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Organ­trans­plan­tation: 186.000 Euro pro gehan­deltem Organ – Die [fast] kom­plette Rechnung für Krankenversicherte

Worüber man nicht gerne spricht.

Aufrufe, Organe zu spenden, gibt es zuhauf.
Hin­weise auf die Risiken, die sich mit Organ­spende ver­binden, eher selten.
Auf­klärung darüber, welche Kosten eine Organ­trans­plan­tation mit sich bringt, so gut wie gar nicht.

Der Grund dafür ist einfach:
Organ­spende, Organ­handel ist der mit Abstand bessere Begriff, ist ein lukra­tives Geschäft für die Ärzte, die daran beteiligt sind, die Kran­ken­häuser, die den Organ­transfer durch­führen und für alle, die sich in der Öffent­lichkeit als besonders um die Gesundheit “der Men­schen” besorgt zeigen, die auf ein Spen­der­organ ange­wiesen sind oder sein sollen, aber dazu kommen wir gleich.

Gestern haben wir uns um die Ange­bots­seite des Organ­handels gekümmert, um die Bereit­stellung von Organen, die in Deutschland voll­ständig über die Deutsche Stiftung Organ­trans­plan­tation (DSO) abge­wi­ckelt wird. Die Bereit­stellung eines Spen­der­organs kostet im Jahr 2023 im Durch­schnitt 42.938,29 Euro, 73% dieser Kosten ent­fallen auf irgendeine Art von Ver­wal­tungs­tä­tigkeit. Wenn Sie die Kosten der Ange­bots­seite nach­lesen wollen, dann können Sie das hier im Detail tun.

In diesem Post geht es um die Nach­fra­ge­seite, um die Kosten, die dafür ent­stehen, dass ein bereit­ge­stelltes Organ in einen neuen Orga­nismus ein­ge­bracht wird und dort hof­fentlich für die nächsten Wochen und Monate einen Ver­bleib gefunden hat (mehr dazu im Text, der im Anschluss an diesen Post ver­linkt ist).

Diese Kosten fallen ZUSÄTZLICH zu den Bereit­stel­lungs­kosten an. Und sie unter­scheiden sich in ihrer Höhe je nachdem, welches Organ trans­plan­tiert wird, wie auf­wendig die Trans­plan­tation im Vorfeld und Nachgang, wie intensiv die Behandlung, die dazu not­wendig ist, ausfällt.

Viel­leicht liegt es in der Natur der Sache, dass man keine kon­kreten Kosten bei Ver­si­cherern für die Durch­führung einer Trans­plan­tation jen­seits der Bemerkung, dass es mehr als 100.000 Euro werden KÖNNEN, findet. Indes, die Abrechnung von Kran­ken­haus­leis­tungen ist in Deutschland ein sehr sche­ma­ti­sches Vor­gehen, das man auf­grund des “Fall­pau­schalen-Katalogs gemäß § 17b Absatz 1 Satz 4 des Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rungs­ge­setzes Katalog ergän­zender Zusatz­ent­gelte gemäß § 17b Absatz 1 Satz 7 des Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rungs­ge­setzes, Pfle­ge­er­lös­ka­talog gemäß § 17b Absatz 4 Satz 5 des Kran­ken­haus­fi­nan­zie­rungs­ge­setzes” nach­voll­ziehen kann, wenn man sich nicht von dem Aberwitz von Über­schrift abschrecken lässt.

Die Kosten, die ein Kran­kenhaus abrechnen kann, werden für spe­zi­fische Behand­lungen im DRG-Katalog bestimmt, DRG steht für Dia­gnostic Related Groups. Für die Trans­plan­tation einer Leber, einer Milz oder einer Lunge finden sich im neu­esten “Katalog” z.B. die fol­genden Abrechnungsmodalitäten:

Für uns relevant sind die “Bewer­tungs­re­lation bei Haupt­ab­teilung” und die “Pfle­ge­be­wer­tungs­re­lation pro Tag”. Mit ers­terer soll die medi­zi­nische Leistung, die bei einer Trans­plan­tation erbracht werden muss, abge­golten werden, mit Letz­terer der pfle­ge­rische und ver­wal­tungs­tech­nische Aufwand, also:

  • Per­so­nal­kosten = Ärzt­licher Dienst, Pfle­ge­dienst, medi­zi­nisch-tech­ni­scher Dienst
  • Sach­mittel = Arz­nei­mittel, Implantate, sons­tiger medi­zi­ni­scher Sachbedarf
  • Infra­struk­tur­kosten = medi­zi­nische und nicht medi­zi­nische Infrastruktur

