Ver­botene Sorten – Dank Corona steigt die Nach­frage nach hei­mi­schen Pro­dukten – Die Vielfalt lässt aller­dings zu wün­schen übrig

Acai, Goji, Schi­sandra, Avocado, Baobab, Canihua – Die Liste der ach so gesunden Super­foods, die wir aus aller Herren Länder impor­tieren, ist lang. Corona hat offenbar bei vielen Men­schen zu einem Bewusst­seins­wandel geführt. Zwei von drei Kon­su­menten in Deutschland wün­schen sich wieder mehr hei­mische Pro­dukte: Apfel statt Ananas, Rha­barber statt Acai.

Denn die Exotik hat ihren Preis. Bei­spiel Avocado: Das Nähr­stoff­wunder der Azteken wird inzwi­schen in deut­schen Super­märkten und Dis­countern zum Schnäpp­chen­preis ange­boten. In Mexiko, einem der größten Avocado-Pro­du­zenten der Welt, hat der Anbau dra­ma­tische Folgen für Mensch und Umwelt: Avo­cados brauchen viel Wasser, der massive Einsatz von Pes­ti­ziden gefährdet das Trink­wasser, der Anbau führt zu ille­galer Ent­waldung und Umwelt­zer­störung. In der boo­menden Avocado-Industrie arbeiten die Men­schen als Tage­löhner unter mise­rablen Bedin­gungen für einen Hun­gerlohn. Mehrere Umwelt­schützer, die gegen den schmut­zigen Avocado-Anbau kämpften, wurden ermordet auf­ge­funden. Hinzu kommt wie bei allen exo­ti­schen Super­foods eine ver­hee­rende CO2-Bilanz, denn Avocado, Acai & Co. müssen um den halben Globus geflogen werden.

Pro­dukte aus der Region sind wieder gefragt. Wer hei­mische Ware bevorzugt, merkt aller­dings schnell, dass Kar­toffeln oder Tomaten aus dem Super­markt irgendwie alle ziemlich ähnlich schmecken – und nur selten wirklich aro­ma­tisch sind. Ich kaufe keine Tomaten mehr, weil ich noch keine einzige Sorte gefunden habe, die so köstlich schmeckt wie die, die ich als Kind im Garten direkt vom Strauch gegessen habe – und weil es nur ein paar wenige Sorten gibt, und zwar immer die gleichen. Tomaten mit dem klang­vollen Namen Groß­her­zogin Toskana oder Old German suchen Sie im Super­markt ver­gebens. Das sind zwei von weltweit 15.000 Toma­ten­sorten. Im Handel zuge­lassen sind gerade mal 43 Sorten. Ich habe im Super­markt oder im Bio­laden noch nie mehr als vier bis fünf Sorten gesehen. Woran liegt das? Saatgut muss amtlich zuge­lassen werden. Es ist ver­boten, mit dem Saatgut nicht zuge­las­sener Pflan­zen­sorten Handel zu treiben, so sieht es das Saat­gut­ver­kehrs­gesetz aus dem Jahr 1930 vor. Ursprünglich eine gute Sache, der Ver­braucher sollte vor schlechtem Obst oder Gemüse geschützt werden. Doch in der Rea­lität geht das auf Kosten der Vielfalt bei hei­mi­schen Produkten.

Das Bun­des­sor­tenamt ent­scheidet nach 42 Kri­terien, wie bei­spiels­weise eine Kar­toffel klas­si­fi­ziert wird: Form, Farbe, Beschaf­fenheit der Ober­fläche, Kon­sistenz. Gutes Aus­sehen und lange Lager­fä­higkeit sind die wich­tigsten Kri­terien, der Geschmack spielt keine große Rolle. Und so kann es sein, dass in Ihrem Ein­kaufskorb eine perfekt aus­se­hende Kar­toffel mit glatter Schale landet, die bestens bewertet wurde, aber nach nichts schmeckt. Diese leidige Erfahrung habe ich schon oft gemacht! Doch warum sind nur so wenige Sorten im Handel? Eine alte, nicht zuge­lassene Sorte beim zustän­digen Amt prüfen und zulassen zu lassen, ist ein auf­wen­diges und kost­spie­liges Ver­fahren. Davor schrecken die meisten zurück. Und so kon­trol­lieren heute einige wenige mul­ti­na­tionale Kon­zerne mit wenigen Sorten den Saat­gut­markt, und damit, was wir essen (müssen).

Wenn Sie sich Vielfalt, Aroma und opti­malen Nährwert ohne exo­tische Super­foods wün­schen, werden Sie die weder im Dis­counter, noch im Bio­laden finden. Wenn Sie Glück haben, viel­leicht im Hof­laden oder auf dem Wochen­markt oder bei Men­schen, die sich der Rettung alter Sorten ver­schrieben haben. Roland Wüst aus dem rheinland-pfäl­zi­schen Haßloch hat 2007 den Verein „Freie Saaten“ e.V. gegründet. Mit seinen Mit­gliedern baut er alte Gemü­se­sorten bio­lo­gisch an. Und darf seine Pro­dukte und seine Saaten ver­kaufen – aller­dings nur zum Erhalt seines Vereins. Es gibt in ganz Deutschland Vereine und Initia­tiven, die Saatgut von alten Sorten und Infor­ma­tionen dazu anbieten. Der NDR hat eine Liste mit Links zusammengestellt.

Link­liste

Sie können dort Früchte und ihr Saatgut direkt beziehen. Das ist wahr­scheinlich sinn­voller, als zu hoffen, dass ein uraltes Gesetz, das die hei­mische Wirt­schaft schützen sollte, in abseh­barer Zeit abge­schafft oder refor­miert wird.

Mehr zum Thema hier:

http://www.freie-saaten.de/uber_uns.html

https://www.zdf.de/gesellschaft/plan‑b/plan-b-kohlrabi-statt-papaya-100.html

https://dieunbestechlichen.com/2020/07/essen-sie-avocados-wegen-avocados-miserable-arbeitsbedingungen-umweltzerstoerung-und-morde-durch-kartelle/

https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/45_min/Verbotenes-Gemuese,sendung511572.html

https://www.wir-essen-gesund.de/handel-mit-alten-sorten-ist-verboten/#:~:text=Es%20gibt%20in%20Deutschland%20ein,man%20dem%20Verbraucher%20nicht%20zumuten

www.weihrauchplus.de