Der Jemen-Krieg ist für die Koalition ver­loren: Saudi Arabien sucht plötzlich Friedensgespräche

Der grau­en­hafte Jemen­krieg mit unzäh­ligen Toten, Ver­stüm­melten und Ver­hun­gerten könnte sehr bald zu Ende sein.
Ange­fangen hat das allesmit einem Auf­stand der schii­ti­schen Huthis im Juni 2004 gegen die jeme­ni­tische Regierung. Da der schii­tische Iran und die mehr­heitlich sun­ni­ti­schen Ara­bi­schen Staaten Kon­kur­renten um die Vor­herr­schaft in der Region sind, ver­schärften sich die Span­nungen. Seit 2015 artete das in einen Krieg im Nord­jemen aus, bei dem die Koalition aus Saudi-Arabien, den Ver­ei­nigten Emi­raten unter Mit­hilfe der USA und Groß­bri­tan­niens das arme Land bom­bar­dieren, um die Huthis nie­der­zu­ringen und ihr hehres Ziel zu erreichen, dem Jemen Einheit und Frieden zu bringen.
Die sun­ni­tische Koalition der Araber hat unter­schied­liche Ziele
Der sau­dische Prinz Mohamad Bin Salman hatte den Krieg aus­ge­rufen. Er möchte das Erdöl des Jemen unter seine Kon­trolle bekommen, vor allem aber Pipe­lines mit sau­di­schem Öl zu jeme­ni­ti­schen Häfen leiten, von wo aus es unge­fährdet ver­schifft werden kann. Bisher muss es (wenn es nicht aus dem Roten Meer an den gefähr­lichen suda­ne­si­schen Küsten vorbei durch den Golf von Aden trans­por­tiert wird) durch den Per­si­schen Golf, weiter durch die Straße von Hormuz in den Golf von Oman. Die Eng­stelle der Straße von Hormuz wird durch den Iran kon­trol­liert und die Saudis sind Tod­feinde der Iraner. Die Saudis würden daher gerne — über ihre Süd­grenze zum Jemen — Ölpipe­lines zu den großen Häfen des Jemens bauen, denn dann wären sie dieses Problem los und direkt am Ara­bi­schen Meer bzw. Indi­schen Ozean, ohne Kom­pli­ka­tionen mit dem Iran.
Die wesentlich klei­neren Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emirate (VAE) sind aber die Könige der Häfen. Auch sie wollen den großen Hafen von Aden an der Süd­west­küste Adens und die Häfen der jeme­ni­ti­schen Süd­küste kon­trol­lieren. Die VAE unter Mohamad Bin Zayed sind in mehrere mili­tä­rische Kon­flikte ver­wi­ckelt: Außer dem Jemen mischen sich die VAE auch mit Gewalt im Sudan, Somalien und Libyen ein. Da sich das hin­zieht, viel Geld kostet und schlecht für‘s Geschäft ist, brö­ckelt Mohamad Bin Zayeds Unter­stützung durch die anderen Emire. Der absolute Alp­traum für die VAE wäre, wenn es dem sau­di­schen Prinzen gelänge, tat­sächlich einen Krieg zwi­schen dem Iran und den USA zu ent­fachen, denn das würde sich direkt vor ihrer Haustür abspielen und die VAE nicht unge­schoren lassen. Besonders Dubai, oben an der Land­spitze, hinein in die Straße von Hormuz, würde arg betroffen sein.