Für eine Leber­trans­plan­tation, die eine Beatmung von mehr als 179 Stunden erfor­derlich macht oder bei der der Dünndarm gleich mit trans­plan­tiert wird, beträgt die “Bewer­tungs­re­lation bei Haupt­ab­teilung” 20,353 und die “Pfle­ge­be­wer­tungs­re­lation pro Tag” 3,1626. Offen­kundig handelt es sich bei dieser Relation, um einen Faktor, der den Aufwand für eine bestimmte Behandlung, hier einer Leber­trans­plan­tation, abgleichen soll, einen Faktor, der mit einer Basiszahl mul­ti­pli­ziert wird, in diesem Fall dem Bun­des­ba­sis­fallwert (bzw. dem jewei­ligen Lan­des­ba­sis­fallwert), der im Jahre 2023 den Wert von 4.000,71 Euro ange­nommen hat, als bis­he­riges Ende einer steilen Kostensteigerung:

Für unsere Bei­spiels­rechnung bedeutet dies, dass ein Kran­kenhaus für die Durch­führung einer Leber­trans­plan­tation plus Beatmung von mehr als 179 Stunden oder Trans­plan­tation des Dünndarms

  • 20,353 * 4000,71 = 81.426,45 Euro abrechnen kann und für Kosten für Per­sonal, Sach­mittel und Ver­waltung weitere
  • 3,1626 * 4000,71 = 12.652,64 Euro hin­zu­ad­dieren kann (wobei, wie man der Tabelle ent­nehmen kann, diese Kosten auf einer durch­schnitt­lichen Ver­weil­dauer von 53,8 Tagen basiern).

Im Durch­schnitt fallen für die Trans­plan­tation einer Leber somit Grund­kosten (ohne Zuschläge) in Höhe von 94.079,09 Euro an.

Im Jahre 2010 wäre die­selbe Ope­ration noch erheblich bil­liger gewesen, wie man anhand des “Katalog der Inves­ti­ti­ons­be­wer­tungs­re­la­tionen Teil a) Bewer­tungs­re­la­tionen bei voll­sta­tio­närer Ver­sorgung” für 2010 nach­voll­ziehen kann. Die Bewer­tungs­re­lation pro Fall betrug 6,471, die Bewer­tungs­re­lation pro Tag 0,124, was ver­rechnet mit dem Bun­des­ba­sis­fallwert für 2010 von 2.935,78 Euro zu Kosten in Höhe von 18.997,43 für die reine Behandlung und 364 Euro pro Behand­lungstag führt. Bei ange­nommen 53,8 Tagen Ver­weil­dauer wären Gesamt­kosten von 38.580,63 Euro zusammengekommen.

Wo kommt noch einmal die Teuerung im Gesund­heits­wesen her?

Offen­kundig ist die Teuerung im Wesent­lichen durch gesetz­ge­be­rische Ein­griffe her­bei­ge­führt und natürlich ist auch die Tat­sache, dass Ver­treter von Kran­ken­häusern und Ärzten dann, wenn es um die Fest­legung der Ver­gütung für medi­zi­nische Leis­tungen geht, mit am Tisch sitzen, nicht eben för­derlich, wenn es darum geht, Kosten in einem erträg­lichen Maß zu halten.

Dass unsere Berechnung der Kosten für das Jahr 2010/11 korrekt ist, zeigt ein Gerichts­urteil des Bun­des­so­zi­al­ge­richts (B 1 KR 3/22 R), in dem es um einen Fall, der sich am Uni­ver­si­täts­kli­nikum Göt­tingen ereignet hat, geht. Ein dort tätiger Oberarzt hatte zwei seiner Pati­enten in der War­te­liste nach oben befördert, indem er

“falsche Mel­dungen an die Euro­trans­plant Inter­na­tional Foun­dation (im Fol­genden: Euro­trans­plant), die zen­trale Ver­mitt­lungs­stelle für Organ­spenden, vor­ge­nommen [hat], um auf diese Weise die eigenen Pati­enten auf einem höheren War­te­lis­ten­platz zu posi­tio­nieren. Im Falle der bei der Klä­gerin ver­si­cherten Pati­enten S und F waren wahr­heits­widrige Angaben zu vor­an­ge­gan­genen Dia­ly­se­be­hand­lungen getätigt worden. Dies hatte dazu geführt, dass die Pati­enten nach dem für die Erstellung der ein­heit­lichen War­te­liste bei Euro­trans­plant maß­geb­lichen MELD-Score einen höheren Platz auf der War­te­liste erhielten.”

Das der Oberarzt diese Leistung nicht aus Men­schen­liebe, sondern gegen peku­niäre Zuwendung erbracht hat, dürfte selbst­redend sein. Für uns ist dieser Oberarzt ein Glücksfall, denn die Kran­ken­ver­si­cherung, mit der das Uni­ver­si­täts­kli­nikum die beiden Leber­trans­plan­ta­tionen 2010/2011 abge­rechnet hat, hat zwar zunächst gezahlt, das Geld aber zurück­ge­fordert, nachdem der Betrug durch den Oberarzt von der Leitung des Uni­ver­si­täts­kli­nikums selbst zur Anzeige gebracht wurde. Und über diese Rück­zahlung wurde vor dem Bun­des­so­zi­al­ge­richt in letzter Instanz gestritten.

