Der Streit um den Ursprung der Großen Sphinx

Die Unter­su­chung des Sphinx durch Gauri und Lehner

Abb. 1 Der Sphinx vor der Großen Pyramide von Giseh. (Foto: Lars Fischinger)

Gerade als ich das letzte Kapitel [von ‘Die Schlange am Fir­mament’; d. Red.] fer­tig­ge­stellt hatte, wurde eine archäo­lo­gische und geo­lo­gische Umer­su­chung des Sphinx durch­ge­führt. Pro­jekt­leiter waren Mark Lehner, Field Director des Ame­rican Research Center in Agypten, und K. Lal Gauri, Direktor des Stone Con­ser­vation Labo­ratory der Uni­ver­sität von Louis­ville, Ken­tucky. Finan­ziert wurde das Unter­nehmen mit Mitteln der Cayce Foun­dation (in der Tat unge­wöhn­liche intel­lek­tuelle Partner!). Die Ergeb­nisse wurden im Ame­rican Research Center in Egypt News­letter (Nr. 112 und 114) veröffentlicht.

Bei der Unter­su­chung spielte die Frage einer neuen Chro­no­logie keine Rolle. Lehner und Gauri ver­meiden in ihren Schluß­fol­ge­rungen eine Neu­da­tierung des Sphinx. Aber die ver­öf­fent­lichten Ergeb­nisse unter­stützen meine Argu­men­tation in jeder Hin­sicht. Die alter­native Erklärung für die Ver­wit­terung des Sphinx, die Gauri vortrug, um die gel­tende Chro­no­logie zu stützen, ist meines Erachtens nicht über­zeugend. Sie wider­spricht nämlich genau den Befunden, die er selbst zutage gefördert hat.

Auch wenn der Unter­su­chungs­be­richt etwas tech­nisch klingt, sind die Fragen, um die es geht, leicht erklärt und für den auf­merk­samen Leser auch zu ver­stehen. Es folgt eine Auf­listung der wesent­lichen Punkte; auf Ein­zel­heiten gehe ich später ein:

1) Die Stan­dard­er­klärung, die Ver­wit­terung des Sphinx beruhe auf der Wirkung von Wind und Sand, wurde aufgegeben.

2) Mark Lehner konnte fest­stellen, daß nicht nur eine, sondern drei größere Repa­ra­tur­maß­nahmen am Sphinx vor­ge­nommen wurden. Deren Datierung stellt uns vor viel­leicht unlösbare Pro­bleme. Lehner nimmt die frü­heste Maß­nahme vor­läufig für das Neue Reich (1550- 1070 v. Chr.) an.

3) Lehner behauptet, daß der Sphinx, sieht man von den letzten Jahr­zehnten einmal ab, seit dieser Restau­rierung nicht mehr nen­nenswert ver­wittert sei. Dieser für eine Revision der Chro­no­logie viel­leicht ent­schei­dende Punkt muß besonders her­vor­ge­hoben werden.

4) Nach Lehners Berech­nungen bleibt eine Zeit­spanne von etwa 500 Jahren, während der der Sphinx von seinem ursprüng­lichen Zustand zum gegen­wär­tigen Erschei­nungsbild ver­wit­terte (mit Ver­tie­fungen von bis zu 60 Zen­ti­metern in den Sandsteinwänden).

5) Unter­su­chungen von Gauri ergaben, daß die Ver­wit­terung durch Wasser, das mit den natür­lichen Salzen im Kalk­stein reagierte, her­vor­ge­rufen wurde. Mit anderen Worten: die Ero­si­ons­schäden am Sphinx sind auf Wasser zurückzuführen.

6) Gauri macht jedoch das Grund­wasser für die Ver­wit­terung ver­ant­wortlich, das seinen Angaben zufolge aus dem Boden in den Sphinx­körper steigt, führt aber nicht aus, wie die Ero­si­ons­wirkung zustande kommt. Gauri und Lehner scheinen sich über die Wider­sprüche in ihren Schluß­fol­ge­rungen nicht im klaren zu sein.

Es gibt nämlich eine Reihe ekla­tanter Wider­sprüche, und solange wir nicht an ein geo­lo­gi­sches Wunder glauben wollen, das sich am Sphinx voll­zieht, ist die Argu­men­tation von Gauri nicht hin­rei­chend, um die Erosion am Sphinx zu erklären.

Der Schlüssel zu Gauris Trug­schluß ist Lehners Ent­de­ckung, daß es seit der ersten Restau­ration zu keiner nen­nens­werten Erosion mehr gekommen sei, so daß — gemäß Lehner und ent­spre­chend her­kömm­licher Chro­no­logie und Datierung – die Ero­si­ons­kräfte nur 500 Jahre wirken konnten. Wo aber befand sich während der übrigen Zeit das Grund­wasser des Dr. Gauri? Und wie konnte es in den Sphinx­körper kriechen und innerhalb von nur 500 Jahren in dessen Flanken zwei Kanäle von 60 Zen­ti­metern Tiefe hin­ter­lassen, um dann ca. 4000 Jahre lang sein Zer­stö­rungswerk zu unterbrechen?

