Die Macht der Demografie

Immer wieder habe ich daran erinnert, wie bedeutsam die demo­gra­fische Ent­wicklung für künf­tiges Wachstum und Wohl­stand ist. Dabei geht es nicht nur um die Mil­li­arden von Ren­ten­ver­sprechen, für die nicht vor­ge­sorgt wurde, sondern auch um die Fähigkeit, das Gemein­wesen weiter zu finan­zieren, vor allem den großen Sozialstaat.

Die WELT wirft einen Blick auf die trüben demo­gra­fi­schen Aus­sichten und kommt zu den nahe lie­genden For­de­rungen, was wir tun müssten. Den Lesern von Dr. Stelter wohlbekannt:

  • Während Japan, Deutschland oder Russland mit einer starken Schrumpfung ihrer Bevöl­kerung kämpfen, können die Ame­ri­kaner in den kom­menden Jahr­zehnten weiter zulegen. Um 15 Prozent wächst ihre Zahl nach Berech­nungen der För­derbank KfW bis zum Jahr 2050 – steter Zuwan­derung und einer eini­ger­maßen sta­bilen Gebur­tenrate sei Dank. Das federt die Last der fort­schrei­tenden Alterung der Bevöl­kerung ab, die in anderen Ländern voll durch­schlägt. Minus vier Prozent heißt die ernüch­ternde Bevöl­ke­rungs­pro­gnose für Deutschland.“ – Stelter: wei­terer wich­tiger Unter­schied. In den USA kann man nicht in das Sozi­al­system ein­wandern, bei uns schon. Deshalb haben wir hier auch ein noch grö­ßeres Problem.

„Deutschland hat heute wenig mehr als ein Prozent der Welt­be­völ­kerung, in 50 Jahren dürfte dies nur noch ein halbes Prozent sein. Bis dahin wird Frank­reich aller Vor­aus­sicht nach Deutschland als bevöl­ke­rungs­reichstes Land der EU abgelöst haben. (…) Groß­bri­tannien legt um zehn Prozent, das ver­gleichs­weise gebur­ten­starke Frank­reich immerhin um vier Prozent zu. Nach Schät­zungen der EU-Kom­mission werden all diese Länder Deutschland in den kom­menden Jahr­zehnten beim poten­zi­ellen Wirt­schafts­wachstum hinter sich lassen.“ – Stelter: was zur Frage führt, wer denn dann EU und Euro finan­ziert? Gut möglich, dass die anderen keine Lust mehr haben, wenn sie Geld nach Deutschland über­weisen müssen. 

