Schwarze Kin­der­bi­bliothek — Ras­sismus von Linksaußen?

Wenn man lange genug immer wieder weiter links abbiegt, kommt man irgendwann voll­kommen vom Weg und Ziel ab. So scheint es den ganzen woken Gen­der­leuten und Anti­ras­sisten zu gehen, die überall „Rechts­extreme“ und „Ras­sisten“ wittern und damit eigentlich genau das erreichen, was sie doch eigentlich bekämpfen wollten. Ein Bericht aus Deutschland, dem Land des gut­mei­nenden Wahn­sinns, lässt grübeln, was eigentlich „Ras­sismus“ ist.

Eine kleine Geschichte aus eigener Erfahrung: Wir haben hier in unserem win­zigen Dorf einen Buben, der aus der ersten Ehe seiner Mutter mit einem Schwarz­ame­ri­kaner stammt. Was man auch sieht. Der Junge wuchs hier ganz frei auf und wurde nir­gends schief ange­sehen oder dumm ange­redet, empfand sich nie als Außen­seiter. Er guckte alle Filme mit seinen Kumpels, er bolzte Fußball mit den anderen auf der Wiese und war, wie alle Jungs im Teen­ager­alter, auch eine Weile sehr schwierig, in der Schule stinkfaul und machte das, was alle seine Alters­ge­nossen tun: Pro­bleme aus Übermut, den Mädels nach­pfeifen, ohne Füh­rer­schein Moped fahren und den Eltern und Lehrern sattsam auf die Nerven gehen. Seine Eltern machten das, was alle Eltern machen: Sich sorgen.

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Da ich das von meinem Sohn in dem Alter kannte, hab ich den Eltern gesagt, sie sollen nicht dauernd an ihm her­um­me­ckern und mit ihren Erwar­tungen und Sorgen den Jungen in die Defensive drängen. Sie sollen ihn für gute Dinge, die er tut, loben. Sie sollen ihm sagen, dass sie stolz auf seine Hilfs­be­reit­schaft und Gut­her­zigkeit sind. Das löst sich bald alles in Wohl­ge­fallen auf, weil der Bub aus gutem Holz geschnitzt ist. Und ihm hab ich gesagt, dass ich weiß, dass aus ihm ein guter Mann werden wird. Er soll’s nur nicht über­treiben mit seinen wilden Jahren.

Nun, er ist ein guter Mann geworden, ein hüb­scher Kerl, macht seine Lehre als KFZ-Mecha­niker fertig (das heißt heute KFZ-Mecha­tro­niker), und er wird sicher bald eine nette Frau finden. Alles ist bestens, zurzeit trägt er abends als Neben­erwerb noch Pizza aus für Luigis Piz­zeria. Dass seine Haut dunkel ist, inter­es­siert hier kein Schwein. Es ist einfach kein Thema. Niemand macht irgendein Gewese draus.

Käme nun so ein Gut­mensch­be­flis­sener, der ihm ständig mit irgend­einem Ras­sis­mus­thema in den Ohren läge, was er alles übel nehmen muss, wann und wo er mal wieder dis­kri­mi­niert wird, würde ihm das nur auf den Keks gehen. Ja, es gibt Ras­sismus, den hat er auch schon erlebt. Da er aber einer von uns hier im Dorf ist, ficht ihn das nicht an.

Gegen echten Ras­sismus kann man auch klug und ein­fühlsam angehen, aber kon­struktiv und inte­grativ anstatt die Außen­seiter- und Opfer­rolle noch ver­stärken, wie das in Bremen gemacht wird: Da hat eine „schwarze Kin­der­bi­bliothek“ auf­ge­macht. Nein, das sind keine Gothic-Fans die nur schwarz ein­ge­bun­dende Bücher in matt­schwarz gestri­chenen Räumen auf schwarzen Tep­pich­böden anbieten. Es ist eine Bibliothek, die aus­schließlich Bücher ver­leiht, in denen schwarze Kinder die Helden sind. Natürlich kann man das auch haben, warum auch nicht?

Eines meiner abso­luten Lieb­lings­bücher war als Kind das Buch von James Vance Mar­shall, „The Children“. Es kam 1959 heraus und handelt von dem Geschwis­terpaar Mary und Peter, das im aus­tra­li­schen Outback, fern jeder Zivi­li­sation, nach einem Flug­zeug­ab­sturz allein in der Wildnis steht. Ver­loren und ori­en­tie­rungslos wären die beiden ver­durstet und ver­hungert, wenn ihnen nicht zufällig ein Abori­ginee-Junge begegnet wäre. Der schwarze Junge begreift schnell, dass er seine rituelle Reise, das soge­nannte „Wal­karound“ auf den Traum­pfaden unter­brechen muss, um sich um die beiden hilf­losen weißen Kinder zu kümmern. Die Kinder betrachten den nackten, dun­kel­häu­tigen Buben mit Befremden. Nackt her­um­zu­laufen ist für sie undenkbar.