Man könnte also argu­men­tieren, daß die ver­schie­denen Restau­rie­rungs­maß­nahmen eine weitere Erosion ver­hin­derten, weil die Ober­fläche des Sphinx geschützt wurde. Das Argument ist aber nicht stich­haltig. Die Wände des Grabens um den Sphinx wurden nie restau­riert […]. Sie weisen Ero­si­ons­merkmale auf, die mit denen des Sphinx absolut iden­tisch sind. Da Gauris Erklärung einen unvor­stellbar schnell vor­an­schrei­tenden Ero­si­ons­schaden von zehn Zen­ti­metern pro Jahr­hundert vor­aus­setzt, müßten die nie restau­rierten Gra­ben­wände noch erheblich größere Schäden als der Sphinx­körper zeigen.

Das ist aber nicht der Fall. Die Pro­bleme, die sich aus Gauris Argu­men­tation ergeben, werden durch die Beson­der­heiten des Grund­was­ser­spiegels vor Ort noch kom­pli­zierter. Bis zur Errichtung des Assuan-Stau­damms, dieses ganz ent­schei­denden Stör­faktors, regu­lierten die jähr­lichen Nil­schwellen den Grund­was­ser­spiegel der sich bis dahin leicht berechnen ließ und noch fest­stellen läßt. Im Laufe der Jahr­tau­sende kam es zur Abla­gerung von Schwemmsand, wodurch sich der Boden des Über­schwem­mungs­ge­biets in 1000 Jahren um knapp 3 Meter hob. Der Grund­was­ser­spiegel stieg ent­spre­chend. Das bedeutet, bei der Erbauung des Sphinx vor angeblich 5000 Jahren lag der Grund­was­ser­spiegel etwa 15 Meter unter seinem gegen­wär­tigen Niveau (bei 3 Metern pro Jahrtausend).

Nach Gauris Argu­men­tation müßte also das in jenen Tagen über 17 Meter tief unter dem Sphinx lie­gende Grund­wasser in dessen Körper gestiegen sein, als der Sphinx aus dem Fels­stock gehauen wurde, und zu einer Erosion von etwa 10 Zen­ti­metern pro Jahr­hundert geführt haben. Danach kam die Ver­wit­terung zum Still­stand, während der Was­ser­spiegel vier­einhalb Jahr­tau­sende weiter anstieg. Lehner behauptet ja, das end­gültige Stadium der Ver­wit­terung des Sphinx sei zum Zeit­punkt der ersten Restau­ration so gut wie erreicht gewesen.

Für mich ist der­gleichen unbe­greiflich. War hier ein geo­lo­gi­sches Wunder am Werk? Und warum soll es nicht noch mehr dieser Wunder geben? Machen wir uns also auf einiges gefaßt.

Zunächst zu dem merk­wür­digen Tal­tempel, jenem Sphinx­tempel, auf den im letzten Kapitel aus­führlich ein­ge­gangen wurde. Meine Argu­men­tation gilt nach wie vor, aber auf­grund der von Gauri vor­ge­legten Ergeb­nisse können nun weitere Rück­schlüsse gezogen werden.

Wie ich bereits aus­ge­führt habe, sind die Ero­si­ons­kräfte, die am Sphinx wirken, auch ver­ant­wortlich für die Ver­wit­terung der mäch­tigen Quader des Tal­tempels. Auch aus diesem Grund muß ich Gauris Hypo­these zurück­weisen. Wasser, das durch Kapil­lar­druck steigt, könnte nicht unter­schied­liche Qua­der­lagen über­winden. Gauris These wird ange­sichts der spe­zi­fi­schen Ero­si­ons­merkmale des Tal­tempels sofort fragwürdig.

Für beide Bau­werke können nur die­selben Ero­si­ons­fak­toren ver­ant­wortlich sein, und im Fall des Tal­tempels kann es kei­nes­falls nach oben drin­gendes Wasser gewesen sein. Die gleiche Argu­men­tation ergibt sich auch ange­sichts der Ero­si­ons­merkmale des (eben­falls im letzten Kapitel aus­führlich behan­delten) soge­nannten Toten­tempels, der mit dem Sphinx durch eine Straße ver­bunden ist.

Der Tempel wurde mehr als 50 Meter über der Sphin­xebene erbaut, seine Ero­si­ons­merkmale ent­sprechen aber denen des Sphinx (wenn man davon absieht, daß er noch dras­ti­scheren Schaden genommen hat, was auf seine weniger geschützte Lage auf dem Plateau zurück­zu­führen ist). Wenn also aus dem Boden nach oben drü­ckendes Grund­wasser für die Erosion des Sphinx ver­ant­wortlich gewesen sein soll, dann hätte es noch 50 Meter höher steigen müssen, um die Ver­wit­terung des Toten­tempels zu bewirken. Außerdem hätte das Grund­wasser irgendwie selektiv nach oben steigen müssen, denn unter den unzäh­ligen Mastabas und anderen Bau­werken, die zur Zeit des Alten Reiches auf der Ebene errichtet wurden, zeigt nur der Toten­tempel die typi­schen Was­ser­ero­si­ons­merkmale — unvor­stellbar wie die ganze Gauri/Lehner-Hypo­these.

Meine Argu­men­tation hat sich erhärtet: Grund­wasser kann weder den Sphinx, noch den Tal­tempel oder den Toten­tempel ver­wittert haben. Die Ero­si­ons­spuren der drei Bau­werke müssen aber ein und die­selbe Ursache haben.