“Die Beklagte ist Trä­gerin eines Hoch­schul­kli­nikums (im Fol­genden: Kran­kenhaus). Dort erfolgten im Zeitraum vom 28.4. bis 28.5.2010 bei dem 1955 gebo­renen S und im Zeitraum vom 22.6. bis 17.7.2011 bei dem 1964 gebo­renen F jeweils Trans­plan­ta­tionen von Spen­der­lebern. Beide Pati­enten waren zu dieser Zeit bei der kla­genden Kran­ken­kasse (KK) kran­ken­ver­si­chert. Für die sta­tio­nären Auf­ent­halte stellte das Kran­kenhaus der KK Rech­nungen in Höhe von 108 598,11 Euro (S) und 48 561,20 Euro (F), welche die KK zunächst voll­ständig beglich.”

108.598,11 Euro bei einer Trans­plan­tation, die offen­kundig mit Kom­pli­ka­tionen ver­bunden war und 48.561,20 Euro für eine Ope­ration, die wohl etwas besser ver­laufen ist, deren Geldwert aber durch Zuschläge, die in der Tabelle oben nicht erfasst sind, quasi den “Spielraum” dar­stellen, innerhalb dessen sich eine Abrechnung bewegt, erhöht wurde. Nehmen wir beide Zusammen, dann ergeben sich durch­schnitt­liche Kosten von 78.579,65 Euro für eine Leber­trans­plan­tation im Jahre 2010/11, die 94.079,09 Euro im Jahre 2023 (ohne Zuschläge) gegenüberstehen.

Zuschläge können die Kosten um rund 20% erhöhen, was letztlich zu geschätzten Durch­schnitts­kosten von 112.867,91 Euro für die Trans­plan­tation einer Leber im Jahre 2023 führt. Ein Plus von 34.288,26 Euro (+43,6%) im Ver­gleich zum Jahr 2010/11.

Nicht von schlechten Eltern.

An Kosten haben wir bislang für die Trans­plan­tation einer Leber:

  • Im Durch­schnitt 42.938,29 Euro für die Bereit­stellung eines Spenderorgans;
  • Im Durch­schnitt 112.867,91 Euro für die Trans­plan­tation eines Spenderorgans;

Die Trans­plan­tation eines Organs von der Ernte bis zum Einsatz kostet somit im Durch­schnitt 155.836,20 Euro.

Damit sind die Kosten aber noch nicht am Ende, denn ein Mensch, der mit einem Spen­der­organ lebt, muss auf die Hilfe von Medi­ka­menten zurück­greifen, die sein Immun­system unter­drücken. Ein Leser hat uns dan­kens­werter Weise auf einen Beitrag auf­merksam gemacht, in dem die Kosten für Medi­ka­mente, die das Immun­system unter­drücken, mit 15.000 Euro alleine im ersten Jahr ange­geben werden. Nun stammt dieser Beitrag aus dem Jahre 2009, die Kosten für Immun­sup­presiva haben sich seither sicher nicht redu­ziert, sondern ver­doppelt, so dass jähr­liche Kosten zwi­schen 20.000 und 30.000 Euro für die Unter­drü­ckung des Immun­systems von Men­schen, die mit einem trans­plan­tierten Organ leben, entstehen.

Ein mehr als ein­träg­liches Geschäft für die Pharmaindustrie.

Ins­gesamt kann man somit davon aus­gehen, dass durch­schnitt­liche Kosten von min­destens 186.000 Euro für die Trans­plan­tation EINES Organs, von der Bereit­stellung bis zum Ein­setzen inklusive einem Jahr Unter­drü­ckung des Immun­systems durch ent­spre­chende Medi­ka­mente entstehen.

Es ist hier nicht der Ort, die Frage nach der Ver­hält­nis­mä­ßigkeit solcher Aus­gaben zu stellen, eher der Ort, um zu fragen, ob das Gesund­heits­system nicht zu einem Selbst­be­die­nungs­laden geworden ist, in dem über­teuerte Leis­tungen mit zwei­fel­haftem Wert auf Kosten von Ver­si­cherten ange­boten werden, Leis­tungen, mit denen sich schon mancher eine goldene Nase ver­dient hat.

Was meinen Sie?


Wenn Sie eine Auf­stellung dessen, was bei der Bewerbung von “Organ­spende” generell nicht gesagt wird, nach­lesen wollen, dann können Sie das im fol­genden Beitrag tun:

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Der Artikel erschien zuerst hier: ScienceFiles.org