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Groß­versuch für ein Jahr — Hartz IV-Sank­tionen größ­ten­teils ausgesetzt

Bisher waren die Regeln teil­weise dras­tisch: Wer als Hartz IV-Bezieher einen Job oder eine „zumutbare Beschäf­ti­gungs­maß­nahme“ ablehnte, dem wurden 30 Prozent vom Regelsatz gekürzt. Da Hartz IV sowieso nicht gerade das „Rundum-Sorglos-Paket“ ist, keine zu ver­nach­läs­si­gende Größe. Am letzten Don­nerstag ver­ab­schiedete der Bun­destag mit den Stimmen der Ampel­ko­alition eine Änderung des Sozi­al­ge­setz­buches. Für ein Jahr soll diese Bestimmung deutlich gemildert werden und auf 10 Prozent Kürzung redu­ziert. Das ist eine wichtige, aber nicht die einzige Erleich­terung. Protest kam aus den Reihen der Abge­ord­neten von AfD und CDU.

Und auch diese Strafe gibt es im Zeitraum bis Mitte nächsten Jahres nur noch bei „außer­ge­wöhn­lichen Mel­de­ver­säum­nissen“. Und wer sich weigert, einen Job anzu­nehmen, wird nicht mehr sank­tio­niert. Die AfD und die Union sind erbost, dem Pari­tä­ti­schen Wohl­fahrts­verband ist es nicht genug. Diese Reform sei „halb­herzig und inkon­se­quent“, empörte man sich dorten. Und schmet­terte die gut klin­gende Parole in die Medien „Sozi­al­recht ist kein Straf­recht“. Sozi­al­recht ist aber auch keine Wun­dertüte, und es ist schon ein Unter­schied, ob man „weniger bekommt“ oder wegen eines Ver­bre­chens oder Ver­gehens eine Geld­strafe bezahlen oder hinter Gitter muss.

Der Haupt­ge­schäfts­führer des Pari­tä­ti­schen Gesamt­ver­bandes, Ulrich Schneider, sagte zu den weiter bestehenden Sank­tionen: “Diese Art von Rohr­stock­päd­agogik ist inhuman und weder zeit­gemäß noch zielführend.”

Mitte nächsten Jahres werden Nutzen und Schaden dieser Reform wohl aus­ge­wertet werden. Dann wird sich ja zeigen, ob die Hartzer, wie AfD und CDU warnen, diese Erleich­te­rungen auch gna­denlos aus­nutzen und mas­senhaft einfach gar nicht mehr im Job­center (ehemals Arbeitsamt) erscheinen. Oder, auch wenn sie erscheinen, die ihnen ange­bo­tenen Jobs alle ablehnen. Aller­dings wird diese Änderung, selbst wenn sie sich als sinnvoll erweisen sollte, im Sommer 2023 wieder ein­kas­siert. Denn dann soll es das „Bür­gergeld“ geben, und die Karten liegen wieder alle auf dem Tisch.

Die Aktion soll eine Vor­stufe zum „Bür­gergeld“ sein, das 2023 Hartz IV ersetzen soll. Ob das Paket damit nur einen neuen, schön­k­lin­genden Namen erhält, im Prinzip aber kaum anders als Hartz IV ist, weiß noch niemand. Schon bei der Höhe des neuen Bür­ger­geldes geht es ums Ein­ge­machte. Die SPD-Par­tei­chefin Saskia Esken will eine wesentlich höhere Grund­si­cherung durch­setzen: „Das neue Bür­gergeld muss aus­kömmlich sein, das ist klar“, stellte sie in den Raum. Man müsse sich an den ver­än­derten Lebens­rea­li­täten ori­en­tieren, sagt sie  —  zu Recht, denn die davon­gal­lo­pie­renden Preise an fast allen Fronten sind mit Hartz IV bald gar nicht mehr zu stemmen. Die SPD steht hier aber gegen die Grünen und die FDP, die nicht gern die Spen­dier­hosen anziehen möchten.

Viele wittern im „Bür­gergeld“ die Vor­stufe zum UBI, dem „Uni­versal Basis Income“, zu Deutsch ein „bedin­gungs­loses Grund­ein­kommen“. Das ist beim Bür­gergeld – zumindest anfangs — nicht beab­sichtigt. Auch das Bür­gergeld soll sich nach der Bedürf­tigkeit richten. Wie hoch es aus­fallen wird, ist Verhandlungssache.

Das „Bedin­gungslose Grund­ein­kommen“ oder UBI, eines der Schlag­worte aus der Eli­ten­gruppe des WEF um Klaus Schwab, taucht nicht nur in dessen Buch „Covid-19 — der große Umbruch“ auf. Sondern ist auch Gegen­stand eines Gut­achtens des Wis­sen­schaft­lichen Bei­rates beim Bun­des­mi­nis­terium der Finanzen. Das Gut­achten ist hier ein­sehbar und wurde am 21. Juli 2021 veröffentlicht.

Also, so weit weg ist der Ver­dacht nicht, dass wir auf dem Weg zum uni­ver­sellen Grund­ein­kommen sind, das aller­dings später wahr­scheinlich auch gekürzt oder ent­zogen werden kann, wenn die Sozi­al­punk­te­bilanz nicht so richtig stimmt.