Die Unter­su­chung von Mark Lehner bestätigt meine Argu­mente. Er hält sich zwar in seinem Bericht strikt aus jeder Kon­tro­verse heraus, dennoch spürt man, daß er sich mit seinen Behaup­tungen unbe­haglich fühlt. Warum sonst dieser so besorgte Hinweis auf seine Berechnung der etwa 500 Jahre für die Ver­wit­terung des Sphinx von seinem ursprüng­lichen Zustand bis zum heu­tigen Erschei­nungsbild, wenn ihn seine Angabe nicht selbst schlei­erhaft dünkt?

Abb. 2 Ero­si­ons­spuren an der Ein­fas­sungs­mauer des Sphinx. Foto: Lars Fischinger

Außerdem rätselt Lehner über die ersten Restau­rie­rungs­maß­nahmen, die mit großen Quadern, wie sie für das Alte Reich üblich sind, aus­ge­führt wurden. Der Sphinx habe ursprünglich eine Ober­fläche aus diesen Blöcken gehabt und nicht nur aus dem gewach­senen Felsen bestanden, wovon gewöhnlich still­schweigend aus­ge­gangen wird. Damit hätte man die Quader im Stil des Alten Reiches erklären können, doch da es auf der Ober­fläche des Sphinx kei­nerlei Anzeichen für eine grobe Behauung gab, mußte er diese Auf­fassung revi­dieren. Hätte er jedoch darauf bestanden, daß die erste Restau­rierung im Alten Reich erfolgte, wäre die übliche Zuordnung des Sphinx zu Che­phren in Frage gestellt gewesen, da ja nach seinen Dar­le­gungen jeg­liche nen­nens­werte Ver­wit­terung vor der frü­hesten Repa­ra­tur­maß­nahme stattfand. Deshalb geht er später von einer Repa­ratur im Neuen Reich aus, obwohl der Stil des Mau­er­werks dem nicht entspricht.

All diese Unge­reimt­heiten und Wider­sprüche lassen sich auf­lösen, wenn man von einem sehr hohen Alter des Sphinx ausgeht. Natürlich bedeutet dies, daß man die Geschichte der Menschheit neu schreiben muß — und noch wich­tiger -, es bedeutet, daß man die Vor­stellung vom „Fort­schritt“ als eines linearen Pro­zesses, der von angeb­lichen affen­ar­tigen Vor­fahren in einem glatten Cre­scendo bis zu uns verlief, eben­falls über­denken muß. Das sollte für Natur- und Geis­tes­wis­sen­schaftler, die sich für die objektive Wahrheit inter­es­sieren, eine will­kommene Her­aus­for­derung sein.

Neueste For­schungs­er­geb­nisse

Ich weiß von keiner bedeu­tenden wis­sen­schaft­lichen Theorie, die nicht eine lange Ent­wick­lungs­ge­schichte gehabt hätte, in deren Verlauf es zu Kor­rek­turen, einem Sichten und Sor­tieren, zu Prä­zi­sie­rungen und auch Revi­sionen kam. Die Theorien zum Alter des Sphinx machen da keine Ausnahme.

Daß der Sphinx nicht durch Wind und Sand ver­wittert sein kann, war mir auch ohne geo­lo­gische Hilfs­mittel klar (selbst Gauri und Lehner waren sich in diesem Punkt einig). Die Wider­sprüche in ihrem Unter­su­chungs­be­richt boten mir die Mög­lichkeit, Che­phren ein für allemal als Erbauer des Sphinx aus­zu­schließen. Wäre man ver­nünftig und logisch vor­ge­gangen, wäre es auch ohne die Hilfe der Geo­logie zu einer neuen Datie­rungs­theorie gekommen. Doch im Wis­sen­schafts­be­trieb unserer Tage braucht eine geo­lo­gisch begründete Theorie eben den Segen eines Geo­logen, damit das aka­de­mische Estab­lishment sie über­haupt zur Kenntnis nimmt. (Man darf das nicht so ver­stehen, daß das aka­de­mische Estab­lishment ein Monopol für natur­wis­sen­schaft­liche oder geis­tes­wis­sen­schaft­liche Wahr­heiten hat. Doch ohne eine gewisse aka­de­mische Aner­kennung ist die Auf­merk­samkeit der Medien nicht zu gewinnen, und ohne die Medien ist es sehr schwierig, dem breiten Publikum eine neue Idee oder Theorie vorzustellen.)

1989 gelang es einem befreun­deten Geo­logen, das Interesse eines Kol­legen für den Sphinx zu wecken. Robert M. Schoch ist Stra­ti­graph und Palä­on­tologe. Sein Spe­zi­al­gebiet ist die Erosion weicher Felsen (wie des Kalk­steins auf dem Gizeh-Plateau). Er ver­fügte über genau das nötige Fach­wissen, um meine Theorie zu veri­fi­zieren oder end­gültig vom Tisch zu fegen. Es gibt viele Geo­logen, aber nur wenige sind spe­zia­li­siert genug, um ein defi­ni­tives Urteil über den Argu­men­ta­ti­ons­zu­sam­menhang meiner Theorie abgeben zu können.

