer Schuld am Klimawandel soll uns in die Duldungsstarre des schlechten Gewissens versetzen. Leute, wie Frau Rackete setzen solche Begriffe ganz bewusst und gezielt ein.
Was ideologische Migrations-Aktivisten, wie Frau Rackete und andere aber verschweigen: Es gibt durchaus sehr viele Menschen, die von ihrem Land vertrieben werden und ihre Lebensgrundlage, Haus und Hof verlieren. Nur haben diese Opfer der Globalisierung weder das Geld noch gibt es dort all die gut mit Geld geölten Strukturen, um sie massenhaft und medienwirksam in die westlichen Industrieländer zu transportieren.
„Landgrabbing“ — Brutalst-Kolonialisierung durch Großkonzerne
Das sind die kleinen Dorfgemeinschaften und Kleinbauern, die von der Subsistenzwirtschaft bescheiden, aber nachhaltig leben, und die von ihrem Land vertrieben werden, um dort riesige Monokulturflächen Soja oder Palmöl oder anderes anzubauen. In Afrika, Indonesien, Südamerika, Russland, China, Vietnam und Kambodscha geschieht das irgendwo jeden Tag. Plötzlich stehen bewaffnete Männer vor den Hütten und vertreiben die Dörfler aus ihren Häusern. Die können sich noch glücklich schätzen, wenn ihnen nicht mehr passiert. Dann kommen die Bulldozer und walzen die Häuser einfach zu ein paar flachen Holz- und Strohhäufen platt.
Den Bulldozern folgt das Baumfällerkommando. Der Urwald um die Hütten wird gefällt oder per Brandrodung verwüstet, die Wildtiere getötet und vertrieben, die Felder der Kleinbauern umgepflügt und bald erstreckt sich eine leblose Wüstenei soweit das Auge reicht. Dann rückt eine schwere Traktoren-Armada an und verwandelt die Wüste in ein eintöniges Monokulturenland. Da die Temperaturen durch die ungehinderte Sonneneinstrahlung dort wesentlich höher sind als unter dem Blätterdach eines Dschungels, verdunstet die Feuchtigkeit im Boden, und es muss Wasser her, um die Erträge nicht zu gefährden. Die Agrarkonzerne und Investoren haben viel Geld in all das gesteckt. Jetzt muss ein satter Gewinn erwirtschaftet werden. Dabei werden die Wasserreservoire des Landes rücksichtslos ausgebeutet. Nach einiger Zeit sinkt der Grundwasserspiegel und in den noch verbliebenen Dörfern am Rande dieser Agrarwüsten verdorren die Feldfrüchte und vertrocknen die Brunnen. So trägt das Landgrabbing in vielen empfindlichen Regionen aktiv und fortschreitend zur Versteppung, Erosion, Austrocknung und Wüstenbildung bei.
Gerade ärmere Länder wie zum Beispiel in Afrika Äthiopien, der Sudan, Mozambique, Tansania, Madagaskar, Sambia und die Demokratische Republik Kongo sind vom Landraub XXL betroffen. Die rechtlichen Möglichkeiten der um ihre Existenz gebrachten Menschen sind gleich Null, die staatlichen Institutionen oft eher noch mit von der Partie, als dass sie die Bürger ihres Staates schützen. Sogar illegale Landräuber haben hier nicht viel zu fürchten. Sehr oft sind aber gerade hohe Beamte und Regierungsmitglieder Komplizen der Agrar-Invasoren und sahnen kräftig mit ab. In Afrika sind schon fünf Prozent der gesamten, landwirtschaftlich nutzbaren Flächen von diesem „Landgrabbing“ betroffen.
