Der mit den Bäumen spricht

Es ist Hoch­sommer und schönes Wetter. Viele werden die Tage draußen ver­bringen, und die Natur genießen. Die meisten ver­stehen dar­unter, in einer schönen und posi­tiven, grünen Umgebung grillen, etwas trinken, den Kindern beim Spielen zusehen – falls welche da sind –  lesen, sich unter­halten, viel­leicht noch Radio anmachen. Dabei sitzt man mitten in einer unglaublich inter­es­santen Gemein­schaft von Lebe­wesen, denen wir unser Leben-Können ver­danken, die eine dicht ver­netzte Gemein­schaft bilden, gegen die unsere Social-Media-Netze ein Dreck sind und die uns genau beob­achten und über uns „reden“: Der Wald und seine Bäume.


KenFM hat einen Vortrag von Erwin Thoma ver­öf­fent­licht. Erwin Thoma ist Förster und Holz­un­ter­nehmer. Nicht irgend­einer, sondern einer, der mit den Bäumen kom­mu­ni­zieren kann. Als Seine Söhne ein­ge­schult wurden, hieß es für die ganze Familie von einem Natur-Holzhaus im Wald in ein Ein­fa­mi­li­enhaus in einen Ort zu ziehen. Die Söhne wurden schwer krank, weil sie auf Bau­ma­te­rialien in diesem Haus mit All­ergie reagierten: Sie ver­trugen den Holzleim der Span­platten nicht. Während die Söhne mit ihrer Mutter über den Sommer in eine Alm­hütte zogen, rissen Vater und Opa alles, was nicht zum Haus selbst gehörte heraus und ersetzten es durch natur­be­las­senes Mas­sivholz. Die Kinder kamen zurück und wurden gesund.

Das war eine Erkenntnis, die Erwin Thomas Denken änderte. Er baut seitdem Häuser, die die Natur respek­tieren und den Bewohnern ein gesundes Raum­klima bieten. Gesunde Häuser. Er baut sie auf der ganzen Welt. In Nor­wegen für die könig­liche Familie, in Moskau eine Uni­ver­sität und in Japan mehrere Häuser, die die Fuku­shima-Nuklear-Kata­strophe ohne jeden Schaden über­standen haben. Er kennt eine Menge Unter­su­chungen über die Eigen­schaften von unbe­han­deltem Naturholz. Die Uni­ver­sität in Graz, Öster­reich, zum Bei­spiel stellte fest, daß natur­be­las­senes Holz als Wohn­um­gebung eine wohl­tuende Wirkung auf den Men­schen hat. Der Puls beruhigt sich, der Schlaf wird tiefer, länger und erhol­samer. Seine Beob­achtung, daß die Schäd­lings­re­sistenz und Härte eines Holzes davon beein­flußt wird, bei welcher Mond­phase es geschlagen wird, klingt abge­fahren, wurde aber eben­falls durch eine Unter­su­chung der Tech­ni­schen Hoch­schule in Zürich belegt. Wurde Thoma wegen seines „Mond­holzes“ zuerst aus­ge­lacht, ist es heute von Kennern enorm gefragt. Auch, daß Mas­sivholz von 20 cm Dicke voll­kommen gegen Hoch­fre­quenzen abschirmt und daher sogar abhör­sicher ist, ist erwiesen.

https://www.youtube.com/watch?time_continue=16&v=YSPlTd5wpD0

Erwin Thoma ist ein Geschenk. Wenn der gelernte Förster und Volkswirt vom geheimen Leben der Bäume erzählt, wenn er dem Laien das hoch­kom­plexe Öko­system Wald in Details näher­bringt, ist das span­nender als jeder Krimi.

Erwin Thoma baut in 33 Ländern Holz­häuser, ohne dass dabei Abfall ent­steht. Auch kommen seine Holz­ge­bäude ohne Heizung aus. Sie sind ener­gie­autark. Das alles geht, da Thoma die Natur kopiert. Dazu mußte er sie lange beob­achten. Seine Erkenntnis nach jahr­zehn­te­langer Berufs­er­fahrung ist simpel und genial: Kapieren, Kopieren, Koope­rieren. So handelt das Öko­system Wald. Und das seit Mil­lionen von Jahren. Der Mensch, will er als Spezies über­leben, tut gut daran, die Bot­schaft des Waldes auf seinen Umgang mit dem Pla­neten zu übernehmen.