Die ara­bische Waf­fen­bru­der­schaft bröckelt
Daher zogen sich die VAE seit Sommer dieses Jahres mehr und mehr aus dem Jemen­krieg heraus und streckten Fühler in Richtung Teheran aus, was die Saudis nicht erfreut – und das ist unter­trieben, wie Reuters berichtet:
From Egypt to Sudan and the Horn of Africa, the two Gulf mon­ar­chies have coor­di­nated their use of financial clout and — in Yemen — military force to redraw the region’s poli­tical land­scape to their advantage. But this month, at his Mecca palace, Saudi King Salman took the unusual step of expressing “extreme irri­tation” with the UAE, his closest Arab partner, according to sources familiar with the matter.“
Über­setzung: „Von Ägypten über den Sudan bis zum Horn von Afrika koor­di­nierten die zwei Golf­mon­ar­chien ihren Einsatz von Finanz­macht und — im Jemen — Streit­kräften, um die poli­tische Land­schaft der Region zu ihrem Vorteil neu zu gestalten. Doch diesen Monat unternahm der sau­dische König Bin Salman in seinem Mekka-Palast den unge­wöhn­lichen Schritt, seine „extreme Ver­är­gerung“ über die Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emi­raten, seinem engsten ara­bi­schen Partner, auszudrücken.“
Die Huthi-Rebellen ver­fügen über leis­tungs­starke Angriffs-Drohnen – mit ira­ni­scher Hilfe?
Besonders schmerzhaft ist für die Saudis, dass darüber hinaus der Jemen-Krieg so gut wie ver­loren ist. Am 17. August meldete die Nach­rich­ten­agentur AP, dass ein Droh­nen­an­griff der Huthi-Rebellen ein abge­le­genes, sau­di­sches Ölfeld getroffen habe.
Was aber nicht die ganze Wahrheit ist, denn die Aramco-Ost-West-Öl-Pipeline, die sich durch weite Strecken des Landes bis zum Öl-Ter­minal im Hafen Yenbu erstreckt, wurde an zwei Stellen ent­scheidend getroffen.
Auch, wenn der saudi-ara­bische Ener­gie­mi­nister Khalid al-Falih eilends alles her­un­ter­spielte und ver­si­cherte, dass die Ölför­derung auf dem getrof­fenen Ölfeld Shaybah nicht beein­trächtigt worden und niemand bei dem Angriff ver­letzt worden sei und es habe nur einen begrenzten Brand gegeben, haben die Huthi-Rebellen nun offenbar die Waffen in der Hand, mit denen sie die Lebensader der Saudis treffen können.
Die Web­seite „Moon of Alabama“ schrieb am 17. August unter dem Titel: „Long-range Attack on Saudi Oil-Field ends War on Yemen“:
Die sau­dische Bestä­tigung des Angriffs erfolgte Stunden, nachdem Yahia Sarie, ein Mili­tär­sprecher der Huthis, eine Erklärung auf Video ver­öf­fent­licht hatte, in der behauptet wurde, die Rebellen hätten in ihrer “größten” Ope­ration aller Zeiten zehn mit Bomben bestückte Drohnen auf das Ölfeld abge­worfen. Er drohte mit wei­teren Angriffen.“
Die Houthis haben Drohnen ein­ge­setzt, die mit dem Radar nur schwer zu ver­folgen sind. Diese Drohnen sind nicht mit kleinen Auf­klä­rungs­drohnen zu ver­wechseln, sondern sehen so wie auf diesem Foto aus und sind extrem effektiv. Al Jazeera stellt fest, dass diese Drohnen ein völlig neues Niveau an tech­ni­scher Raf­fi­nesse auf­weisen und ganz offen­sichtlich fast bau­gleiche Kopien der neu­esten ira­ni­schen Drohnen sind. Das UN Security Council fand über­zeu­gende Beweise dafür, dass die Huthi-Drohnen die gleichen, aus­ge­reiften Eigen­schaften und die hohe Leis­tungs­fä­higkeit haben, wie die ira­ni­schen Qasef-1-UAV. Experten ver­muten eine Zusammenarbeit.
