Frank­reich im freien Fall

von Guy Millière

  • Fran­zö­sische Beamte ver­stehen offen­sichtlich, dass die Ter­ro­risten sich auf einen langen Krieg ein­ge­stellt haben und dass es schwierig sein wird, sie auf­zu­halten; doch sie scheinen auf­ge­geben zu haben. Diese Beamten sind sich zwei­fellos bewusst, dass junge fran­zö­sische Muslime in zuneh­mender Zahl radi­ka­li­siert werden. Die Antwort war jedoch die Stärkung mus­li­mi­scher Insti­tu­tionen in Frankreich.
  • Zum Zeit­punkt der Rede von Prä­sident Macron war einer seiner Abge­sandten in Marokko, um den glo­balen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration der UNO zu unter­zeichnen, der die Immi­gration als “vor­teilhaft” für die Gast­länder defi­niert. Darin ver­pflichten sich die Unter­zeich­ner­staaten, “die Systeme zur Erbringung von Dienst­leis­tungen zur Inklusion von Migranten zu stärken”.
  • Eine Gruppe pen­sio­nierter Generäle ver­öf­fent­lichte einen offenen Brief, in dem sie erklärten, dass die Unter­zeichnung des Glo­balen Paktes ein wei­terer Schritt zur “Aufgabe der natio­nalen Sou­ve­rä­nität” sei, und fest­stellten, dass “80% der fran­zö­si­schen Bevöl­kerung der Meinung sind, dass die Ein­wan­derung gestoppt oder dras­tisch regu­liert werden muss.”
  • Der Autor Éric Zemmour beschrieb die Revolte der “Gelben Westen” als Folge der “Ver­zweiflung von Men­schen, die sich durch die Ent­schei­dungen einer ver­ächt­lichen Kaste gede­mütigt, ver­gessen, ihres eigenen Landes beraubt fühlen”.

Straßburg, Frank­reich. Weih­nachts­markt. 11. Dezember, 20 Uhr. Ein Mann, der “Allahu Akbar” (“Allah ist der Größte”) brüllt, schießt auf Pas­santen, dann ver­letzt er mehrere mit einem Messer. Er ermordet drei Men­schen vor Ort und ver­letzt ein Dutzend andere, einige davon schwer. Zwei werden später an ihren Ver­let­zungen sterben. Der Mörder ent­kommt. Zwei Tage später erschießt ihn die Polizei.
Er war der Polizei bekannt. Als Mit­glieder der Gene­ral­di­rektion für innere Sicherheit und einige Gen­darmen einige Stunden zuvor in sein Haus kamen, war er geflohen. Obwohl sie wussten, dass er ein bewaff­neter und gefähr­licher Islamist ist, der zu allem bereit war, und dass Weih­nachts­märkte wahr­schein­liche Ziele waren und sein könnten, gab es keine Überwachung.
Der Mörder, Cherif Chekatt, hätte eigentlich von der Straße fern­ge­halten werden sollen. Er war 29 Jahre alt, sein Name stand auf der Liste der Per­sonen, die wegen ter­ro­ris­ti­scher Radi­ka­li­sierung (FSPRT) gemeldet waren, und er war bereits 27 Mal wegen ver­schie­dener Ver­brechen ver­ur­teilt worden. Dennoch lief er frei herum, ohne poli­zei­liche Überwachung.
Sein Fall ist ähnlich wie der vieler Dschi­hadt­er­ro­risten in Frank­reich der letzten zehn Jahre. Weitere sind Mohamed Merah, der 2012 in Tou­louse jüdische Kinder ermordete; Cherif und Said Kouachi, die den größten Teil der Mit­ar­beiter des Sati­re­ma­gazins Charlie Hebdo im Jahr 2015 ermor­deten, und Amedy Cou­libaly, der wenige Tage später Men­schen in einem koscheren Super­markt ermordete.