Schoch erkannte die Schwach­stellen im Bericht von Gauri und Lehner sofort und erklärte, daß die auf den von mir vor­ge­legten Fotos doku­men­tierten Ero­si­ons­schäden typisch für Was­ser­erosion seien, war aber dennoch höchst skep­tisch — wahr­scheinlich weil die Was­ser­erosion einfach zu offen­sichtlich war. Schoch konnte sich nicht vor­stellen, daß in den 200 Jahren, die nie auf dem Gizeh-Plateau geforscht, gegraben und restau­riert wurde, niemand vor Schwaller de Lubicz auf die Idee gekommen war, daß die Ver­wit­terung des Sphinx von Wasser her­rührte, und daß niemand vor mir gemerkt haben sollte, daß diese Art der Erosion auf den Sphinx und die benach­barten Bau­werke beschränkt war. Er war über­zeugt, daß ich als Amateur irgend­einen ent­schei­denden Punkt über­sehen hätte.

Als er im Juni 1990 nach Ägypten fuhr und sich vor Ort ein Bild machte, änderte Schoch seine Meinung. Für ihn stand nun fest, daß der Sphinx durch Was­ser­ein­wirkung ver­wittert war — aber auf­grund ihrer Beschaf­fenheit konnte die Erosion auf keinen Fall die Folge von Grund­wasser sein, wie Lehner und Gauri behauptet hatten. Es waren aber auch nicht die Über­schwem­mungen, wie ich behauptet hatte. Schoch hielt die Schäden am Sphinx für die Folge hef­tiger Nie­der­schläge. Mit anderen Worten, Regen­wasser hatte zur Erosion des Sphinx geführt, nicht Überflutungen.

Das war der eine große Fehler in meiner Argu­men­tation. Da mit war aber auch ein ent­schei­dender Vor­behalt aus­ge­räumt, den ich von Anfang an hatte. Die geo­lo­gische Lite­ratur, auf die sich meine Theorie unter anderem stützte, sprach von unvor­stellbar großen Fluten in Ägypten nach der letzten Eiszeit, bevor die Sahara ent­stand. In diesen Angaben sah ich die einzig plau­sible Ursache für die Was­ser­massen, die den Sphinx ero­dierten. Das Problem war nur, daß der Sphinx bis hinauf zum Hals ver­wittert war. Das setzte Fluten im Niltal voraus, die min­destens sicher zwanzig Meter hoch gestiegen waren.

Schwerlich kann man sich solche Was­ser­massen vor­stellen, zumal dann auch die Kern­quader des soge­nannten Toten­tempels am Ende der Straße vom Sphinx Spuren von Was­ser­ein­wirkung zeigen müßten und die Fluten auch das Fun­dament der Pyra­miden umspült haben müßten. Das bedeutet, die Über­schwem­mungen hätten noch dreißig Meter höher sein müssen. Einige Kri­tiker hatten sich über diesen Gedanken mokiert, zu der unge­wöhn­lichen Ver­wit­terung wußten sie aber nichts zu sagen.

Starke Nie­der­schläge lösten alle Pro­bleme mit einem Schlag. Die Geo­lo­gie­bücher, die ich her­an­ge­zogen hatte, sprachen von Über­schwem­mungen in Ver­bindung mit langen Perioden hoher Nie­der­schläge; als Nicht­geologe war mir nicht klar, daß Regen und nicht Über­schwemmung der ursäch­liche Ver­wit­te­rungs­faktor war. Im nach­hinein muß ich ein­räumen, daß man kein Genie zu sein braucht, um das zu erkennen.

Bedau­er­li­cher­weise konnte Schoch den Kalk­stein vor Ort am Sphinx nicht unter­suchen. Per­sönlich hatte er zwar keine Zweifel mehr, um fest­zu­stellen, ob die Ver­wit­terung von Nie­der­schlag her­rührte, mußte er aber am Fels arbeiten. Es mußte auch aus­ge­schlossen werden, daß die Ver­wit­terung am Sphinx keine geo­lo­gi­schen Ursachen hatte. Der Sphinx kann schließlich aus einer anderen Gesteins­schicht oder ‑art gehauen worden sein. Von unserem Beob­ach­tungs­punkt aus am Rande des Sphinx­grabens schien nichts darauf hin­zu­deuten, aber wir konnten die Mög­lichkeit nicht einfach ausschließen.

Mit Unter­stützung Schochs wurde ein „Sphinxteam“ gebildet. Uns war klar, daß wir wohl­überlegt vor­gehen mußten, wenn wir unsere Sphinx­theorie veri­fi­zieren wollten. Die wis­sen­schaft­liche Seite war ja nur ein Aspekt unseres Unter­nehmens; wir brauchten dazu vor allen Dingen die Geneh­migung der Egyptian Anti­quities Orga­nization. Die Hoch­ebene von Gizeh ist viel­leicht das bri­san­teste Gebiet in Ägypten, in poli­ti­scher wie aka­de­mi­scher Hin­sicht. Selbst mit einer weniger spek­ta­ku­lären Theorie als der unseren würde eine Geneh­migung kaum zu bekommen sein. Finan­zieren mußten wir unser Projekt aus pri­vaten Mitteln. Und schließlich mußten wir einen Weg finden, die Theorie der Öffent­lichkeit vor­zu­stellen — vor­aus­ge­setzt, Schoch hielt sie für geo­lo­gisch stich­haltig. Von ägyp­to­lo­gi­scher und archäo­lo­gi­scher Seite hatten wir nichts zu erwarten, bloß Wider­stand. Ohne öffent­liche Resonanz würde die Sphinx­theorie sicher ewigem Ver­gessen anheim­fallen. Wir wollten die Arbeiten am Sphinx auf Video auf­zeichnen, um eine breite Öffent­lichkeit zu erreichen (Näheres ist dem Buch ‘Unriddling the Sphinx’ von Robert Schoch und mir vorbehalten).

