Im September 2018 wurde eine Studie veröffentlicht, die die katholische Kirche vor vier Jahren selbst in Auftrag gegeben hatte, um das brennende Thema des Kindesmissbrauchs innerhalb der katholischen Kirche aufzuarbeiten und den Opfern Genugtuung zukommen zu lassen. Denn anders als in all den Jahrzehnten — vielleicht sogar Jahrhunderten davor — herrschte eine Art „Omerta“ in diesen Dingen. Selbst, wenn ein ganzes Dorf betroffen war, sprach man nicht darüber. Doch in den letzten Jahren gingen die Opfer an die Öffentlichkeit. Die Kirche musste handeln, wenn sie nicht jede Glaubwürdigkeit verlieren wollte.
Eine Forschungsgruppe stieg in die Gewölbe und Bibliotheken der Kirchen und Klöster und suchte in ganz Deutschland in den Aufzeichnungen nach Spuren der Vorfälle.
Diese Spurensuche für den Zeitraum von 1946 bis 2014 erbrachte Unmengen an Dokumenten, Kopien, Befragungen. Alles das kristallisierte am Ende in nüchterne Zahlen und Tabellen. Dabei geht die Studie auf die ganz speziellen Aspekte des Kindesmissbrauchs im Kirchenumfeld ein. Treibende Faktoren für eine so ungesunde und aufgestaute, sich dann an wehrlosen Kindern abreagierende Sexualität, sind gerade die psychischen Zwänge innerhalb der katholischen Kirche: Verleugnete Sexualität, verteufelte, aber verbreitete Homosexualität, bedingungsloser Gehorsam, aber keine echte Hilfestellungen, wie die frustrierten Männer (und Frauen) mit ihrem aufgestauten Sexualtrieb zurecht kommen sollen.
Dabei enthüllte die Studie, dass die Betroffenen der sexuellen Übergriffe im Allgemeinen zu über 62 Prozent Jungen und 35 Prozent Mädchen sind. In manchen Teiluntersuchungen betrug der männliche Anteil der Opfer sogar 80 Prozent und mehr. Insgesamt sollen 1670 Kleriker 3677 Minderjährige missbraucht haben. Diese Zahl gilt allerdings nur als die „Spitze des Eisbergs“. Die meisten Missbräuche seien nie aufgedeckt worden. Zeigt das einen hohen Prozentsatz von pädophilen Homosexuellen in den Reihen der Kirchenmänner? Ein hoher Anteil der Missbrauchsopfer sind die Messdiener. Die bösen Witze kommen ja nicht von ungefähr.
Die Infiltration in den Bistümern und auch in den Vatikanämtern von homosexuellen Seilschaften, schreibt die Freie Welt im Dezember 2018, werde durch die Untersuchungen der Missbrauchsstudie immer deutlicher.
Guido Grandt schrieb im November 2019, dass eine amerikanische Studie innerhalb der katholischen Kirche vielen Priestern bescheinigte, „emotional unterentwickelt“ zu sein, bis hin zu „mangelhafter Entwicklung“. Guido Grandt bemerkt erschüttert: „… wie ich meine, ein alarmierendes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass diese Geistlichen mit ihrer gestörten psychischen Gesundheit auch seelsorgerisch tätig sind und Erwachsene, Jugendliche und Kinder auf ihrem Lebensweg begleiten.“ Diese Studie zeigte auch auf, dass etwa zwei Drittel der wegen sexuellen Missbrauchs angeklagten Priester in ihrer Kindheit selbst Opfer davon gewesen sind. Doch häufig erkennen sie ihre eigenen Missbrauchserfahrungen erst gar nicht. Und Guido Grandt merkt an: „Vergessen wir auch nicht die Gruppe ‚echter‘ Pädophiler, die den Beruf des Priesters absichtlich erwählen, um ihre Sexualität auszuleben.“
Natürlich wurde schon immer vertuscht und abgestritten. Nur in ca. einem Drittel aller überhaupt in den Bistümern bekanntgewordenen Fälle gab es innerhalb der katholischen Kirche eine Untersuchung: Bei 1.670 aktenkundig Beschuldigten eröffnete die Kirche nur gegen 566 ein kirchenrechtliches Verfahren. Von diesen verliefen 154 im Sande, ohne jede Strafe. In 103 Fällen wurde eine Ermahnung ausgesprochen. 88 Beschuldigte wurden exkommuniziert, 41 wurden entlassen. Nur 7,8 Prozent der Beschuldigten wurde halbwegs angemessen bestraft. Wie die Studie recherchierte, reagiert die Kirche auch in Fällen, wo eine Strafe verhängt wird, extrem gnädig: Frühpensionierung, Versetzungen, Zelebrationsverbot, Therapie, Beurlaubung, Ermahnung, kleine Geldstrafen oder nur Exerzitien (geistliche Übungen, die zu einer intensiven Besinnung und Begegnung mit Gott führen: Gebet, Meditation, Fasten, Schweigen und die Worte Gottes lesen).
