Ein besonders grausamer Fall von Pädophilie erschüttert selbst hartgesottene Ermittler. Eine Freiburger Mutter soll ihren Sohn an pädophile Kunden vermittelt haben. Der neunjährige Bub hat ein jahrelanges Martyrium hinter sich und wurde vor wenigen Tagen befreit. Das könnte sein Leben gerettet haben, denn es heißt, ein „Freier“ habe Interesse an dem Jungen gezeigt und von Tötungsfantasien gesprochen.
Die Ermittlungen gegen die Mutter und ihren Lebensgefährten laufen noch. Die Einzelheiten der vielen Taten müssen aufgeklärt werden. Umfangreiches, sichergestelltes Beweismaterial müsse noch ausgewertet werden, teilte ein Sprecher der Freiburger Staatsanwaltschaft mit. Wann es zu einem entsprechenden Prozess kommt, ist noch unklar.
Die Ermittlungen laufen aber auch im weiteren „Geschäftsumfeld“ der Mutter. So hat das LKA Baden-Württemberg Filmmaterial gefunden, auf dem der sexuelle Missbrauch eines Mädchens zu sehen ist. Der Täter auf dem Film konnte identifiziert werden. Es ist der Vater des Mädchens.
Die 47-jährige Mutter und ihr 37 Jahre alter Lebensgefährte lebten zusammen mit dem Jungen in Freiburg. Nach Pressemeldungen hat die Mutter das Kind nicht nur gegen jeweils mehrere Tausend Euro an Pädophile „vermietet“ und war bei an den Misshandlungen durch Pädophile selbst mitbeteiligt, sondern den armen Buben auch „privat“ zusammen mit ihrem Lebensgefährten gequält und sexuell misshandelt. Von 2015 bis in den Herbst 2017 sei das Kind regelrecht im Internet zum Vergewaltigen angeboten worden und daraufhin von mehreren Tätern „gebucht“ und an verschiedenen Orten in und um Freiburg „vielfach missbraucht und vergewaltigt“ worden. Die Polizei holte ihn aus der Wohnung der Eltern und übergab ihn staatlicher Obhut. Nach mehr als zwei Jahren Martyrium ist der Junge jetzt in Sicherheit.
Acht Männer, „Kunden“ der Mutter, sind verdächtig und sitzen zur Zeit in Untersuchungshaft. Sie sind zwischen 32 und 49 Jahren. Unter den Verhafteten sind einige, die schon vorher wegen solcher Taten aufgefallen und vorbestraft sind, auch der Lebensgefährte der Mutter ist ein vorbestrafter Pädophiler. Unter den Untersuchungshäftlingen ist auch der Vater, den die Ermittler auf dem oben genannten Film beim Missbrauch des eigenen Töchterchens identifizieren konnten. Der „Kunde“ mit Tötungsabsichten ist ebenfalls unter den Inhaftierten. Er wurde bereits am 3. Oktober in Karlsruhe von verdeckten Ermittlern festgenommen. Er war mit der Absicht angereist, den Buben zu missbrauchen und wurde von der Polizei abgefangen. Bei der Verhaftung führte der Mann einen Rucksack mit Utensilien zum Fesseln mit sich.
Aufgeflogen ist die schändliche Gesellschaft Pädophiler durch einen anonymen Zeugen, der der Polizei am 10. September 2017 einen Hinweis gab. Dann ging alles sehr schnell. Die Mutter und ihr Lebensgefährte waren schnell identifiziert und fünf Tage nach dem Hinweis an die Polizei saßen die beiden in Untersuchungshaft. Es heißt, das Paar mache „teilweise Angaben“. Details werden aber aus ermittlungstaktischen Gründen noch zurückgehalten.
Die Ermittler sind viel gewohnt, aber eine solche Dimension und Grausamkeit macht selbst ihnen zu schaffen.
Das Problem an diesen Fällen, das auch die hochmotovierten Ermittlern in der Pädophilenszene frustriert ist, dass man diesen entsetzlichen Sumpf nicht wirksam austrocknen kann. Es haben sich im Verborgenen Strukturen gebildet, die viele Sicherheitsstufen zur Wahrung der Anonymität eingebaut haben. Das Internet bietet schwer aufzufindende Räume, in denen sich solche Leute treffen und ihren grausamen Trieben nachgehen: Das Darknet, das dunkle Netz.
Um überhaupt auf die Spur solcher Verbrechen zu kommen, muss man sich in diese Welt des Darknet begeben. Dort gibt es „geschlossene Foren“, zu denen man erst dann Zutritt erhält, wenn man sich als „vertrauenswürdig“ erweist. Das geschieht oft durch eine Art „Eintrittsgeld“ in Form von neuem, selbsterstelltem Kinderpornomaterial, das der Neuling dann postet. Dann wird er ins Netzwerk aufgenommen und nach einer Weile gibt es dann die wirklich „heißen“ Kontakte, über die er an ein “Beutekind” kommen kann und seine Triebe ausleben.
