Krebs­kranke, junge Mutter kann nicht mehr arbeiten: Job­center lehnt Unter­stützung ab

Wer einmal auf ein Arbeitsamt ab mit­tel­großer Stadt geht, bewegt sich vor­sichtig. Überall stehen und sitzen sichtlich noch-nicht-solange-hier-lebende Neu­bürger und schauen selten freundlich drein. Hinter den geschlos­senen Türen wird es schon mal ziemlich laut, auf den Fluren auch. Man hat ja auch bis­weilen jemanden im Bekann­ten­kreis, der auf so einem Amt arbeitet. Das ist kein schöner Job, hört man dann, und dass man sehr umsichtig agieren muss, denn es gibt viele „Kunden“ die sehr for­dernd sind und recht unge­zähmte Umgangs­formen haben. Die stellen den Mit­ar­beitern gerne sehr hand­greif­liche Dis­kus­sionen in Aus­sicht. Da zudem von oben die Direktive erlassen wurde, dieses Kli­entel sehr zuvor­kommend zu behandeln, bekommen dies Mit­men­schen bis­weilen Kon­di­tionen, die andere nicht bekommen, die sich brav und zivi­li­siert verhalten.
Den Spruch kennen wir ja seit Kind­heits­tagen: „Brave Kinder fordern nichts … und kriegen auch nichts“. So ein braves Kind ist Christina Witzel aus Hünfeld. Die junge Frau ist allein­stehend, hat ein kleines Kind und lebt von Hartz IV. Schön zu wissen, dass von unseren hart erar­bei­teten Steu­er­geldern wenigstens noch hier und da eine allein­er­zie­hende, schon-länger-hier-lebende Mutter unter­stützt wird und ihr Kind zumindest eini­ger­maßen gut auf­ziehen kann.
Christina Witzel braucht wirklich und mit Recht die Unter­stützung der All­ge­meinheit, denn sie bekam vor einem Jahr eine Brust­krebs­dia­gnose. Sie über­lebte, wenn auch deutlich geschwächt durch Ope­ration, Che­mo­the­rapie und Bestrahlung. Vor ihrer Krankheit war sie als selb­ständige Tages­mutter auf keine Hilfe ange­wiesen und konnte ihre kleine Familie selbst ernähren. Doch nun hat das Kreis­job­center Hünfeld ihr die Unter­stützung gestrichen.
Der Grund ist für keine ver­nünf­tigen Men­schen nach­voll­ziehbar, war aber nach Dar­stellung des Job­centers nicht anders möglich: Die junge Frau hatte – noch zu Zeiten, als sie gesund und selb­ständige Tages­mutter war — eine frei­willige Zusatz­ver­si­cherung abge­schlossen, die ihr nun, ver­trags­gemäß auf­grund ihrer schweren, lebens­be­droh­lichen Krankheit 20 Euro Kran­kengeld pro Tag auszahlt.

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Nicht nur, dass man bei so einer Krankheit einiges an unvor­her­ge­se­henen Kosten hat wie Fahrt­kosten zu den ver­schie­denen Arzt­ter­minen, hier und da mal Kin­der­be­auf­sich­tigung, Kin­der­gar­ten­kosten, weil eine schwer­kranke junge Frau gar nicht die Kraft auf­bringt, sich sieben Tage die Woche ganz­tägig ange­messen um ein Kleinkind zu kümmern. Viel­leicht gibt es auch Vit­amin­prä­parate oder andere Mittel, die der jungen Mutter gesund­heitlich helfen, mit der schweren Krankheit fertig zu werden, die aber „auf Kran­ken­kasse“ nicht zu bekommen sind. Da sind 20 Euro am Tag eher sehr wenig.
Das fand aber das Job­center Hünfeld gar nicht, und strich gleich die ganze Unter­stützung bis auf 9,44 Euro/Tag. Für die junge Mutter stand die Existenz auf dem Spiel. Sie konnte sich nicht einmal mehr die Miete für ihre 60 m²-Wohnung leisten. Nun musste sie, um über­haupt über­leben zu können, das Töch­terchen aus dem Kin­der­garten nehmen, und neben dem Kampf gegen den Krebs auch noch dem mit dem Job­center aus­fechten. Die Chemo-Tabletten, die sie gegen den Krebs ein­nehmen muss, machen müde und schlapp. Sie schafft es kaum noch.
Im Job­center zucken alle nur mit den Schultern: „Bei nicht vor­lie­genden Anspruchs­vor­aus­set­zungen bleibt dem Kreis­job­center keine Mög­lichkeit, als ent­spre­chende Anträge abzu­lehnen. Die Anrechnung von Ver­si­che­rungs­leis­tungen, unab­hängig ob öffentlich-recht­licher oder pri­vat­recht­licher Art (Krankengeld/Tagegeld) sieht der Gesetz­geber nach dem Sozi­al­ge­setzbuch II vor“, sagt man dort. Dem Job­center seien die Hände gebunden. Aber man ver­weist auf die umfas­sende Beratung der von Ablehnung Betrof­fenen im Servicebereich.
Christina Witzel hatte bei Beginn ihrer Krebs­er­krankung einen Blog „Mein Leben mit Brust­krebs“ auf Facebook begonnen. Hier berichtete sie auch von den Kämpfen mit dem Job­center. Nachdem der Fall Wellen schlug und in den Medien berichtet wurde, muss das Job­center offenbar die rege Anteil­nahme von Freunden, Bürgern und Medien erfahren haben. Wie durch ein Wunder war es dar­aufhin doch möglich, der jungen Mutter wurde nun doch weitere Unter­stützung und Kran­ken­ver­si­cherung zugesichert.
Trotzdem ist Christina Witzel ent­setzt, wie man mit wirklich kranken und hilfs­be­dürf­tigen Men­schen umgeht.