Ein Syrer, der neben seiner deutschen Ehefrau eine zweite Frau, seine Cousine, in Syrien geheiratet hat, darf trotzdem seinen deutschen Pass behalten. Das beschloss der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Der Syrer war in Revision gegangen, nachdem das Karlsruher Verwaltungsgericht dem Mann die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen hatte.
Der syrische Kurde hatte bei seinem Antrag auf Einbürgerung im Jahr 2008 die Heirat mit seiner Cousine in Syrien nicht angegeben. Beim Einbürgerungstest schnitt er zwar mit 33 von 33 möglichen Punkten ab und erhielt seine Einbürgerungsurkunde 2010, verschwieg aber, dass er 2008, nur sieben Wochen nach der Eheschließung mit seiner deutschen Frau, mit seiner Cousine in Syrien Hochzeit feierte.
In den Antragsformularen für die deutsche Staatsbürgerschaft wurde zwar nur nach „früheren Ehen“ und nicht nach „weiteren Ehen“ gefragt, das Karlsruher Gericht sah aber im Verschweigen der zweiten Ehe eine Täuschung durch unvollständige Angaben. Die Staatsbürgerschaft wurde aberkannt.
Der Mannheimer Verwaltungsgerichtshof verwarf das Karlsruher Urteil mit der Begründung, das Prinzip der Einehe sei nicht Bestandteil des Grundgesetzes. Eine Interpretation, die fraglich erscheint. Der Mannheimer VGH konzedierte den Karlsruher Richtern zwar, der Mann hätte die zweite Ehe unbedingt angeben müssen, vertrat aber die Auffassung, wer gegen das Verbot der Mehrehe verstoße, sei deshalb noch kein Verfassungsfeind. Der VGH berief sich dabei auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Regensburg.
Unklar bleibt, ob die bloße Qualifikation der „nicht expliziten Verfassungsfeindlichkeit“ zukünftig als Voraussetzung für Einbürgerungen genügen soll.
Die Umstände, die der Mannheimer VGH insbesondere zur Urteilsfindung berücksichtigte, fußen nämlich auf den Regeln der Scharia und den Gesetzen des Islam, beides Regelwerke, die sich auf die Integrationsfreudigkeit der muslimischen Neubürger nicht fördernd auswirken. Das zeigte sich auch in seiner Argumentation.
So machte der Kläger geltend, dass er seine Cousine deshalb geheiratet habe, weil ein uneheliches, sexuelles Verhältnis, das er 2006 mit seiner Verwandten gehabt habe, in Syrien aufgeflogen sei und er sie mit der Heirat vor gesellschaftlicher Ächtung schützen wolle. Die Frau lebt mit dem Kind heute ebenfalls in Karlsruhe. Weiterhin machte er geltend, dass der Islam Ehen mit mehreren Frauen erlaube. Umgekehrt könne er sich allerdings nicht vorstellen, einer unter mehreren Ehemännern zu sein, gab der Mann zu.
Für einen vorbildlich integrierten, eingewanderten Deutschen mutet diese Argumentation schwer nachvollziehbar an. Ein uneheliches, sexuelles Verhältnis ist in muslimischen Ländern tabu und insbesondere für die Frau sehr gefährlich. Als frommer Muslim, der er behauptet zu sein, hätte er das nicht machen dürfen. Dass die Frau nicht sofort den drakonischen Strafen der Scharia unterworfen wurde, mag möglicherweise damit zusammenhängen, dass Syrien unter dem grausamen Regime des vom Westen erbittert bekämpften Präsident Assad sehr viel toleranter ist, als beispielsweise das mit dem Westen verbündete und hofierte Saudi Arabien, wo die Steinigung solcher Frauen an der Tagesordnung ist. Sexuelle Kontakte zwischen nahen Verwandten sind in Europa ein Verstoß gegen das Inzestverbot, das Verschweigen dieser zweiten Ehe beim Antrag auf Einbürgerung ist eine bewusste Täuschung.
Das Mannheimer Urteil stößt daher in Karlsruhe auf wenig Verständnis. Die Stadt Karlsruhe legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein, die Sprecherin der Stadt wies auf die Wichtigkeit eines solchen Urteils für die breite Allgemeinheit hin. Warten wir ab, wie das Bundesverwaltungsgericht entscheiden wird.