Das ist auch wahr­scheinlich so. Denn Mitte August besuchte eine Huthi-Dele­gation den Iran. Der oberste Führer des Iran, Aya­tollah Ali Kha­menei ver­si­cherte öffentlich seine Unter­stützung für die Huthi-Rebellen:
„Ich erkläre meine Unter­stützung für den Wider­stand von Jemens gläu­bigen Männern und Frauen … Jemens Volk … wird eine starke Regierung auf­bauen”, zitierte das Staats­fern­sehen Kha­menei bei einem Treffen mit dem Chef­un­ter­händler der Houthi-Bewegung Mohammed Abdul- Salam.“ 
Das Bedroh­liche an dem genannten Droh­nen­an­griff ist, dass er 1200 Kilo­meter vom Gebiet der Rebellen ent­fernt, tief ins Lan­des­innere der Saudis ein­drang und punkt­genau aus­ge­führt werden konnte. Diese UAV-X-Drohne hat eine Reich­weite von 1500 Kilo­metern. Von Huthi-Rebel­len­gebiet sind damit nicht nur Ölfelder zu erreichen, sondern auch ein gerade im Bau befind­liches Kern­kraftwerk in den Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emi­raten. Und auch die Dreh­scheibe des Flug­ver­kehrs der VAE, der Flug­hafen von Dubai, ist gut erreichbar.
Des wei­teren haben die Huthis Rebellen Videos ver­öf­fent­licht, die zeigen, wie Drohnen über den Was­ser­auf­be­rei­tungs­an­lagen und das Kern­kraftwerk al-Shuqaiq hin­weg­fliegen. Es erfolgte kein Angriff, aber die Warnung wurde sofort ver­standen. Wasser ist eine lebens­wichtige Res­source und die Wüs­ten­staaten sind auf diese Ent­sal­zungs­an­lagen ange­wiesen. Ein zer­schos­senes Kern­kraftwerk ist eine Kata­strophe á la Tschernobyl.
Die Drohnen sind überdies bestens geeignet, hoch­rangige, feind­liche Funk­ti­ons­träger aus­zu­schalten. Der Luft­waf­fen­stütz­punkt Al Anad vor Aden wurde Schau­platz eines spek­ta­ku­lären Anschlags: Ein hoch­ran­giger Geheim­dienstchef sowie einige Offi­ziere der jeme­ni­ti­schen Armee wurden von einer Huthi-Drohne getötet, die direkt über der Gruppe explodierte.
Saudi Ara­biens Lebens­grund­lagen sind gefährdet
Diese Mög­lich­keiten der Huthis und die erfolg­reichen Angriffe bedrohen die wich­tigsten Ver­mö­gens­werte und die Lebens­grund­lagen der Saudis. Das Öl ist die Grundlage für ihren Staats­haushalt und muss sicher gefördert, ver­kauft und trans­por­tiert werden können, sonst rutscht der Wüs­ten­staat in den Bankrott. Die Staats­fi­nanzen sehen sowieso nicht mehr so rosig aus. Bereits jetzt gibt Pro­gnosen des IWF für ein bal­diges Haus­halts­de­fizit von sieben Prozent. Der Krieg und die Bom­ben­an­griffe sind teuer. Jeder weitere Tag kostet, ein Sieg ist aber nicht zu erreichen. Das Kräf­te­ver­hältnis hat sich zugunsten der Huthi-Rebellen gedreht.
Nicht zu ver­gessen auch die Bedrohung der teuren Süß­wasser- Auf­be­rei­tungs­an­lagen, ohne die das Über­leben Saudi-Ara­biens in Gefahr ist, wie auch bei einem Angriff auf ein Kernkraftwerk.
