Der Lenkwaffenzerstörer USS McCampbell (Dateifoto) © US Navy / Specialist 3rd Class Jared M. Hill

Zehn Gründe: Deshalb ver­sagen Regierungen

Wenn Poli­tiker und Büro­kraten nicht halten, was sie ver­sprechen – was sehr oft geschieht – wird oft gesagt, das Problem könne gelöst werden, wenn wir nur die rich­tigen Leute in die Regierung brächten. Uns wird gesagt, dass die alte Garde von Regie­rungs­mit­gliedern sich nicht genug bemühte oder sie nicht die rich­tigen Absichten hatte. Es stimmt zwar, dass es in der Regierung viele inkom­pe­tente und Men­schen mit schlechten Plänen gibt, aber wir können den betei­ligten Per­sonen nicht immer die Schuld geben. Oft ist die Wahr­schein­lichkeit eines Schei­terns einfach eine Sache der Regierung als Insti­tution selbst. Mit anderen Worten, Poli­tiker und Büro­kraten sind nicht erfolg­reich, weil sie nicht erfolg­reich sein können, denn die Natur des Staats­ap­pa­rates steht dem Erfolg entgegen.
Hier sind zehn Gründe, warum:
I. Wissen
Die Regie­rungs­po­litik leidet unter einer Anmaßung des Wissens. Um erfolg­reich eine Markt­in­ter­vention durch­führen zu können, müsste die Politik mehr wissen als sie wissen kann. Markt­wissen ist nicht zentral, sys­te­ma­tisch, orga­ni­siert und all­gemein, sondern ver­teilt, hete­rogen, spe­zi­fisch und indi­vi­duell. Anders als in einer Markt­wirt­schaft, in der es viele Akteure gibt und ein stän­diger Prozess von Versuch und Irrtum statt­findet, ist die Kor­rektur staat­licher Fehler begrenzt, da die Regierung ein Mono­polist ist. Für den Poli­tiker ist es oft schlimmer, einen Fehler zuzu­geben, als an einer fal­schen Ent­scheidung fest­zu­halten – selbst gegen die eigene Einsicht.
II. Infor­ma­ti­ons­asym­me­trien
Während auch auf dem Markt Infor­ma­ti­ons­asym­me­trien bestehen, bei­spiels­weise zwi­schen dem Ver­si­cherer und dem Ver­si­cherten oder zwi­schen dem Ver­käufer eines Gebraucht­wagens und seinem Käufer, ist die Infor­ma­ti­ons­asym­metrie im öffent­lichen Sektor aus­ge­prägter als in der Pri­vat­wirt­schaft. Während bei­spiels­weise mehrere Ver­si­che­rungs­ge­sell­schaften und viele Auto­händler mit­ein­ander kon­kur­rieren, gibt es nur eine Regierung. Die Regie­rungs­mit­glieder haben nicht viel zu ver­lieren, wenn etwas schiefgeht. Im Gegenteil macht sich oft eher schlechte Politik bezahlt. Der Poli­tiker wird deshalb nicht viel Aufwand betreiben, um feh­lendes Wissen zu ver­meiden. Die Poli­tiker sind in der Regel bestrebt, nicht die drin­gendsten Pro­bleme anzu­gehen, sondern für solche Gruppen Mittel bereit­zu­stellen, die im poli­ti­schen Macht­spiel am wich­tigsten sind.
III. Ver­drängung des Privatsektors
Durch staat­liche Ein­griffe werden scheinbare Markt­de­fizite nicht beseitigt, sondern durch Ver­drängung der pri­vaten Ver­sorgung werden sie geschaffen. Wenn es in den Bereichen Schul­bildung und Sozi­al­hilfe keine öffent­liche Dominanz gäbe, würden pri­vates Angebot und private Wohl­tä­tig­keits­or­ga­ni­sa­tionen die Lücke schließen, wie dies vor der Usur­pation der Akti­vi­täten durch die Regierung der Fall war. Die Ver­drängung des Pri­vat­sektors durch staat­liche Maß­nahmen ist ständig am Werk, weil Poli­tiker durch die Bereit­stellung zusätz­licher öffent­licher Dienst­leis­tungen Stimmen erhalten können, obwohl durch die öffent­liche Ver­waltung die Pro­blem­lagen nicht gelöst, sondern ver­schlechtert werden.

