Macht der Lob­by­isten: Wie Ber­telsmann das Fach­kräfte-Ein­wan­de­rungs­gesetz geschaffen hat

Die Ber­tels­mann­stiftung hat sich dieses Jahr ein eigenes Gesetz geschrieben und behauptet, es herrsche Fach­kräf­te­mangel in Deutschland. Klingt über­zeugend, solange man nicht die Studien anschaut, aus denen die Behauptung kommt. Aber trotzdem wurde auf­grund der fal­schen Studien bereits ein Gesetz erarbeitet.

Die BRD müsste eigentlich nicht BRD, sondern BLRD (Bun­des­lob­by­is­ten­re­publik Deutschland) heißen. Das hat uns in diesem Jahr unter anderem die Ber­tels­mann­stiftung deutlich gezeigt. Ich habe darüber in diesem Jahr immer wieder berichtet und werde es hier noch einmal zusam­men­fassen, bevor ich zu den aktu­ellen Mel­dungen komme.

Im Februar hat die Ber­tels­mann­stiftung in einer Studie Alarm geschlagen. Bis 2060 braucht Deutschland demnach 260.000 Zuwan­derer pro Jahr, damit die Wirt­schaft nicht zusam­men­bricht. Leider war die Studie in allen Punkten feh­lerhaft. Sie hat, um auf dieses Ergebnis zu kommen, alle Pro­gnosen völlig unrea­lis­tisch ange­setzt. Nur so kam das Ergebnis zu Stande, das gebraucht wurde, um die Deut­schen von der Ein­wan­derung von Fach­kräften zu überzeugen.

Nur ein Bei­spiel für die Mani­pu­la­tionen in der Studie: In den ost­eu­ro­päi­schen Staaten sind die Löhne in den ver­gan­genen Jahr­zehnten viel schneller gewachsen, als in Deutschland. Das war wenig ver­wun­derlich, denn nach der Wende lagen die Staaten am Boden hatten sehr niedrige Löhne, die in der fol­genden Zeit sehr stark gewachsen sind, aber immer noch nicht ganz deut­sches Niveau erreicht haben. Es ist also zu erwarten – und das geschieht ja auch schon -, dass sich das Wachstum der Löhne dort ver­langsamt und sie sich langsam an das Lohn­niveau in West­europa angleichen.

Ber­telsmann hat jedoch ange­nommen, das Wachstum gehe unge­bremst so weiter, was bedeuten würde, dass in diesen Ländern die Löhne bis 2060 weit höher liegen müssten, als in Deutschland. Daraus hat Ber­telsmann gefolgert, dass alle ost­eu­ro­päi­schen Gast­ar­beiter in Deutschland dann wieder nach Hause zurück­gehen, weil sie da ja dann besser ver­dienen, und Deutschland sich daher billige Arbeits­kräfte aus Afrika holen muss.

Die Studie war voll mit solchen völlig unrea­lis­ti­schen Annahmen, die nur dazu dienten, das gewollte Ergebnis zu erreichen: Deutschland braucht mas­senhaft Ein­wan­derung aus Afrika. Das gewollte Ergebnis stand also schon vorher fest und dann wurden die Pro­gnosen und Annahmen so gewählt, dass die Studie das gewollte Ergebnis bringt.

Nun sollte man nai­ver­weise annehmen, dass Poli­tiker eine solche Studie lesen, bevor sie hek­tisch anfangen, daraus Gesetze zu machen. Aber Fehl­an­zeige. Schon im Mai wurde das Gesetz zur Fach­kräfte-Ein­wan­derung auf den Weg gebracht. Und als Grund für das Gesetz wurden die Zahlen der Ber­tels­mann­stiftung genommen, Deutschland brauche 260.000 Ein­wan­derer jährlich. Es dauerte nur drei Monate, bis aus eine fin­gierten Studie der Lob­by­isten von Ber­telsmann ein Gesetz gemacht wurde.

Und um den Druck zu erhöhen, hat Ber­telsmann im Juni eine weitere Studie nach­gelegt, die einen mas­siven Arbeits­kräf­te­mangel bis 2035 pro­gnos­ti­zierte und natürlich auch wieder Ein­wan­derung aus Nicht-EU-Staaten als die einzig mög­liche Lösung ansah. Diese Studie war nicht weniger man­gelhaft und frag­würdig, aber inter­essant war, dass zumindest der Spiegel sogar ver­schwiegen hat, dass es eine Studie von Ber­telsmann war. Der Spiegel behauptete, die Studie sei vom Ifo-Institut, was glatt gelogen ist, wie ein Blick ins Impressum der Studie zeigt. Aber Ifo-Institut als Autor klang für den Spiegel wohl neu­traler, als Bertelsmannstiftung.