Die auf­ein­an­der­fol­genden Regie­rungen haben genau nichts getan, um die Situation zu ver­bessern. Statt­dessen hielten sie Reden und sta­tio­nierten Sol­daten auf den Straßen. “Junge Fran­zosen müssen sich daran gewöhnen, mit der Gefahr von Angriffen zu leben”, sagte der damalige Pre­mier­mi­nister Manuel Valls 2015. Zwei Jahre später, kurz vor dem ersten Wahlgang der Prä­si­dent­schafts­wahlen, benutzte Emmanuel Macron, der noch Kan­didat ist, fast die gleichen Worte. Der Ter­ro­rismus sei “unwägbar” und werde eine “Bedrohung dar­stellen, die noch jah­relang zum Alltag der Fran­zosen gehören wird”.
Die fran­zö­si­schen Gesetze sind extrem lax. Selbst Seri­en­mörder und Ter­ro­risten werden nicht zu langen Haft­strafen ver­ur­teilt. Die meisten Gefäng­nisse sind zu dschi­ha­dis­ti­schen Rekru­tie­rungs­sta­tionen geworden. Derzeit stehen mehr als 600 No-Go-Zonen unter der Kon­trolle von Imamen und mus­li­mi­schen Banden. Isla­misten, die scheinbar “zu allem bereit sind” sind, gehen in die Tau­sende. Die Polizei verfügt einfach nicht über die per­so­nellen oder mate­ri­ellen Res­sourcen, um sie alle zu überwachen.
Die ein­zigen poli­ti­schen Führer, die strengere Gesetze gegen den Ter­ro­rismus vor­ge­schlagen haben oder die gesagt haben, dass außer­ge­wöhn­liche Maß­nahmen erfor­derlich sind — wie z.B. ein brei­terer Einsatz von elek­tro­ni­schen Fuss­fesseln -, um der zuneh­menden Bedrohung zu begegnen, kommen von Par­teien, die als “rechts” gelten. Die Main­stream-Medien brand­markten diese Führer sofort als “Extre­misten”, und ihre Vor­schläge wurden in Bausch und Bogen abgelehnt.
Macron und seine Regierung setzen ihre unglück­liche Tra­dition fort, sich der poli­ti­schen Kor­rektheit zu unter­werfen. Es scheint, dass sie es vor­ziehen, Extre­misten zu beschwich­tigen, statt sie zu konfrontieren.
Diese Poli­tiker sind sich zwei­fellos bewusst, dass weitere Unruhen statt­finden könnten. Im Jahr 2016 sprach der Leiter der fran­zö­si­schen Gene­ral­di­rektion für innere Sicherheit, Patrick Calvar, von einem hohen Risiko von “Zusam­men­stößen zwi­schen den Gemein­schaften”, viel­leicht sogar von Bürgerkrieg.
Diese Beamten ver­stehen offen­sichtlich, dass die Ter­ro­risten sich auf einen langen Krieg ein­ge­stellt haben und dass es schwierig sein wird, sie auf­zu­halten; doch sie scheinen auf­ge­geben zu haben. Diese Beamten sind sich zwei­fellos bewusst, dass junge fran­zö­sische Muslime in zuneh­mender Zahl radi­ka­li­siert werden. Die Antwort war jedoch die Stärkung mus­li­mi­scher Insti­tu­tionen in Frankreich.
Obwohl diese Beamten ver­mutlich auch sehen, dass die mus­li­mische Ein­wan­derung nach Frank­reich anhält und dass Hun­dert­tau­sende ille­galer mus­li­mi­scher Migranten erhöhte Sicher­heits­pro­bleme her­vor­rufen, tun sie nichts, um den Trend umzu­kehren. Die Zahl der Abschie­bungen steigt, sie sind aber immer noch selten: Etwas mehr als 26.000 Per­sonen wurden 2017 abge­schoben. Wäh­rend­dessen leben mehr als 150.000 illegale Ein­wan­derer in Seine Saint Denis bei Paris. Macron hat seit seiner Amts­über­nahme wie­derholt gesagt, dass die­je­nigen, die ihn auf­fordern, illegale Ein­wan­derer aus­zu­weisen, “frem­den­feindlich” seien.
Macron und die der­zeitige Regierung haben sogar mehr Migration gefördert: Alle ille­galen Ein­wan­derer in Frank­reich erhalten finan­zielle Unter­stützung, wenn sie darum bitten, sowie kos­tenlose Gesund­heits­ver­sorgung; und sie laufen fast nicht Gefahr, abge­schoben zu werden.