Mit der Emp­fehlung seines Dekanats bean­tragte Schoch eine Arbeits­er­laubnis bei den ägyp­ti­schen Behörden, die man ihm schließlich erteilte. Um die finan­zi­ellen Mittel auf­zu­treiben, waren viel Phan­tasie und mühsame Klein­arbeit erfor­derlich. Durch die Ope­ration Desert Storm waren wir zunächst gezwungen, unser Vor­haben zu ver­schieben, doch im April 1991 war es dann soweit; wir konnten uns „offi­ziell“ an die Arbeit machen.

Wir ver­folgten zwei Haupt­ziele. Als erstes mußten wir defi­nitiv fest­zu­stellen ver­suchen, ob die Was­ser­ero­si­ons­theorie hieb- und stichfest war, und dann mußten wir über­prüfen, ob die Theorie in sich stimmig ist, ob sich die ver­schie­denen Aspekte nicht wider­sprechen. Dazu benö­tigten wir die kost­spie­ligen, aber unver­zicht­baren Dienste eines Geo­phy­sikers und hoch­mo­derne seis­mo­gra­phische Geräte.

Eine Frage, die mir vom Estab­lishment gestellt wurde (bei jenen sel­tenen Gele­gen­heiten, als ich über­haupt einer Reaktion gewürdigt wurde), lautete: Wie kommt es, daß der Sphinx das einzige Über­bleibsel dieser unter­ge­gan­genen Kultur ist? Ich hatte natürlich nie behauptet, daß der Sphinx der einzige Überrest sei. Natürlich muß noch mehr vor­handen sein. Wenn der Sphinx älter als die Sahara ist, müssen andere Bau­werke irgendwo ver­schüttet sein, mög­li­cher­weise tiefer, als bisher gesucht wurde. Wir hatten jeden­falls die Hoffnung, daß wir mit unseren Seis­mo­graphen etwas finden würden.

Zu unserem Team gehörten der Geo­phy­siker Thomas L. Dobecki, Sozius der Firma McBride-Rat­cliff & Asso­ciates, nebenbei Architekt und ein her­vor­ra­gender Ama­teur­fo­tograf, sowie zwei Geo­logen und ein Ozea­no­graph. Mein alter Freund Boris Said, ehe­ma­liger Renn­fahrer bei Ferrari und Exka­pitän des US-ame­ri­ka­ni­schen Bob­teams, heute Pro­duzent unge­wöhn­licher Doku­men­tar­filme, stieg als Pro­jekt­leiter und Ver­ant­wort­licher für das geplante Video ein.

Als sich Schoch innerhalb der Abgrenzung um den Sphinx an die Arbeit machte, war seine anfäng­liche Skepsis bald ver­flogen. Der Sphinx, die Gra­ben­wände und die relativ unver­wit­terten oder deutlich wind­er­o­dierten Gräber aus dem Alten Reich im Süden (die etwa der Che­phren­pe­riode ent­stammen) waren alle aus dem­selben Stein gehauen. Schoch meinte, geo­lo­gisch könne man alle diese Bau­werke nicht einer ein­zigen Periode zuordnen. Die Wis­sen­schaftler unseres Teams kamen zu dem­selben Ergeb­nis. Nur Wasser, in erster Linie Regen­wasser, konnte die Erosion am Sphinx bewirkt haben. Nach ein­ge­hender Prüfung war die Gra­benwand für unsere Unter­su­chung sogar noch entscheiden­der als der häufig restau­rierte und nun zum Teil ver­kleidete Sphinx. Nur Wasser, das in Kas­kaden die Ebene hin­unter in den Sphinx­graben gelaufen war, konnte diese tiefen, senk­rechten Risse und die flachen Aus­höh­lungen ver­ur­sacht haben […]

Die ersten Ergeb­nisse der seis­mo­gra­phi­schen Unter­su­chung Dobeckis waren viel­ver­spre­chend. Wir ent­deckten „Anomalien“ oder „Höhlen“ tief im Felsen zwi­schen den Tatzen der Sphinx. Auf dem abschüs­sigen Terrain vor dem Sphinx fanden wir mehrere tiefe Kannäle oder Rinnen in das Gestein gehauen […]. Sollte sich eines Tages beweisen lassen, daß sie von Men­schenhand sind, könnte es sich um eine wichtige archäolo­gische Ent­de­ckung handeln.