Dieselbe wenig zufriedenstellende Konsequenz offenbart die katholische Kirche auch nun in ihrem Endergebnis. Nach sechs Jahren hin und her, nach mühsamer Spurensuche der Untersuchungsteams, die in den Bistümern sehr oft auf eine Mauer des Schweigen stießen, wo Unterlagen nicht auffindbar waren, haben sich die deutschen Bischöfe nun dazu durchgerungen, ein einheitliches Verfahren zur „Anerkennung des Leides von Missbrauchsopfern in der katholischen Kirche“ zu beschließen.
Die Tagesschau meldet am 24. September 2020 auf ihrer Seite:
„Künftig sollen Betroffene auf Antrag Ausgleichszahlungen von bis zu 50.000 Euro bekommen. Das teilte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Georg Bätzing, zum Abschluss der Herbstvollversammlung in Fulda mit. Dabei werde es sich um Einmalzahlungen handeln, die für jeden Betroffenen durch ein unabhängiges Entscheidungsgremium individuell festgelegt würden.“
Man orientiere sich in der Höhe der Entschädigungszahlung an Urteilen der staatlichen Gerichte. Betroffene können noch zusätzliche Kosten für Therapie- oder Paarberatung erhalten.
Man muss gar kein Großverdiener sein, um diese maximale Entschädigungssumme als wenig zufriedenstellend zu empfinden. Das sind etwa zwei Jahresgehälter, mehr nicht. Dafür leiden die Opfer aber meistens ein Leben lang. Beziehungen solcher traumatisierten Menschen sind auch für deren Partner meistens sehr problematisch. Das Verhältnis zu eigenen Kindern ebenfalls. Mal entwickelt der als Kind missbrauchte Elternteil einen Drang zur Überbehütung, manche aber misshandeln oder missbrauchen aber auch ihre Kinder aus ihrer unbewältigten Vergangenheit heraus und tragen den Missbrauch in die nächste Generation. Da sind 50.000 € nicht mehr als ein kleines Trostpflaster.
Die Vertreter der Opfer dieser klerikalen Übergriffe kritisierten daher das Vorgehen der Kirche scharf. Sie erinnern an eine bereits erreichte „Verständigung“ aus 2019, in der von 400.000 € für jedes Opfer die Rede war. Im Übrigen seien die Opfervertreter nicht in die Entscheidungsfindung mit einbezogen worden. Der Hauptpunkt der Kritik ist aber, dass die damaligen Opfer, um überhaupt eine Entschädigung zu bekommen, sich einem sehr unangenehmen Verfahren unterziehen müssen, in dem die ganzen Vorfälle und Vorwürfe noch einmal durchgearbeitet werden müssen. Das, so der Sprecher der Initiative der Opfer, sei im Prinzip eine „Re-Traumatisierung“, wenn das nicht unter sensibler, fachkundiger Begleitung und Betreuung der Opfer geschehe.
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