Die Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emi­raten nutzen die ver­fahrene Situation für sich
Auf diesem Hin­ter­grund ist ver­ständlich, dass die VAE wenig Interesse daran haben, den Stell­ver­tre­ter­krieg im Jemen gegen den Iran wei­ter­zu­führen. Da gibt es außer einer blu­tigen Nase offenbar nichts mehr zu gewinnen. Und so schreibt die Nach­rich­ten­agentur Reuters, dass die Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emirate genug haben von den Kosten, dem Stress und den fünf­stel­ligen Toten­zahlen, während ein Ende des Krieges oder gar ein Sieg in weiter Ferne liegt. Und einen heißen Krieg im XXL-Format mit dem Iran direkt gegenüber ist für die VAE eine Horrorvorstellung:
Ein wei­terer Grund ist die offen­sicht­liche Ent­scheidung der VAE, sich den eigent­lichen, natio­nalen Inter­essen zuzu­wenden und sich als seriö­serer Partner zu prä­sen­tieren, der in der Lage ist, die Region zu sta­bi­li­sieren kann. Auch, wenn dies bedeutet, die Ver­luste zu redu­zieren und ohne Riad (die Saudis) weiterzumachen.“
Und nicht zuletzt möchten die VAE auch ihr Image weltweit und in den USA auf­po­lieren, das durch den Mord an dem sau­di­schen Jour­na­listen Kas­hoggi ziemlich gelitten hat, indem sie sich von Saudi Arabien absetzen. Mohamad Bin Salman war der Ver­dächtige Nummer eins hinter dem grau­samen Mord. Ein Ver­trauter der Regierung der VAE sagte laut Reuters:
Die Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emirate wollen als kleines Land betrachtet werden, das Frieden und Sta­bi­lität fördert und nicht als Anhängsel eines tri­um­phalen Expan­sio­nisten aus Saudi-Arabien“
Die Huthi-Rebellen sind nicht mehr ein auf­stän­di­scher Haufen, den man mit modernen Waffen schnell weg­bomben kann. Und der Jemen-Krieg ist ein endlos ver­fah­rener Schla­massel und Schand­fleck. Man will nur noch aus der Lage herauskommen.
Saudi Arabien muss klein beigeben
Mohamad Bin Salman hat offenbar begriffen, dass er schleu­nigst aus der Falle heraus kommen muss. Den Krieg kann er nicht mehr gewinnen, die VAE gehen von der Fahne und jeder weitere Tag schadet ihm – auch intern. Es gibt Kon­kur­renten um den Thron in der eigenen Familie.
Iro­ni­scher­weise muss er jetzt die USA, die diesen Krieg mit los­ge­treten haben, bitten, einen Frieden mit den Huthis aus­zu­handeln, der ihn nicht sein Gesicht und seinen Thron kostet. Dazu schickte er seinen Bruder Khalid als Unter­händler nach Washington. US-Prä­sident Trump ver­steht die Lage geschickt zu nutzen und signa­li­sierte schon im Vorfeld des Prinzen-Besuches seine Bereit­schaft zu offenen Gesprächen mit dem Iran. Die USA seien überdies bereit, mit den vom Iran unter­stützten Huthi-Rebellen über die Been­digung des Jemen-Krieges zu ver­handeln. Trump erklärte sich auch bereit, sich mit dem ira­ni­schen Prä­si­denten Hassan Rouhani zu treffen.
Das wäre — genau wie die Treffen mit Kim Jong Un – ein völlig neues Kapitel der US-ame­ri­ka­ni­schen Außen­po­litik. Und es würde auch Israel extrem irri­tieren. Welche Aus­wir­kungen das alles auf die Position und die Mög­lich­keiten der USA und die Macht­struk­turen im Nahen und Mitt­leren Osten haben wird, ist ungewiss und dem­entspre­chend ist man im US-Außen­mi­nis­terium und diversen Inter­es­sen­gruppen sehr arg­wöh­nisch und beunruhigt.
Wie die sie­ges­ge­wissen Huthis reagieren werden, ist unklar. Sie sind in einer guten Position und könnten am Ver­hand­lungs­tisch erreichen, was sie jah­relang krie­ge­risch erkämpfen wollten: Die Absetzung der Hadi-Regierung und zumindest die Kon­trolle über den Nord­jemen. Die Saudis müssen wahr­scheinlich für die Schäden ihres Luft­krieges im Jemen auf­kommen. Der Spielraum für Mohamad Bin Salman ist klein. Die Huthis haben vor­ge­führt, dass Saudi Arabien ihren Drohnen aus der Luft weit­gehend aus­ge­liefert ist.