Dann dehnten wir die geo­lo­gi­schen Unter­su­chungen auch auf Objekte aus, die mir früher schon auf­ge­fallen waren. In Sakkara, gut zehn Kilo­meter südlich vom Sphinx, gibt es Königs­gräber aus Lehm­ziegeln, die aus der 1. Dynastie (3000 v.Chr. bzw. 500 Jahre vor Che­phren) stammen. Die weichen Lehm­ziegel sind noch als solche zu erkennen und relativ gut erhalten. Konnte es sein, daß der Körper des Kalk­steinsphinx 90 Zentime­ter tiefe Ver­wit­te­rungs­spuren zeigte, während nur wenige Kilo­meter weiter die Lehm­ziegel von angeblich viel älteren Gräbern in einem so guten Zustand waren, daß man sie heute wiederver­wenden könnte? Schoch hielt das für aus­ge­schlossen, und er wollte seine Auf­fassung auch öffentlich ver­treten, daß der Sphinx älter als das dynas­tische Ägypten sein müsse.

Abb. 3 Ero­si­ons­spuren an der Ein­fas­sungs­mauer des Sphinx. Foto: Lars Fischinger

Einige Monate später bescherten uns Dobeckis inzwi­schen aus­ge­wertete geo­phy­si­ka­lische Daten neue Über­ra­schungen […] Der Kalk­stein hinter dem Sphinx wies nur etwa die halbe Erosion auf, wie die Seiten (etwa 1,2 m hinten und 2,4 m an den Seiten). Da der Boden um den Sphinx aus dem­selben Stein ist und die Seiten und der Rücken seit der Zeit des dynas­ti­schen Ägyptens gleichen Wet­ter­be­din­gungen aus­ge­setzt waren, konnte diese Tat­sache für Schoch und Dobecki nur eines bedeuten: Der Fels im hin­teren Bereich des Sphinx war erst zu einem spä­teren Zeit­punkt ent­fernt worden. Anders ließ sich der unter­schied­liche Ver­wit­te­rungsgrad nicht erklären. Da die ersten Repa­ra­turen die Hand­schrift des Alten Reiches tragen und es mit an Sicherheit gren­zender Wahr­schein­lichkeit Che­phren war, der den Sphinx restau­rieren ließ, kann man behaupten, daß dieser Teil des Grabens nicht später als zu Zeiten Che­phrens ent­fernt worden sei, also vor etwa 4500 Jahren. Wenn der Felsen in 4500 Jahren ungefähr 1,2 Meter ver­wittert war, bedeutete das, daß die tie­fer­ge­hende Ver­wit­terung der Seiten ent­spre­chend länger gedauert hatte.

Diese Ergeb­nisse unter­mauern Schochs geo­lo­gische Dia­gnose. Nun konnte er von einem sehr vor­sichtig geschätzten Datum von spä­testens 5000 bis 7000 v. Chr. aus­gehen. „Spä­testens“ muß hier her­vor­ge­hoben werden, da Erosion keine lineare Erscheinung ist. Mit fort­schrei­tender Ver­wit­terung ver­langsamt sich der Prozeß. (Außerdem spricht einiges dafür, daß Che­phren nicht der erste Restau­rator des Sphinx war.)

In diesem Punkt sind Schoch und ich geteilter Meinung, wir inter­pre­tieren die­selben Daten unter­schiedlich. Schoch ver­tritt den kon­ser­va­tivsten Stand­punkt, der auf­grund der Daten über­haupt möglich ist. In den ver­gan­genen Jahr­zehnten haben sich viele Anschau­ungen in der Archäo­logie gewandelt. Wir haben heute ein ganz anderes Bild vom Niveau der alten Zivi­li­sa­tionen, die ihre Blüte zwi­schen 10000 und 3000 v. Chr. hatten, als die Kul­turen in Ägypten und Meso­po­tamien ent­standen. Das Jericho von vor 8000 Jahren hatte bereits starke Steinr­nauern; Çatal Hüyük in Ana­tolien besaß eine voll­ent­wi­ckelte Stadtkultur.

Auch das Bild der neustein­zeit­lichen Jäger und Sammler dieser Periode wurde revi­diert. Schoch hält es für möglich, daß der Sphinx von einer ägyp­ti­schen Ent­spre­chung dieser Kul­turen her­vor­ge­bracht wurde. Die Sahara war zu jener Zeit zwar schon als Wüste vor­handen, aber noch nicht so trocken wie zu den Zeiten des dynas­ti­schen Ägyptens, und es kam während dieser Jahr­tau­sende zu hohen Nie­der­schlägen. Schoch hält es für möglich, daß es diese Regen­fälle waren, die die Erosion des Sphinx verursachten.

Ich bin jedoch nach wie vor über­zeugt, daß der Sphinx noch vor dem Ende der letzten Eiszeit gebaut worden war. Die am Sphinx und den angren­zenden Tempeln ver­wendete Technik ist allem über­legen, was in Catal Hüyük oder Jericho zu sehen ist. Hätte das Alte Ägypten über diese Technik verfügt, würden wir sie überall in der alten Welt finden. Die gra­vie­rende regen­be­dingte Ver­wit­terung und die Tat­sache, daß wir — wie unsere Gegner nicht müde werden zu wie­der­holen — aus der Sphinxära keine wei­teren Über­reste haben, lassen es mir plau­sibler erscheinen, von dem aus­zu­gehen, was nicht ins alte Bild paßt. (Die feh­lenden Zeug­nisse liegen viel­leicht tiefer ver­schüttet oder an bisher noch nicht erforschten Stellen: etwa unter den Ufern des alten Nils, der etliche Kilo­meter vom heu­tigen Flußbett ent­fernt verlief, oder viel­leicht sogar auf dem Boden des Mit­tel­meers, das während der letzten Eiszeit tro­ckenlag.) Wäre der Sphinx nur 5000 bis 7000 Jahre jung, hätten wir wahr­scheinlich weitere Über­reste der Kultur, die den Sphinx schuf. Unsere Frage wird sich nur durch weitere Nach­for­schungen lösen lassen.