„Unter Landgrabbing versteht Oxfam die Investition in Pacht oder Kauf von Land, bei der Investoren die Rechte und Bedürfnisse ländlicher Bevölkerungsgruppen, die das Land bearbeiteten oder dort lebten, ignorieren.“
„Genau das sind Länder teils mit ernsten Hungerproblemen. Viele der Landübernahmen betreffen Flächen, auf denen Nahrungsmittel für die örtliche Bevölkerung angebaut wurden“, kritisiert Frank Braßel, stellvertretender Kampagnenleiter von Oxfam Deutschland. Die Erträge sind überwiegend für den Export bestimmt.“
„Landgrabbing“ — die Beute wird geteilt
Seit der Jahrtausendwende haben sich internationale Investoren mehr als 83 Millionen Hektar (das entspricht der Größe von Namibia oder mehr als dem Doppelten von Deutschland) Agrarland auf dieser Welt genommen. Vieles davon wurde den Regierungen abgekauft, zu welchen Preisen ist kaum bekannt. Die Politiker haben das Geld meistens einfach in ihre Taschen gesteckt. Eine nicht erfasste Gesamtfläche an illegalem Landgrabbing (Landgrabschen) und illegalen Rodungen muss man sicher auf die 80 Millionen Hektar noch draufrechnen. Aber selbst Agrarkonzerne, die in solchen Ländern „ordnungsgemäß“ Land kaufen und angemessen bezahlen, kümmern sich in den seltensten Fällen um die Frage, wer eigentlich dort bisher wohnte und vom Land seiner Väter lebte.
Laut Oxfam sind die größten Käufer oder Pächter Firmen aus China, Saudi-Arabien, Europa und den USA. Fatalerweise haben mehrere, zusammenarbeitende Player ein großes, gemeinsames Interesse am Landraub.
Die Länder und Regierungen, die sich nicht autark ernähren können und auf Lebensmittelimporte angewiesen sind, erhalten ihre Nahrungsmitteleinfuhren viel günstiger, wenn sie im Ausland für „billiges Geld“ Ackerflächen pachten oder kaufen und dort die einheimische Bevölkerung zu Billigstlöhnen arbeiten lassen. (Die Kehrseite: Viele heimische Landwirte können mit den Billigimporten aus dem Ausland nicht konkurrieren und gehen irgendwann davon bankrott).
Die Regierungen der Länder, in denen Farmland gekauft wird, sind froh über den Geldsegen, der ihnen im besten Fall ermöglicht, nötige Infrastrukturprojekte durchführen zu können, im ungünstigsten Fall in der eigenen, privaten Tasche landet. Gerade in diesen Ländern blüht die Korruption.
Und das Landgrabbing bringt den Investoren und globalen Nahrungsmittelkonzernen gute Renditen, weil das Business hohe Gewinne heute in einer Zeit verspricht, in der die am Boden liegenden Zinssätze kaum noch Erträge aus Finanzprodukten erbringen und ein dunkler Schatten über den Börsen hängt. Gegessen wird immer, die Weltbevölkerung muss ernährt werden – und so ist die „Investition“ in Agrarland keine dumme Idee.
Schon 2009 berichtet der Spiegel:
„Seit dem gewaltigen Preisanstieg für Nahrungsmittel im vergangenen Frühjahr versuchen immer mehr Staaten, Agrarland in der Fremde aufzukaufen oder zu pachten, um ihre Versorgung mit Grundnahrungsmitteln auf Dauer zu sichern. Auch Banken und Fonds investieren inzwischen in den Ackerbau. Südkorea ist der zweitgrößte Maisimporteur der Welt, die madagassische Ernte soll offenbar die Hälfte der bisherigen Importe ersetzen und langfristige Nahrungsmittelsicherheit zu günstigen Preisen garantieren. Vor allem die trockenen, aber ölreichen Golfstaaten erwerben in großem Stil Ackerflächen armer Länder im Tausch für Öl, Infrastruktur oder Technologie. Beliebt ist bei ihnen vor allem Ostafrika aufgrund der fruchtbaren Böden und kurzen Transportwege.“
Während die Investoren mit den Landgeschäften ihre Gewinne maximieren, ist die lokale Bevölkerung die Verliererin dabei. Betroffen sind vor allem Länder im globalen Süden, in denen die Besitzrechte für die lokale Bevölkerung schwach und die Sicherheiten für Investoren hoch sind.
„Landgrabbing“ – ein expandierendes, aber riskantes Investitionsmodell
Die Seite „grain.org“ schreibt in einem Bericht aus 2016, dass die hohen Gewinnspannen diese schreckliche Investitionsbranche immer weiter expandieren lassen, gleichzeitig aber auch die nun vollkommen anders ökologisch genutzten Monokulturflächen auch das regionale Klima verändern, genauso, wie die Ausbeutung der Wasserressourcen. Insofern sind die Bauern, die vor den Bulldozern fliehen müssen und durch die veränderten Wetterverhältnisse und den Landmangel auch keine neue Existenz gründen können, in der Tat „Klimaflüchtlinge“.