Der „Bushboy“ führt sie zu einer Was­ser­stelle und zeigt ihnen, wie sie Nahrung finden und Feuer machen. Die weißen Kinder ver­stehen, dass sie auf den schwarzen Jungen ange­wiesen sind und sie ver­stehen auch schnell, dass er weiß, wie man in dieser lebens­feind­lichen Umwelt leben kann, dass er viele Fähig­keiten und Kennt­nisse besitzt, die ihnen fehlen – und ohne die sie nicht über­leben werden. Sie finden Wege zur Ver­stän­digung und lernen sehr schnell sehr viel von dem Jungen.

Leider stecken die weißen Kinder den „Busch-Jungen“ mit einer Erkältung an: Eine für sie harmlose Erkrankung, die sie gar nicht bemerken, an der der Busch-Junge aber ver­stirbt, weil seine Leute diese Erreger nicht kennen. Er weiß das in voller Klarheit, er spürt seinen Tod kommen. Vorher zeigt er den beiden weißen Kindern aber, wie sie mit seinem Leichnam ver­fahren müssen, damit die Tiere ihn nicht fressen und er gemäß der Tra­dition auf die andere Seite wechseln kann. Die beiden weißen Kinder sind bekümmert und traurig. Sie folgen genau seinen Anwei­sungen als eine letzte Geste ihrer großen Dank­barkeit. Anschließend machen sie sich auf­grund seiner guten Beschreibung auf den Weg in das Tal, wo sie tat­sächlich Wasser und Nahrung im Über­fluss finden. Als nach einer ganzen Zeit Abori­ginees in das Tal kommen und die Kinder ent­decken, leben beide dort mitt­ler­weile ganz nackt und so, wie der indigene Junge sie das gelehrt hatte. Sie kennen die ess­baren Pflanzen, fangen Fische und erlegen kleinere Tiere.

Dank der Abori­ginee-Gruppe kommen sie auch zurück in die Welt der weißen „Zivi­li­sation“ der euro­päi­schen Ein­wan­derer in Aus­tralien. Am Ende schimmert indirekt durch, dass die Geschwister die weiße Zivi­li­sation jetzt mit anderen Augen sehen als vorher. Sie haben gefühlt und ver­standen, dass das, was wir „Zivi­li­sation“ nennen, nur eine dünne, schöne Lack­schicht ist, auf die wir zwar stolz sind, die aber sehr schnell abblättert, wenn die fra­gilen Struk­turen der Zivi­li­sation nicht mehr greifen. Sie haben auch ken­nen­ge­lernt, wie die Abori­ginees denken und fühlen und wie tief ihre Seelen mit ihrem Land ver­bunden sind. Ein sehr beein­dru­ckendes Buch, das ohne große Worte und erho­benen Zei­ge­finger eine völlig neue Sicht auf die Men­schen als Natur­wesen, als Zivi­li­sa­tions-Wesen und die Iden­tität der Völker eröffnet.

Der Held der Geschichte ist der schwarze, „wilde Bushboy“, der in Abwägung seiner mora­li­schen Pflichten — die bedürf­tigen weißen Kindern zu retten oder seine Mission, den Wal­karound auf den Traum­pfaden ohne Kontakt zu anderen Men­schen zu voll­enden – sich für den Abbruch des Wal­karound und die Rettung der Kinder ent­scheidet, auch wenn es sein Leben kostet. Das wäre ein gutes Buch für Kinder aller Hautfarben.

Diese unbe­wusste Über­heb­lichkeit, die viele Gut­men­schen hier glauben lässt, sie müssten die Nicht-Weißen ans Händchen nehmen und ihnen helfen, mit dem Leben zurecht­zu­kommen, ist eine andere Spielart von (gut gemeintem) Ras­sismus. Got news for you, folks: Diese Leute sind meistens über­le­bens­fä­higer als ihr. Manche davon riechen zehn Meter gegen den Wind, wen sie wie benutzen können und aus wessen Hel­fer­syndrom sie welche Vor­teile gewinnen können. Das ist nicht unbe­dingt böse gemeint. Es ist eine Über­le­bens­technik. Und wer sich als gön­ner­hafter, enga­gierter Gut­mensch geriert, wird auch für alles her­an­ge­zogen und in die Pflicht genommen.

Der Helfer zieht ja auch immer eine Trenn­linie zwi­schen “Du hilf­loses, unter­le­genes Opfer dort“ und „ich edler, über­le­gener Retter hier“, auch wenn er das vehement abstreiten würde. Es gibt genug Flücht­lings­be­treuer, die irgendwann nicht mehr können. Oder die bemerken, dass sie das Gegen­stück ihres Hel­fer­syn­droms getroffen haben, nämlich den betreu­ungs­be­dürf­tigen Vampir, der den Helfer bis zum Burnout beansprucht.