IV. Zeit­ver­zö­ge­rungen
Die Regie­rungs­po­litik leidet unter langen Ver­zö­ge­rungen zwi­schen Dia­gnose und Wirkung. Politik ist ein Macht­spiel und die Antenne des Poli­tikers ist auf die Signale aus­ge­richtet, die für das Macht­spiel relevant sind. Nur wenn ein Thema aus­rei­chend poli­ti­siert ist, wird es die Auf­merk­samkeit der Regierung finden. Nach der Ver­zö­gerung, bis ein Problem die Auf­merk­samkeit seitens der Politik erfährt und als Pro­blemfall dia­gnos­ti­ziert wird, tritt eine weitere Ver­zö­gerung auf, bis die Staats­be­hörden und Par­tei­gremien einen Konsens darüber gefunden haben, wie das Problem ange­gangen werden soll. Danach dauert es eine weitere Zeit, bis die geeig­neten poli­ti­schen Mittel die not­wendige poli­tische Unter­stützung finden. Nach der Umsetzung der Maß­nahmen vergeht eine weitere Zeit­spanne, bis die Mittel ihre Wirkung zeigen. Die Zeit­spanne zwi­schen der Arti­ku­lation eines Pro­blems und der Aus­wirkung ist oft so lang, dass sich die Natur des Pro­blems und sein Kontext in der Zwi­schenzeit grund­legend geändert haben. Es über­rascht nicht, dass die Ergeb­nisse staat­licher Inter­ven­tionen, ein­schließlich der Geld­po­litik, nicht nur vom ursprüng­lichen Ziel abweichen, sondern das Gegenteil der Absichten her­vor­rufen können.
V. Suche und Schaffung von Pfründen
Staat­liche Ein­griffe machen das Streben nach Pri­vi­legien attraktiv und ziehen so Per­sonen an, die darauf aus sind, Pfründe durch die Regie­rungs­po­litik zu erlangen. In einer Demo­kratie besteht ein stän­diger Druck, die Son­der­ver­güns­ti­gungen aus­zu­weiten, um Unter­stützung und Stimmen zu erhalten. Die Schaffung von Pri­vi­legien für die eine Gruppe erhöht die Anzahl der Pfrün­de­sucher in einer anderen Gruppe, und mit der Zeit wird die Unter­scheidung zwi­schen Kor­ruption und einem anstän­digen und legalen Ver­halten ver­wischt. Je mehr sich eine Regierung der Schaffung von Pfründen widmet, desto mehr wird das Land ein Opfer von Kli­en­te­lismus, Kor­ruption und der Fehl­al­lo­kation von Ressourcen.
VI. Koali­ti­ons­klüngel und Abstimmungshandel
Der in der Theorie der öffent­lichen Wahl­hand­lungen (public choice) the­ma­ti­sierte „Koali­ti­ons­klüngel“ (logrolling) bezeichnet den Aus­tausch von Gefäl­lig­keiten unter den poli­ti­schen Frak­tionen, um ein bevor­zugtes Projekt durch Unter­stützung der Pro­jekte der anderen Gruppe zu erreichen. Dieses Ver­halten führt zu einer ste­tigen Aus­weitung der staat­lichen Akti­vi­täten. Durch diesen Prozess der wech­sel­sei­tigen Gegen­leis­tungen unter­stützen die Par­la­men­tarier die Geset­zes­vor­lagen anderer Frak­tionen als Aus­gleich für die poli­tische Unter­stützung der eigenen Pro­jekte. Dieses Ver­halten führt zu dem Phä­nomen der „Geset­zes­in­flation“, der Lawine der nutz­losen, wider­sprüch­lichen und schäd­lichen Gesetze.
VII. Gemeinwohl
Das soge­nannte „Gemeinwohl“ ist kein klar defi­niertes Konzept. Ähn­liche Begriffe wie der des „öffent­lichen Gutes“, das durch Nicht-Aus­schließ­barkeit und Nicht-Riva­lität defi­niert wird, ver­fehlen eben­falls den Punkt, weil nicht das Gut „all­gemein“ oder „öffentlich“ ist, sondern seine Bereit­stellung. Ein Gut wird dadurch zu einem öffent­lichen Gut, wenn seine kol­lektive Bereit­stellung als effi­zi­enter ange­sehen wird als die private oder indi­vi­duelle Bereit­stellung dieses Gutes. Dies ist aber bei allen Wirt­schafts­gütern der Fall, denn der Markt selbst ist ein System zur Bereit­stellung pri­vater Güter durch koope­rative Bemü­hungen. Die Markt­wirt­schaft ist ein kol­lek­tiver Anbieter von Gütern, da sie Wett­bewerb mit Koope­ration ver­bindet. Jedes der soge­nannten „öffent­lichen Güter“, die der Staat liefert, kann auch der private Sektor pro­du­zieren und dazu noch bil­liger und besser. Im Gegensatz zum Staat umfasst die Koope­ration in einer Markt­wirt­schaft auch Wett­bewerb und damit nicht nur Wirt­schaft­lichkeit, sondern auch Anreize für Innovationen.