Eine von diesen Seiten hieß harmlos und niedlich „ChildsPlayBook“ („KinderspielBook“ in Anlehnung an „Facebook“) und war jahrelang ein Tummelplatz für Kinderschänder, wurde aber von den Behörden gesprengt und dichtgemacht. Das setzt natürlich voraus, dass entsprechend verdeckte Ermittler erst einmal die gut verborgenen Foren ausfindig machen, den Server infiltrieren und sich Zugang dazu verschaffen. Diese „ChildsPlayBook“-Seite wurde eine Weile zum Abfangen möglichst vieler Nutzerdaten weiterlaufen gelassen, anschließend kam die Verhaftungswelle.
Ein weiteres Problem besteht darin, dass die Ermittler sich selbst strafbar machen, wenn sie sich auf so einem Forum aktiv anmelden, Film- und Fotomaterial hochladen und mitspielen. Damit sind auch die Ermittlungsergebnisse praktisch nicht verwertbar, weil die Tätigkeit der Spitzel gleichzeitig rechtlich als Anstiftung zu Straftaten zu werten ist.
Sobald aber eine Seite geschlossen wird und die Verhaftungswelle vorbei, sprießen gleich wieder neue Foren aus dem finsteren Sumpf und die Ermittler kämpfen gegen ein Gorgonenhaupt, dem für jede abgeschlagenen Schlange zwei neue wachsen.
Mindestens ebenso schlimm und nicht mehr nachvollziehbar: Einer der Vergewaltiger des Freiburger Jungen war, wie sich jetzt herausstellt, schon einmal wegen solcher Deliktezu einer Sicherungsverwahrung verurteilt worden. 2010 hatte das Kieler Landgericht den Mann aus dem Kreis Segeberg zu zehn Jahren Gefängnis mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt, der Bundesgerichtshof hatte das Urteil aber in der Revision aufgehoben und zurück ans Landgericht verwiesen. Dort milderte eine Kammer das Urteil auf fünf Jahre und 8 Monate ohne Sicherungsverwahrung ab. Der Mann war also nach Verbüßung der Strafe 2015 wieder auf freiem Fuß. Er stand zwar unter „Führungsaufsicht“, aber das verhindert bekanntermaßen neue Straftaten nicht wirklich. Schon 2010 hatte der Kinderschänder Absichten geäußert, ein Kind zu vergewaltigen und zu töten. Er wurde damals erstinstanzlich wegen „Verabredung zum Mord“ mit Sicherungsverwahrung belegt. Doch die Bundesrichter hielten die Tötungsabsicht nicht für ausreichend bewiesen. Das Revisionsurteil ging daher „nur“ von einer Verabredung zum schweren, sexuellen Missbrauch aus. Das schließt eine Sicherungsverwahrung aus. Der Mann konnte unbehelligt, wie ein ganz normaler Bürger, sein Leben und seine düsteren Neigungen wieder aufnehmen.
Polen geht hier einen anderen Weg. Das polnische Justizministerium greift am anderen Ende an und sorgt für Sicherheit. Seit Jahresbeginn ist eine Datenbank auf der Webseite des Ministeriums abrufbar, auf der die persönlichen Daten von Sexualstraftätern einsehbar sind. Jeder kann hier die Fotos, Namen, Geburtsorte, Wohnorte und Tathintergründe dieser Sexualstraftäter abrufen und anschauen, ob der neu Hinzugezogene im Viertel möglicherweise darunter zu finden ist. Von den rund 800 verurteilten Verbrechern sind die meisten Pädophile. Die Daten werden laufend aktualisiert.
Es gibt eine zweite Datenbank von weiteren 2600 Sexualstraftätern, zum Teil wegen Besitzes von Kinderpornographie verurteilt, die nicht öffentlich ist und nur von Behörden und Institutionen nach vorheriger Anfrage eingesehen werden darf. Schulen und andere Einrichtungen, die sich vornehmlich mit Kindern beschäftigen, werden sogar vom Justizministerium angehalten, ihre Angestellten und Mitarbeiter anhand dieser Datenbank zu überprüfen. Mehr noch: Wer in Polen verurteilte Sexualstraftäter für Beschäftigungen einstellt, wo sie mit Kindern Umgang haben, muss mit hohen Geld- oder Haftstrafen rechnen.
Hier folgt Polen der Praxis, die in den USA mit Erfolg angewendet wird. Dort werden Bürger sogar aktiv von der Polizei angesprochen, wenn ein verurteilter Sexualstraftäter in ihre Umgebung zieht. Datenbanken mit allen Informationen zu Sexualstraftätern sind in den USA für alle Bürger frei zugänglich.
Das Justizministerium Polens sieht sich mit der Veröffentlichung einer solchen Liste auf der Seite des Rechts: Das Recht der Kinder auf Schutz stehe über dem Persönlichkeitsrecht von Verbrechern auf Anonymität .
Dem ist nichts hinzuzufügen.