Nun hat die Sache gleich mehrere Haken. Erstens könnte man das Problem bis 2060 auch ganz anders lösen. Wie wäre es zum Bei­spiel mit einer echten Fami­li­en­för­derung, damit der demo­gra­fische Wandel gestoppt wird? Andere Länder machen uns vor, dass das geht. Und dann könnte man das Problem auch weit­gehend ohne Zuwan­derung lösen. Selbst wenn die Maß­nahmen erst 2025 wirklich Wirkung in höheren Gebur­ten­raten zeigen würden, wären bis 2060 noch 35 Jahre Zeit. Jeder Migrant kostet den deut­schen Staat weit über 1.000 Euro pro Monat. Was könnte man selbst mit der Hälfte dieser Summe in der Fami­li­en­för­derung und in der (Aus-) Bildung der neuen Gene­ration erreichen? Statt­dessen gibt es in Deutschland aber einen Gebur­ten­rückgang, eine Bil­dungs­misere und Stu­di­en­ge­bühren. Das ist eine Politik zur Ver­hin­derung eigener Fachkräfte.

Der zweite Haken ist, dass Deutschland, wenn es derart mas­senhaft „Fach­kräfte“ aus Afrika abwirbt, wir den Ländern dort ihre Zukunft rauben und der Strom der Wirt­schafts­flücht­linge nicht abreißen wird, im Gegenteil. Die armen Länder Afrikas bilden die Leute aus und dann „klaut“ Deutschland denen die Men­schen, anstatt bei sich für eine ver­nünftige Aus­bildung der nächsten Gene­ration zu sorgen. Das ist inter­na­tio­nales Schnorrertum.

Aber es kommt noch besser: Es gibt die viel gelobten „Fach­kräfte“ in der Form gar nicht in Afrika, zumindest nicht in der nötigen Anzahl. Die UNO hat im Oktober eine Studie ver­öf­fent­licht, in der man Details über das Bil­dungs­niveau der Migranten aus Afrika erfahren konnte. Demnach haben 83 Prozent der Migranten maximal einen Schul­ab­schluss. Im Detail: 43 Prozent haben einen Schul­ab­schluss, 24 Prozent haben nur Grund­schul­bildung und 16 Prozent haben gar keine Schul­bildung. Von den ver­blei­benden 17 Prozent haben 6 Prozent einen Beruf gelernt und 8 Prozent eine berufs­vor­be­rei­tende Aus­bildung gemacht. Bleiben 3 Prozent „sonstige“. Was wir unter den „hoch­qua­li­fi­zierten“ afri­ka­ni­schen Migranten gar nicht finden, sind Men­schen mit Hochschulabschluss.

Mitte Dezember fand aber ein Treffen füh­render Poli­tiker statt, denn die Wirt­schaft beschwert sich, dass sie nicht genug qua­li­fi­zierte Arbeits­kräfte in Deutschland findet und fordert schnell ein Gesetz zur Ein­wan­derung von Arbeits­kräften. Man suchte wieder mal nach Lösungen, um die Ein­wan­derung zu ver­ein­fachen und zu beschleu­nigen. Es ging um Details für das Fach­kräfte-Ein­wan­de­rungs­gesetz von Bertelsmann.

Ich lebe nicht in Deutschland, aber die meisten von Ihnen leben dort und ich frage Sie: Zahlen die Arbeit­geber plötzlich höhere Löhne? Das wäre doch eigentlich die Folge, wenn sie um qua­li­fi­zierte Arbeits­kräfte kon­kur­rieren müssten: Sie würden Arbeit­nehmer mit höheren Löhnen oder anderen Vor­teilen locken. Ist das in den letzten Jahren geschehen? Meines Wissens nicht in großem Stil, der Mangel kann also so groß nicht sein, wie die Wirt­schaft angibt. Aber im Spiegel stand dazu:

„Der Mangel an Fach­kräften ist für Unter­nehmen in Deutschland wei­terhin eine große Her­aus­for­derung, wie aus einer Umfrage des Deut­schen Industrie- und Han­dels­kam­mertags (DIHK) vor einem Spit­zen­treffen im Kanz­leramt her­vorgeht. Demnach gaben 56 Prozent der Firmen an, dass der Mangel an aus­ge­bil­detem Per­sonal das größte Geschäfts­risiko darstelle.“

Wenn es tat­sächlich so wäre, dass mehr als jede zweite Firma in Deutschland ein echtes Problem hat, „aus­ge­bil­detes Per­sonal“ zu finden, dann gäbe es schon längst Aus­bil­dungs­pro­gramme und vor allem gäbe es tat­sächlich längst höhere Löhne. Aber davon habe ich nichts gehört.

Es geht in Wahrheit nicht um einen bestehenden Mangel an Fach­kräften, sondern darum, Lohn­stei­ge­rungen zu ver­hindern. Deutschland ist in West­europa längst ein Nied­rig­lohnland geworden und das soll auch so bleiben, nur darum geht es der Wirtschaft.

Aber da Ber­telsmann als Lob­byist die Inter­essen der Wirt­schaft ver­tritt, hat Ber­telsmann eben mit ein paar fin­gierten Studien nach­ge­holfen und schon wurde – Ber­telsmann ist ja auch noch einer der größten Medi­en­kon­zerne – das Thema medial gehypt, bis jeder an die Legende vom Fach­kräf­te­mangel glaubt und ein solches Gesetz sinnvoll findet, anstatt Fami­li­en­för­derung, bessere Aus­bildung und höhere Löhne in Deutschland zu fordern.

So viel Macht haben die Lob­by­isten in Deutschland heute.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“