VIII. Regu­la­to­rische Machtübernahme
Der Begriff der regu­la­to­ri­schen Macht­über­nahme (regu­latory capture) bezeichnet ein Ver­sagen der Regierung, bei dem die Regu­lie­rungs­be­hörde nicht mehr die ursprüng­liche Absicht ver­folgt, das „öffent­liche Interesse“ zu fördern, sondern dem zu regu­lie­renden Grup­pen­in­teresse zum Opfer fällt, zu deren Regu­lierung die Agentur ein­ge­richtet wurde. Durch die Inan­spruch­nahme der Regu­lie­rungs­be­hörde durch private Inter­essen wird die Agentur zu einem Instrument, um die beson­deren Inter­essen der zur Regu­lierung anvi­sierten Gruppe zu fördern. Zu diesem Zweck werden die Inter­es­sen­gruppen gemäß ihren beson­deren Anliegen Son­der­re­ge­lungen fordern, um den Staats­ap­parat als Instrument zur För­derung der eigenen Inter­essen zu benutzen.
IX. Kurz­sich­tigkeit
Der poli­tische Zeit­ho­rizont ist die nächste Wahl. In dem Bestreben, dass die Vor­teile poli­ti­schen Han­delns schnell ihren spe­zi­fi­schen Inter­es­senten zugu­te­kommen, wird der Poli­tiker kurz­fristige Pro­jekte bevor­zugen, auch wenn diese nur vor­über­ge­hende Vor­teile bringen und lang­fristig mehr kosten als ein alter­na­tives Projekt, in dem die Kosten zuerst anfallen und die Vor­teile erst später kommen. Da die Bereit­stellung öffent­licher Güter durch den Staat die Ver­bindung zwi­schen dem Kos­ten­träger und dem unmit­telbar Begüns­tigten trennt, ist die zeit­liche Prä­ferenz für die vom Staat scheinbar unent­gelt­liche Nach­frage nach Gütern zwangs­läufig höher als im Marktsystem.
X. Rationale Ignoranz
Es ist rational, wenn sich der ein­zelne Wähler in einer Mas­sen­de­mo­kratie über die poli­ti­schen Fragen nicht gründlich infor­miert, weil der Wert der Stimme des Ein­zelnen so gering ist, dass sie für das Ergebnis keinen Aus­schlag gibt. Der rationale Wähler wird für die­je­nigen Kan­di­daten stimmen, die die meisten Vor­teile ver­sprechen. Ange­sichts des geringen Gewichts einer Ein­zel­stimme in einer Mas­sen­de­mo­kratie wird der rationale Wähler nicht viel Zeit und Mühe auf­wenden, um zu unter­suchen, ob diese Ver­sprechen rea­lis­tisch sind oder mit seinen anderen Wün­schen nicht kol­li­dieren. Daher haben die poli­ti­schen Kam­pagnen nicht Infor­mation und Auf­klärung zum Ziel, sondern Des­in­for­mation und Ver­wirrung. Was zählt, ist am Ende mehr Stimmen zu bekommen. Nicht die Soli­dität des Pro­gramms ist wichtig, sondern die Begeis­terung, die ein Kan­didat bei seinen Anhängern erzeugen kann und wie sehr er seine Gegner nie­der­machen, denun­zieren und ernied­rigen kann. Infol­ge­dessen rufen Wahl­kam­pagnen Hass, Pola­ri­sierung und Ver­gel­tungs­lüste hervor.

Erst­ver­öf­fent­li­chung auf www.misesde.org
Antony P. Mueller hat jüngst bei Amazon die Taschen­bücher „Kapi­ta­lismus ohne Wenn und Aber“ und „Feinde des Wohl­stands“ ver­öf­fent­licht. Im Juli dieses Jahres ist eine erwei­terte Ausgabe seines Traktats „Prin­ciples of Anarcho-Capi­talism and Demarchy“ erschienen.
Dr. Antony P. Mueller (antonymueller@gmail.com) ist habi­li­tierter Wirt­schafts­wis­sen­schaftler der Uni­ver­sität Erlangen-Nürnberg und derzeit Pro­fessor der Volks­wirt­schafts­lehre, ins­be­sondere Makro­öko­nomie, an der bra­si­lia­ni­schen Bun­des­uni­ver­sität UFS (www.ufs.br), wo er am Zentrum für ange­wandte Wirt­schafts­for­schung und an deren Kon­junk­tur­be­richt mit­ar­beitet und im Dok­to­rats­pro­gramm für Wirt­schafts­so­zio­logie mit­wirkt. Er ist Mit­glied des Ludwig von Mises Institut USA, des Mises Institut Bra­silien und Senior Fellow des Ame­rican Institute of Eco­nomic Research (AIER). Außerdem leitet er das Web­portal Con­ti­nental Eco­nomics (www.continentaleconomics.com).