Wir reichten eine Zusam­men­fassung unserer Arbeit bei der Geo­lo­gical Society of America (GSA) ein, und man machte uns den Vor­schlag, daß wir unsere Ergeb­nisse auf der GSA-Kon­ferenz im Oktober 1992 in San Diego prä­sen­tieren sollten. Geo­logen aus aller Welt zeigten Interesse für unsere Schau­tafeln, Fach­leute waren mit ihrem Rat zur Stelle. Ange­sichts der von uns vor­ge­legten Tat­sachen konnten einige Geo­logen nur ungläubig den Kopf schütteln, als sie erfuhren, daß während zwei­hundert Jahren For­schung kein Ägyp­tologe oder Geologe das, was so offen­kundig am Sphinx war, bemerkt hatte: nämlich die Wassererosion.

Wir hatten uns seit der Unter­su­chung im April, als Schoch unsere Theorie für geo­lo­gisch ein­wandfrei erklärte, eine Stra­tegie zurecht­gelegt. Wir wollten mit unserer Geschichte an die Öffent­lichkeit, ohne uns direkt an die Presse wenden zu müssen. Die ein­fluß­reiche ägyp­tische Wochen­zeitung Akhbar el Yom publi­zierte zwar die erwar­tungs­gemäß ableh­nenden Kri­tiken bekannter Ägyp­to­logen, stellte aber unsere geo­lo­gische Argu­men­tation korrekt dar. Wir sahen darin anfangs ein gutes Omen, wurden aber enttäuscht.

Mimi Mann, archäo­lo­gische Kor­re­spon­dentin in Kairo, stellte uns in einem Rund­funk­kom­mentar als eine Gruppe durch­ge­knallter Atlan­tis­jäger dar (obwohl wir es in dem drei­stün­digen Interview tun­lichst ver­mieden hatten, das inkri­mi­nie­rende Wort „Atlantis“ in den Mund zu nehmen). Zahi Hawass, Director of Anti­quities of the Giza Plateau and Sakkara, unser schärfster Gegner, machte unser Projekt lächerlich. „Ame­ri­ka­nische Hal­lu­zi­na­tionen! West ist ein Amateur. Was er behauptet, ent­behrt jeder wis­sen­schaft­lichen Grundlage. Wir haben in der­selben Gegend ältere Monu­mente. Sie wurden mit Sicherheit nicht von Men­schen aus dem Weltraum oder aus Atlantis erbaut. Das ist Unsinn, und wir werden es nicht dulden, daß jemand noch Geld damit ver­dient, indem er Quatsch über unsere Kul­tur­denk­mäler über­liefert. Der Sphinx ist die Seele Ägyptens.“ Weitere ableh­nende Auto­ri­täten kamen aus­führlich zu Wort. Schochs geo­lo­gische Erkennt­nisse wurden in zwei Zeilen abgehandelt.

Doch die Reaktion auf der GSA-Kon­ferenz war besser durch­dacht. Nachdem die Jour­na­listen unsere Prä­sen­tation gesehen hatten, wollten sie Reak­tionen der Ägyp­to­logen hören. „Das kann unmöglich stimmen. Die in der Region lebenden Men­schen hätten weder die tech­ni­schen Vor­aus­set­zungen gehabt noch eine Führung, noch über­haupt den Willen, ein solches Bauwerk Tau­sende von Jahren vor der Herr­schaft Che­phrens zu errichten“, sagte Carol Red­mount, Archäo­login der Uni­ver­sität Ber­keley; unsere Schluß­fol­ge­rungen wider­sprächen „allem, was wir von Ägypten wissen“ (Los Angeles Times, 23.10.1991).

Lächerlich“, sagte Peter Lecovara, Assistent des Kurators der ägyp­ti­schen Abteilung im Bos­toner Museum of Fine Arts (Boston Globe, 23.10.1991). „Seit Jahr­hun­derten beschäf­tigen sich Tau­sende von Gelehrten mit diesem Thema. Die Chro­no­logie steht so ziemlich fest. Es gibt keine großen Über­ra­schungen mehr.“ Kon­fron­tiert mit Galileis Beweis für ein helio­zen­tri­sches System, hatten die pto­le­mäi­schen Astro­nomen einst ähn­liche Ein­wände erhoben. Von den Dut­zenden von Experten, die zu Wort kamen, stellten nur Lanny Bell von der Uni­ver­sität Chicago und John Baines von Oxford fest, daß die Frage nach Alter und Erbauer des Sphinx durch die Geo­logie eine neue Dimension gewonnen habe. Keiner von beiden ging jedoch auf unsere Schluß­fol­ge­rungen ein.