Bisweilen gehen solche ruchlosen Mega-Deals aber auch schief:
Einige der ungeheuerlichsten Landverkäufe der letzten Jahre sind aber auch „nach hinten losgegangen“ oder aus verschiedenen Gründen gescheitert. Im Jahr 2009 trug die öffentliche Empörung über das 1,3 Millionen Hektar große Daewoo-Projekt in Madagaskar dazu bei, die Regierung zu stürzen, was zur Aussetzung des Vertrags führte:
„Steigende Preise und die Toten auf den Straßen verfehlen ihre Wirkung nicht auf die Anhänger Rajoelinas. ‚Wir wollten jemand, der näher am Volk ist‘, sagt ein Jugendlicher, ‚aber doch keinen Bürgerkrieg‘. Auch den Investoren wird langsam bange. ‚Wir werden unser Vorhaben verschieben‘, kündigte am Dienstag Shin Dong-hyun in der Daewoo-Konzernzentrale an. ‚Die politische Instabilität und gesunkene Maispreise machen das Vorhaben zunehmend unattraktiv.‘“
Vorbei ist die Gefahr allerdings nicht:
„Statt Kleinbauern zu fördern, die sich und die Bevölkerung der Region versorgen könnten, würden riesige Flächen für eine industriell betriebene Landwirtschaft genutzt, um Getreide für weit entfernte Absatzmärkte zu produzieren.
Auf Madagaskar darf Daewoo nach offiziellen Angaben wegen der Proteste erst einmal (noch) nicht ackern. Tatsächlich aber wird der Boden schon bereitet. Der Mainzer Tropenmediziner und Madagaskar-Experte Johannes Wantzen hat bei seinem jüngsten Aufenthalt bereits Planierraupen im Westen der Insel gesehen. ‚Da wird offensichtlich schon für eine industrielle Landwirtschaft terrassiert.‘”
2011 beendete die Ermordung des libyschen Führers Muamar Gaddafi das 100.000 Hektar große Reisprojekt seines Regimes in Mali. Auch andere großangelegte Deals wurden zurückgefahren. In Kamerun wurde zum Beispiel nach vielen Protesten das Herakles-Abkommen von 73.000 auf 19.843 Hektar gekürzt.
Es geht offenbar auch anders
Einige Landgrabbing-Deals haben sich in weniger brutale Formen der Landübernahme verwandelt. In Brasilien und Argentinien zum Beispiel, haben sich chinesische Unternehmen Sorgen gemacht, dass andere ausländische Investoren sich Land verschaffen. Die Chinesen begannen daraufhin, solche Vereinbarungen zu treffen, die die Produktion von bereits vorhandenen Farmen sichern, anstatt das Land selbst zu kaufen.
Die Chinesen sind in Afrika sogar gern gesehen, da sie sich aus der Politik heraushalten und in Infrastrukturprojekte investieren, afrikanische Landwirte ausbilden, statt sie zu vertreiben, Unternehmer und Agrarwissenschaftler ausbilden und Milliarden in Straßen, Schulen und Dorfgemeinschaften investieren:
„Obwohl Jinping die Projekte nicht detailliert darlegte, sei die Modernisierung der Landwirtschaft ein zentraler Punkt. Die Investition beinhaltete die Finanzierung von 50 Agrarhilfsprogrammen und die Entsendung von 500 Agrarexperten nach Afrika, um Unternehmer und Agrarwissenschaftler auszubilden. Chinesische Unternehmen würden außerdem aufgefordert, im Berichtszeitraum mindestens weitere 9 Mrd. EUR in Afrika zu investieren, fügte Jinping hinzu.“
Diese Politik hängt unmittelbar mit dem Megaprojekt der „Neuen Seidenstraße“ (One Belt one Road, BRI) zusammen, das vor allem von China vorangetrieben wird. Wenn Chinas große BRI- Initiative die Handelsrouten durch Europa und Afrika bauen will, müssen sich viele BRI-Investitionen auf harte Infrastrukturen wie Straßen und Häfen konzentrieren. Im Nebeneffekt, so das Kalkül, wird dies auch die Landwirtschaft unterstützen, die Logistik verbessern und den afrikanischen Landwirten helfen, inländische und ausländische Märkte zu erreichen.