Erwin Thoma hat ein Buch über die geheime Sprache dieser fas­zi­nie­renden, majes­tä­ti­schen Lebe­wesen Bäume geschrieben. Sie stehen an fast jeder Stra­ßenecke, bevölkern die Stadt­parks und Gärten, bilden Wälder und Haine und begegnen uns überall. Und doch sind sie uns voll­kommen unbe­kannt. Sie sind riesig und still. Aber sie ent­stehen aus win­zigen Samen, der einen kleinen, zarten Keimling her­vor­bringt … und tausend Jahre später ist dieser Keimling, wenn er Glück hatte, ein wuch­tiges, gewal­tiges Wesen, was seine Blät­ter­krone in großer Höhe der Sonne entgegenhält.


Die Bäume leben seit Jahr­mil­lionen in Rhythmen, die die Natur ihnen vorgibt, und so sind Tag und Nacht, Sommer und Winter, Tro­ckenheit und Feuchte, Wind, Sturm, Erd­be­schaf­fenheit, Sonne und Mond die Takt­geber, die das Wesen Baum als Kind dieser Erde wachsen, werden und ver­gehen lassen.

Und sie kom­mu­ni­zieren unter­ein­ander auf viel­fäl­tigen Wegen: Wenn ihre Wurzeln sich berühren, wie die Hände von Men­schen. Wenn sie Duft­stoffe über ihre Blätter in den Wald ver­teilen, wie Funk­nach­richten. Sie unter­richten sich über Schäd­lings­be­dro­hungen und ob ein alter Kamerad sich anschickt, zu sterben. Wo ihre Kinder wachsen, und wann es zeit ist, ihnen mehr Raum zu geben. Sie infor­mieren die rie­sigen Pilz­myzele im Boden, wie weit sie gehen dürfen.Sie warnen ein­ander vor Schäd­lings­befall, damit die anderen Abwehr­maß­nahmen ergreifen können. Die Bäume mit den tiefen Wurzeln wachsen hoch hinaus und schützen die anderen gegen den Sturm. Die Flach­wurzler binden die Erde, daß sie nicht ero­diert und halten sie an Steil­hängen fest, so daß andere Pflanzen sich ansiedeln können und eine neue Gemein­schaft entsteht.

Von der schieren Bio­masse her, ist die Erde ein Baum­planet. Men­schen und Tiere stellen nur 2% der lebenden Orga­nismen. Weitere 14% sind sonstige Pflanzen: Blumen, Sträucher, Kakteen, Algen, Flechten, Gras …
Und 84% der Bio­masse sind Bäume.

Sie sind die erfolg­reichste Lebensform auf der Welt. Ihre Kon­zepte sind bewährt und unglaublich intelligent.
Beim nächsten Wald­spa­ziergang oder Park­besuch wäre es doch eine gute Idee, sich bei den fried­lichen, weisen Giganten einmal zu bedanken und ihnen unsere Ver­ehrung zu erweisen. Dann ver­zeihen sie uns, wie immer, das Her­um­stinken mit Grill, Bier und Würstchen und unser furchtbar ner­viges Gelärme.

„Das Holz, dieser wun­derbare Werk­stoff, der als Tisch und Haus, als Geige und Tanz­boden, als Werkzeug und Kunst­ge­gen­stand fröhlich und kraftvoll unser Dasein berei­chert: Es ist viel mehr als nur ein geniales, durch die Evo­lution endlos opti­miertes Material. Holz ist der große Über­bringer aller Bau­m­energie und Weisheit.“

Aus: „Erwin Thoma: Die geheime Sprache der Bäume – und wie die Wis­sen­schaft sie entschlüsselt“
(Ecowin Verlag Salzburg, 208 Seiten, €21,90)