  • In Deutschland dagegen geht die Bevöl­kerung im erwerbs­fä­higen Alter von heute knapp 52 Mil­lionen laut Schät­zungen von Destatis bereits in den kom­menden 15 Jahren um vier bis sechs Mil­lionen Men­schen zurück. Ohne Net­to­zu­wan­derung würde die Zahl der Men­schen zwi­schen 20 und 66 Jahren bis 2035 sogar um rund neun Mil­lionen sinken. Die Zahl derer ab 67 Jahren nimmt dagegen kräftig zu – von heute rund 16 Mil­lionen auf min­destens 21 Mil­lionen im Jahr 2039. Immer weniger Junge müssen für immer mehr Alte sorgen, eine extreme Belastung für die Sozi­al­systeme.“ – Stelter: Wie immer wieder berichtet, fehlen zwi­schen 36 und fast 100 Mil­li­arden Euro, die wir schon heute pro Jahr zurück­legen müssten, um die Bei­träge in Zukunft stabil zu halten.
  • Ganz anders ist die Lage in den USA. Das Land pro­fi­tiert seit Jahr­zehnten von Zuwan­derung, die den Rückgang der Gebur­tenrate auf derzeit rund 1,8 Kinder pro Frau mehr als aus­gleicht. „Die USA haben es in ihrer Geschichte immer wieder geschafft, moti­vierte Ein­wan­derer anzu­ziehen, sie zu qua­li­fi­zieren und ihnen eine Chance zu geben, pro­duktiv zu sein“, sagt Hubertus Bardt, Geschäfts­führer und wis­sen­schaft­licher Leiter des Instituts der deut­schen Wirt­schaft (IW) Köln. Ein gutes Bei­spiel sind die Chi­nesen in den USA. Sie stellten laut Washing­toner Institut für Migra­ti­ons­po­litik (MPI) im Jahr 2016 mit 2,3 Mil­lionen Men­schen nach Mexi­kanern und Indern die dritt­größte Gruppe von Ein­wan­derern. Besonders viele sind gut aus­ge­bildet, kamen als Stu­die­rende oder mit von Arbeit­gebern gespon­serten Visa ins Land.“ – Stelter: Nun wissen wir, dass diese Aus­wan­derer besonders moti­viert sind, ganz anders als viele der Zuwan­derer nach Deutschland, was mit den Anreiz­sys­temen zu tun hat. Hier müssen wir das System dringend ändern. (Natürlich gibt es qua­li­fi­zierte Zuwan­derer nach Deutschland, aber eben auch viele, die nicht den erfor­der­lichen Beitrag leisten/leisten können.)
  • „Schon jetzt sind die USA die mit Abstand größte west­liche Öko­nomie. Aktuell pro­du­zieren die Ame­ri­kaner 5,6‑mal so viele Güter und Dienst­leis­tungen wie die Deut­schen, die ihrer­seits Europas größte Volks­wirt­schaft stellen. Anfang der Neun­zi­ger­jahre war die US-Öko­nomie auf Dollar-Basis etwas über dreimal so groß. (…) Das liegt an der höheren Inno­va­ti­ons­kraft der Ame­ri­kaner und natürlich auch an der unter­neh­me­ri­schen Dynamik, für die das Land der unbe­grenzten Mög­lich­keiten berühmt ist.“ – Stelter: Ganz anders bei uns, belegen wir doch Platz 114 von 190 beim Thema „Unter­neh­mens­gründung“ im „Ease of doing Business Index“ der Weltbank. 
  • „Der volle Brems­effekt der Demo­grafie wird in Deutschland erst in den nächsten zehn Jahren ein­setzen, wenn die Baby­boomer aus dem Erwerbs­leben aus­scheiden. Das betrifft nicht nur die Aus­ga­ben­seite der Sozi­al­systeme, sondern auch die Ein­nah­men­seite: Denn in dem Maße, wie die Men­schen älter werden und es an jungen Arbeits­kräften mangelt, geht die Pro­duk­ti­vität in der Volks­wirt­schaft zurück.“ – Stelter: was wir schon merken, sind doch die Pro­duk­ti­vi­täts­fort­schritte auf null gefallen.
  • „Wie sehr Deutschland und andere Indus­trie­länder betroffen sind, haben Wis­sen­schaftler des Öster­rei­chi­schen Instituts für Wirt­schafts­for­schung Wien (Wifo) im Auftrag der Ber­telsmann-Stiftung aus­ge­rechnet. Demnach muss die Bun­des­re­publik schon 2040 einen Verlust des Pro-Kopf-Ein­kommens von rund 3700 Euro hin­nehmen. In abso­luten Zahlen sind die Wohl­stands­ver­luste massiv: Im Jahr 2040 fällt das Wachstum des realen Brut­to­in­lands­pro­dukts (BIP) laut Wifo und Ber­telsmann in Deutschland vor­aus­sichtlich um 274 Mil­li­arden Euro nied­riger aus, als es bei kon­stanter Bevöl­kerung der Fall wäre. In den Jahr­zehnten danach dürfte sich die demo­gra­fie­be­dingte Lücke sogar noch schneller aus­weiten. Wegen des stei­genden Konsums ist spä­testens in den 40er-Jahren des 21. Jahr­hun­derts mit einer deutlich anzie­henden Inflation zu rechnen.“ – Stelter: Die Folgen sind ein unfi­nan­zier­barer Sozi­al­staat, Flucht der Leis­tungs­träger, massive Verteilungskonflikte.
  • „Dabei könnten, davon sind Öko­nomen über­zeugt, auch Länder mit schrump­fender Bevöl­kerung wirt­schaft­liche Cham­pions sein – wenn sie es denn klug angehen. (Dazu) braucht ein Land eine Vielzahl von Instru­menten. Zuwan­derung kann eines davon sein (…) Zusätzlich muss es gelingen, die Inno­va­ti­ons­kraft der Wirt­schaft zu stärken. Dazu braucht es zum Bei­spiel ein gutes Bil­dungs­system, eine leis­tungs­fähige Infra­struktur und genügend Kapital für Grün­dungen und Wachs­tums­un­ter­nehmen.“ Stelter: alles dass, was wir NICHT machen in Deutschland!
  • „(…) Frauen und Ältere müssten für den Arbeits­markt akti­viert werden, Men­schen qua­li­fi­ziert und gezielt Zuwan­derer ange­worben werden. Was den Kapi­tal­stock betrifft, sind sowohl die pri­vaten als auch die öffent­lichen Inves­ti­tionen noch sehr aus­bau­fähig. Hier hat Deutschland viel Nach­hol­bedarf (…) Der tech­nische Fort­schritt schließlich könne helfen, Arbeits­kräfte ein­zu­sparen. (…) Und das werde in Ländern wie Japan durchaus nicht als Bedrohung, sondern als Antwort auf Eng­pässe am Arbeits­markt gesehen.“ – Stelter: So ist es. Aber wir wollen nur die Welt retten, den Sozi­al­staat aus­bauen und nicht in die Zukunft inves­tieren

Dr. Daniel Stelter –www. think-beyondtheobvious.com