Die erwähnte schwarze Kin­der­bi­bliothek in Bremen sei ent­standen, weil sich die schwarzen und afro-deut­schen Kinder in den Schul­bü­chern nicht aus­rei­chend reprä­sen­tiert fühlen, meinen die Initia­toren der „schwarzen Kin­der­bi­bliothek“. Und die Initia­toren  erläutern: „Ras­sismus beginnt nicht, wenn ein Mensch ange­griffen wird, sondern bereits in Bildung und allen wei­teren gesell­schaft­lichen Bereichen“.

Und natürlich geht es um Selbst­er­mäch­tigung, Inspi­ration und „Empowerment“. Es gibt Work­shops für Familien in schwarzer Kin­der­li­te­ratur. Mit anderen Worten: Hier wird den Kindern erst recht ein­ge­bläut und begreiflich gemacht: Du gehörst hier nicht hin. Deine Haut­farbe ist der Grund dafür. Nur hier, unter Dei­nes­gleichen, da geht es Dir gut, da bist Du auf­ge­hoben und sicher.

In der „schwarzen Kin­der­bi­bliothek“ gibt es aber auch Bücher über Anti­se­mi­tismus, anti­mus­li­mi­schen Ras­sismus und über die Schönheit der Diver­sität. Spä­testens damit ist klar, woher der Wind weht. Was sollen Kinder mit Anti­se­mi­tismus anfangen? Sie wissen doch gar nicht, um welche Leute es sich da handelt. Warum muss man ihnen über­haupt den Gedanken ins Hirn inji­zieren, dass jüdische Men­schen irgendwie so etwas ganz anderes sind und es Leute gibt, die sie über­haupt nicht mögen? Alles, was im Kin­der­köpfchen ste­cken­bleibt ist, dass Juden irgendwie ganz komische Leute sind und dass man sehr auf­passen muss mit ihnen (!?!) … und die Kinder werden nicht mehr unbe­fangen sein. Tolle Leistung.

Selma Green, die sich selbst als Farbige bezeichnet, hat eine sehr per­sön­liche, herz­er­fri­schende  Stel­lung­nahme zu der schwarzen Kin­der­bi­bliothek geschrieben. Unver­krampft, selbst­be­wusst, reflek­tiert und frei. Ich könnte sie knuddeln:

„Laut Sheeko Ismail, einer der Initia­toren der Bibliothek, soll außerdem Wissen darüber ver­mittelt werden, wie viel­fältig Schwarzes Leben in Deutschland ist. Und trotz des „viel­fäl­tigen Schwarzen Lebens” stehen in der Bibliothek gerade mal etwas weniger als 100 Bücher, von denen viele auf Eng­lisch sind. Neben der Tat­sache, dass die wenigsten Kin­der­garten- und Grund­schul­kinder Eng­lisch ver­stehen, stellt sich mir da wirklich die Frage: Welches Kind sollte sich für so eine Bibliothek inter­es­sieren? Ich selbst bin durch meine nige­ria­ni­schen Wurzeln gut gebräunt. Und als Kleinkind war mir meine Haut­farbe völlig schnurz. Mein Aus­sehen hat mir nie irgend­welche Schwie­rig­keiten bereitet, eben weil die Haut­farbe bei Kindern schlicht keine Rolle spielt. (…) Ich war eher stolz darauf, dass ich anders aussehe – wenn ich es nicht grade ver­gessen habe. Für mich war es das nor­malste der Welt, dass alle um mich herum weiß sind und es war deshalb auch normal, Bücher mit weißen Figuren zu lesen.“

Selma Green legt auch ziel­genau den Finger in die Wunde: 

„Die Idee eine Bibliothek zu eröffnen, die extra für Schwarze ist, ist nicht nur völlig absurd, sie ist ras­sis­tisch – ein Hirn­ge­spinst der Linken. Ich meine: Wer ist es denn, der die Haut­farbe in jeder Situation zum Thema macht? Schwarze werden von Linken nur wegen ihrer Haut­farbe behandelt, als wären sie unfähig. Jeder der nicht weiß ist, ist nach den selbst­er­nannten Moral­aposteln auto­ma­tisch ein Opfer von Ras­sismus und müsse deshalb besonders behandelt werden. Jemanden wegen seiner Haut­farbe anders zu behandeln, ist doch aber die Defi­nition von Ras­sismus. Warum in aller Welt sollte ich wegen meiner Haut­farbe kein Selbst­ver­trauen haben? Warum sollte ich wegen meiner Haut­farbe eine eigene Bibliothek brauchen? Ich bin viel­leicht farbig, aber des­wegen noch lange kein Opfer. (…) Man redet schwarzen Kindern ein, sie bräuchten unbe­dingt Bücher, die auf ihre Haut­farbe zutreffen. Wenn man mir damals erzählt hätte, ich sollte wegen meiner Haut­farbe andere Bücher lesen, wäre ich tod­traurig gewesen – ich hätte mich aus­ge­grenzt gefühlt. Also: Wo bleibt die sonst an jeder Stelle pro­pa­gierte Vielfalt und Anti­dis­kri­mi­nierung?“ 

Liebe Selma Green: Treffer. Versenkt.

Danke.