Jedes Jahr werden mehr als 200.000 Auf­ent­halts­titel erteilt (262.000 im Jahr 2017), auch für illegale Ein­wan­derer. Viele haben keine markt­fä­higen Fähig­keiten, einige erhalten jahr­zehn­telang das Min­dest­ein­kommen, das jeder, der in Schwie­rig­keiten ist, erhält.
Die soziale Unter­stützung von Migranten, ob legal oder nicht, erhöht die Kosten eines immer teu­reren Sozi­al­systems. Frank­reich ist heute das am höchsten besteuerte Land der ent­wi­ckelten Welt: Die Zwangs­ab­gaben machen mehr als 45% des BIP aus. Die Arbeits­lo­sigkeit ist mit 9,1% hoch. Typische Löhne sind sowohl niedrig als auch sta­gnierend. Ein Lehrer, der an einer öffent­lichen Schule zu unter­richten beginnt, ver­dient 1.794 Euro pro Monat (2.052 Dollar). Ein Polizist ver­dient nach einem Dienstjahr noch weniger: 1.666 Euro pro Monat (1.906 Dollar).
Macron ver­sprach als gewählter Prä­sident, das Wachstum zu steigern und die Kauf­kraft zu ver­bessern. Um große und mul­ti­na­tionale Unter­nehmen zu ermu­tigen, in Frank­reich zu inves­tieren, senkte er ihre Steuern und besei­tigte eine Ver­mö­gens­steuer. Da er das fran­zö­sische Haus­halts­de­fizit anscheinend nicht erhöhen wollte (2,6% im Jahr 2017), schuf er neue Steuern und erhöhte einige der von der gesamten Bevöl­kerung gezahlten Steuern, ein­schließlich der Kraftstoffsteuern.
In diesem Zusam­menhang ent­standen die “Gelben Westen” (“Gilets jaunes”), die seit acht Wochen­enden in ganz Frank­reich ran­da­lieren. Sie haben geschworen, weiter zu demonstrieren.
Die neuen Steuern sowie die Erhöhung der bestehenden Steuern haben viele Men­schen in eine echte finan­zielle Notlage gebracht. Viele sahen auch die Senkung der Steuern für Groß­un­ter­nehmen in Ver­bindung mit der Strei­chung der Ver­mö­gens­steuer für die Reichen als unver­schämt unfair an. Sie sehen sehr wohl, dass sich ein Mangel an Sicherheit aus­breitet, dass die Ein­wan­derung explo­diert und dass die Regierung nicht für genügend Recht und Ordnung sorgt.
Macrons Bemer­kungen, wie ein Ver­gleich zwi­schen “denen, die erfolg­reich sind und denen, die nichts sind” — oder seine Klar­stellung, dass “das Leben eines Unter­nehmers viel härter ist als das eines Ange­stellten” — gaben ihm das Bild eines arro­ganten Empor­kömm­lings, der die Armen ver­achtet und nichts über die Pro­bleme weiß, mit denen sie kon­fron­tiert sind. Einige seiner Äuße­rungen — wie “es gibt keine fran­zö­sische Kultur” oder die Fran­zosen seien Gallier, die “gegen Ver­än­de­rungen resistent” sind — führten viele zu dem Glauben, dass er nicht einmal vor den Fran­zosen oder vor Frank­reich Respekt hat.
Das Wuchern von Geschwin­dig­keits­ra­daren auf den Straßen und die Absenkung der Geschwin­dig­keits­be­grenzung auf 80 km/h, ausser auf Auto­bahnen sowie in der Folge ein spür­barer Anstieg der Straf­zettel, trugen eben­falls nicht zu seiner Akzeptanz bei.
Schließlich löste eine weitere Erhöhung der Kraft­stoff­steuern eine Revolte aus, die bis heute nicht nach­ge­lassen hat.
Zum ersten Protest der “gelben Westen”, der am 17. November stattfand, ver­sam­melten sich spontan Hun­dert­tau­sende von Men­schen im ganzen Land und wurde von mehr als 80% der Bevöl­kerung unterstützt.