Beispielsweise gehört Tian Ze, eine Tochtergesellschaft von China Tobacco Co, zu den großen chinesischen Akteuren des privaten Sektors in der afrikanischen Landwirtschaft. Das Unternehmen stellt die technische Hilfe für ihre Investitionen bereit. Seit 2005 gibt es ein Vertragslandwirtschafts-Modell, um in ganz Simbabwe zu expandieren: Bis 2014 arbeiteten 387 Tabakbauern in diesem Netzwerk. Laut USDA funktioniert das auch in Malawi, Tansania und Sambia. Zu den Investitionen von Tian Ze gehört Berichten zufolge die Bereitstellung von sehr niedrig verzinsten oder unverzinslichen Krediten für die heimischen Landwirte.
Pekings Hauptmotivation für die Unterstützung von Investitionen in die afrikanische Landwirtschaft ist vermutlich die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung Chinas. Das lässt sich jedoch nicht durch Daten belegen. Nach Angaben des chinesischen Zolls lieferte Afrika im Zeitraum 2010–15 nur 2% der chinesischen Agrarimporte, heißt es im USDA-Bericht. China importiert keinen Reis oder irgendein anderes Getreide aus Afrika. Man betont vielmehr die Wichtigkeit, Afrika zu helfen, bis 2030 die Ernährungssicherheit zu erreichen. China sagte 2018 in Peking Afrika ein 60 Milliarden US-Dollar (US$) schweres Finanzpaket zu, überdies noch 1 Milliarde US $ Entwicklungshilfe, Kreditlinien in Höhe von 20 Milliarden US $, 10 Milliarden US $ für den China-Africa-Fund sowie einen Spezialfonds für chinesische Importe aus Afrika in Höhe von 5 Milliarden US$.
Das bisher beste Angebot an Afrika – und der Westen nörgelt
Chinas Investition in die afrikanische Landwirtschaft wird sowohl auf dem Kontinent Afrika als auch im Rest der Welt misstrauisch beäugt. Die ungewöhnlich engen Beziehungen zwischen Staat und Privatsektor in China werden von westlichen Regierungen und Unternehmen regelmäßig kritisiert. Man benörgelt, dass die billigen Finanzmittel für die lokalen Bauern den chinesischen Unternehmen einen unfairen Vorteil in den Märkten verschaffen und Peking einen „besorgniserregenden Einfluss“ auf die afrikanischen Staats- und Regierungschefs ermöglichen.
Ein anderer Kritikpunkt ist, dass afrikanische Landwirte langfristig nicht von einem Agrarsystem profitieren würden, das sich zu sehr an chinesischen Handelsinteressen ausrichtet.
Wie die Dinge zur Zeit aber liegen, ist Chinas Angebot an Afrika jedoch das mit Abstand beste für die afrikanische Landwirtschaft, wenn vielleicht auch nicht ideal. Andererseits würde, wäre China mit seinen doch relativ fairen und für die einheimische Bevölkerung positiven Deals nicht dort, kämen ganz andere „Investoren“, denen die Ernährungssicherheit der Afrikaner mit Sicherheit nicht besonders wichtig wäre. Und solange die heimischen Farmer nicht vertrieben werden, die Urwälder und ursprünglichen Landflächen nicht vernichtet und zu gigantischen Monokulturen umgebaggert werden, die nach kurzer Zeit die Böden und Wasserressourcen auslaugen und nur noch dürre Einöden hinterlassen, sollten die konkurrierenden, westlichen Systeme lieber selbst über tragfähige, ressourcenschonende, umwelt- und menschenfreundliche Lösungen und Konzepte nachdenken.
In manchen Regionen beginnen die Menschen aber, sich selbst zu helfen und dafür die nötigen Strukturen aufzubauen. In Mosambik beobachtet die INKOTA-Partnerorganisation ORAM diese Entwicklung mit großer Sorge: Denn auch in Mosambik wird Ackerland zunehmend an ausländische Investoren verpachtet. Damit nicht noch mehr Menschen ihr Land und damit ihre Lebensgrundlage verlieren, hilft ORAM den Bauern und Bäuerinnen bei der Registrierung ihres Lands. Mit dem Landtitel erhalten die Menschen Rechtssicherheit und können sich und ihre Familien dauerhaft mit Nahrungsmitteln versorgen. INKOTA unterstützt ORAM bei diesem wichtigen Vorhaben.
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