Zum Glück folgte die Presse nicht ihrem Bei­spiel. Kaum war die GSA-Kon­ferenz vorbei, erschienen in vielen Zei­tungen in aller Welt längere Artikel. Im ame­ri­ka­ni­schen Fern­sehen (CNN) und im Radio war von unserer Arbeit die Rede. Die Hälfte der Strecke war geschafft, nun bewegten wir uns auf die Ziel­gerade zu.

Dann mußten wir uns aber mit der angeb­lichen Ähn­lichkeit von Sphinx und Che­phren befassen. Bild­hauer, Maler und Foto­grafen, für die ich häufig als Rei­se­leiter in Ägypten tätig war, hatten kaum Ähn­lich­keiten zwi­schen beiden fest­ge­stellt. Doch in einem Artikel der Zeit­schrift National Geo­graphic (April 1991) hatte Mark Lehner am Com­puter „bewiesen“, daß das zer­störte Gesicht des Sphinx und das des Che­phren ein und das­selbe waren. Lehner war zu diesem Schluß gekommen, indem er das Gesicht des Che­phren als Modell benutzte. Ein Com­puter tut natürlich das, was man von ihm will. Mit dem­selben Ver­fahren hätte man ebenso „beweisen“ können, daß der Sphinx eigentlich Elvis Presley darstelle.

Die New York Times prä­sen­tierte Lehners Rekon­struktion in einem sechs­spal­tigen Artikel, ebenso unkri­tisch wie auch der renom­mierte bri­tische New Sci­entist. Wer nimmt schon in unserem vom Tech­no­lo­giewahn beses­senen Zeit­alter die Meinung von Bild­hauern und Künstlern ernst? Falsch­in­for­ma­tionen sind Infor­ma­tionen, zumindest solange, bis sie als solche und ent­larvt sind. Nun lag es an uns, den Nachweis zu erbringen, daß hier wis­sen­schaft­licher Miß­brauch getrieben wurde. Ange­nommen, unser Fall würde vor Gericht ver­handelt. Wessen Meinung würde vor Gericht gegen Lehners Com­puter bestand genhei haben?

Doch nur die der Polizei. Boris Said, unser Pro­jekt­leiter, hatte die Idee, das Problem einem Gerichts­zeichner vor­zu­legen, zu dessen Auf­gaben es gehört, Gesichter zu rekon­stru­ieren. Nach einer Reihe von Tele­fo­naten waren wir mit Frank Domingo von der New Yorker Polizei ver­bunden. Domingo erklärte sich bereit, an unserer nächsten Reise nach Ägypten teil­zu­nehmen, um genaue Foto­grafien zu machen und die Che­phren­statue und den Sphinx zu vermessen.

Monate später bestä­tigte Domingo unsere These in seinem Bericht: „Nachdem ich meine Zeich­nungen, sche­ma­ti­schen Dar­stel­lungen und Ver­mes­sungs­er­geb­nisse ver­glichen habe, bestä­tigen die Ergeb­nisse meinen ersten Ein­druck, daß nämlich die beiden Monu­mente zwei ver­schiedene Indi­viduen dar­stellen. Die unter­schied­lichen Pro­por­tionen in der Fron­tal­an­sicht und ins­be­sondere die Win­kel­ver­hält­nisse der mar­kanten Gesichts­partien über­zeugen mich, daß der Sphinx nicht Che­phren dar­stellt. Wenn es stimmt, daß die Alten Ägypter geschickte Hand­werker und in der Lage waren, Kopien anzu­fer­tigen, dann stellen diese beiden Werke nicht den­selben Men­schen dar.“

Das Gesicht des Sphinx war nie das Gesicht des Che­phren gewesen. Wessen Gesicht der Sphinx trägt, ist damit wieder eine unge­löste Frage. (Noch hat der Sphinx einige Rätsel für uns parat.) Che­phren hat den Sphinx nicht in Stein meißeln lassen. Schwaller de Lubiczs bei­läufige Beob­achtung ist nun geo­lo­gisch unter­mauert. Der Sphinx ist wesentlich älter als das dynas­tische Ägypten. Wie alt der Sphinx tat­sächlich ist, muß erst noch bestimmt werden.

Mit der Ent­wicklung neuer Tech­niken wird es möglich sein, die Aus­wir­kungen der kos­mi­schen Strahlung auf die Iso­topen des Gesteins zu messen. Diese Daten erlauben eine Ermittlung des Zeit­punkts, wann der Fels geschnitten und der Atmo­sphäre aus­ge­setzt wurde. Das sollte uns eine wis­sen­schaftlich haltbare Datierung für die Ent­stehung des Sphinx ermög­lichen. In der Zwi­schenzeit wird unser Team mit seis­mo­gra­phi­schen und anderen Hilfs­mitteln, viel­leicht auch mit Radar, nach wei­teren Beweisen für die unter­ge­gangene Kultur suchen, die den Sphinx und seine Tem­pel­anlage erbaut hat.

Meine (mitt­ler­weile durch Erkennt­nisse erhärtete) Intuition sagt mir, daß der Ursprung des Sphinx — wenn es uns denn schließlich gelingen wird, ihn zu datieren — soweit in der Ver­gan­genheit zurück­liegt, daß wir aus dem Staunen nicht wieder her­aus­kommen werden.


Quelle: atlantisforschung.de