Statt rasch zu reagieren und zu sagen, dass er die Schwie­rig­keiten von Mil­lionen von Fran­zosen ver­steht, wartete Macron 10 Tage, bis zu einer zweiten Demons­tration, die größer als die erste war, bis er reagierte. Er hielt dann eine Rede zum Thema Umwelt und betonte, dass Kraft­stoff­steuern not­wendig seien, um den “Kli­ma­wandel” zu bekämpfen.
Seine Worte schienen völlig bar jeden Kon­takts mit der wirt­schaft­lichen Notlage der Öffentlichkeit.
Vier Tage später, am 1. Dezember, zog eine dritte Demons­tration sogar noch mehr Men­schen an als die zweite. Die Demons­tranten schwenkten fran­zö­sische Fahnen und sangen die Natio­nal­hymne. Leute, die im Fern­sehen sprachen, sagten, Macron habe sich über sie lustig gemacht und erin­nerten ihn an seine Ver­sprechen. Sie for­derten seinen Rück­tritt, Neu­wahlen und die Rückgabe der Sou­ve­rä­nität an das Volk.
Banden aus den Vor­orten plün­derten Geschäfte und zer­störten Eigentum. Die Polizei ging besonders brutal gegen die Demons­tranten vor, konnte aber die Plün­de­rungen und Zer­stö­rungen nicht verhindern.
Macron sagte nichts.
Am 8. Dezember, dem Tag der vierten Demons­tration, wurde Paris prak­tisch unter Bela­gerung gestellt. Gepan­zerte Fahr­zeuge wurden entlang der Haupt­straßen sta­tio­niert. Tau­sende von Poli­zisten sperrten den Zugang zur Nach­bar­schaft der Prä­si­den­ten­re­sidenz, dem Élysée-Palast. Ein Hub­schrauber wartete im Innenhof des Élysée-Palastes, für den Fall, dass Macron eva­kuiert werden müsste. Plün­derung und Zer­störung begannen wieder.
Als Macron sich schließlich am 10. Dezember ent­schied, endlich etwas zu sagen, kün­digte er eine leichte Erhöhung des Min­dest­lohns und die Abschaffung mancher Steuern an. Er ver­sprach, eine “nationale Debatte” zu eröffnen und kün­digte die Not­wen­digkeit einer Über­prüfung der Immi­gra­ti­ons­regeln an. Zum Zeit­punkt, als Macron sprach, war aller­dings einer seiner Abge­sandten im Namen Frank­reichs in Marokko, um den Glo­balen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration der UNO zu unter­zeichnen, der die Ein­wan­derung als “vor­teilhaft” für die Gast­länder defi­niert. Darin ver­pflichten sich die Unter­zeich­ner­staaten, “die Systeme zur Erbringung von Dienst­leis­tungen zur Inklusion von Migranten zu stärken”. Am nächsten Tag fand der Ter­ror­an­schlag in der Nähe eines Weih­nachts­marktes in Straßburg statt, bei dem fünf Men­schen getötet wurden.
Die Wut der Öffent­lichkeit ließ nicht nach. Die “Gelbe Westen”-Demonstranten, die in den fol­genden Tagen im Fern­sehen sprachen, sagten, dass Macron offen­sichtlich nicht Maß genommen habe an dem, was sie gesagt hätten. Sie erklärten, dass das Gerede über die Über­prüfung der Immi­gra­ti­ons­regeln bei gleich­zei­tiger Unter­zeichnung des Glo­balen Paktes — ohne Rück­sicht auf die Meinung der Bevöl­kerung — zeigte, dass Macron ein Lügner sei.
Eine Gruppe pen­sio­nierter Generäle ver­öf­fent­lichte einen offenen Brief, in dem sie erklärten, dass die Unter­zeichnung des Glo­balen Paktes ein wei­terer Schritt zur “Aufgabe der natio­nalen Sou­ve­rä­nität” sei, und stellten fest, dass “80% der fran­zö­si­schen Bevöl­kerung der Meinung sind, dass die Ein­wan­derung gestoppt oder dras­tisch regu­liert werden muss”.
“Dadurch, dass Sie allein ent­schieden haben, diesen Pakt zu unter­zeichnen”, schrieben die Generäle, “… sind Sie schuldig an der Ver­leugnung der Demo­kratie, sogar des Verrats, in Bezug auf die Nation”.
Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terin Flo­rence Parly sagte, dass der Brief der Generäle “unzu­lässig und unwürdig” sei, bestritt aber die vor­ge­brachten Argu­mente nicht. Wieder sagte Macron nichts.
Am 22. Dezember, als die fünfte Demons­tration der “Gelben Westen” stattfand, obwohl die Demons­tranten weniger zahl­reich waren, schien ihre Wut inten­siver zu sein. Die Rufe nach Macrons Rück­tritt kamen von überall her. Eine Mario­nette, die Macron dar­stellte, wurde sym­bo­lisch mit einer nach­ge­ahmten Guil­lotine ent­hauptet. Eine Skulptur mit einer gelben Hand, die dem Logo von SOS Ras­sismus ähnelte, der ältesten Orga­ni­sation zur Bekämpfung von “Ras­sismus” und “Isla­mo­phobie” in Frank­reich, wurde verbrannt.
Anti­se­miten nutzten die Gele­genheit, ihre üblichen Mei­nungen dar­zu­legen, waren aber mar­ginal. Regie­rungs­sprecher Ben­jamin Gri­veaux hin­gegen griff mit seinen Kom­men­taren die “Gelbe Westen”-Demonstranten an. Er ver­schickte einen Tweet, in dem er sagte, dass die “Gelben Westen feige, ras­sis­tisch, anti­se­mi­tisch” und von der Art seien, die Umstürze insze­nieren würden. Zuvor hatte er gesagt, dass Macron auf jeden Fall nicht “den Kurs ändern” werde.
Macron scheint zu hoffen, dass Erschöpfung die “Gelben Westen” zum Auf­geben bringt, doch es gibt noch keine Anzeichen dafür. Im Gegenteil, die “Gelben Westen” scheinen dezi­diert darauf aus­ge­richtet zu sein, ihn zu Fall zu bringen. Die­je­nigen am Fern­sehen sagen, dass sie ent­schlossen sind, “bis zum Ende” zu kämpfen. Der wirt­schaft­liche Schaden ist beträchtlich; die ersten Schät­zungen belaufen sich auf Hun­derte von Mil­lionen Euro.
“Macron und sein Team”, schrieb kürzlich Ivan Rioufol, ein redak­tio­neller Autor bei Le Figaro, “wäre falsch beraten, zu glauben, dass, wenn die Mobi­li­sierung während der Weih­nachts­fei­ertage nach­lässt, es bedeutet, dass sie aus dem Schneider sind”.
Der Autor Éric Zemmour beschrieb die Revolte als das Ergebnis der “Ver­zweiflung von Men­schen, die sich durch die Ent­schei­dungen einer ver­ächt­lichen Kaste gede­mütigt, ver­gessen und ihres eigenen Landes beraubt fühlen”. Er kam zum Schluss, dass er der Meinung ist, dass Macron jeg­liche Legi­ti­mität ver­loren hat und dass seine Prä­si­dent­schaft vorbei ist.
Der Radio­kom­men­tator Jean-Michel Aphatie sagte, dass die Prä­si­dent­schaft und die Regierung “an einem Faden hängen”, und dass der von den Gene­rälen ver­öf­fent­lichte Brief ein starkes Zeichen dafür sei, dass die fran­zö­si­schen Insti­tu­tionen tief erschüttert seien. “Wenn die Polizei schwankt”, betonte er, “könnte Frank­reich schnell ins Chaos rutschen”.
Am 20. Dezember, zwei Tage vor der fünften Demons­tration der “Gelben Westen”, orga­ni­sierten Poli­zisten einen Protest vor dem Élysée-Palast. Der Vize­prä­sident einer Orga­ni­sation, die sich aus Poli­zei­be­amten zusam­men­setzt, sagte, dass viele Mit­glieder erschöpft seien, Sym­pathie für den Auf­stand hätten und bereit seien, sich ihm anzuschließen.
Am nächsten Tag erhöhte die Regierung die Gehälter der Poli­zei­be­amten und zahlte ihnen Mil­lionen für Über­stunden — Zah­lungen, die seit Monaten über­fällig waren.
“Die Behörden haben große Angst, dass sich die Polizei gegen sie wenden könnte”, kom­men­tierte der Jour­nalist Jean-Michel Aphatie. “Es ist schwer vor­stellbar. An diesem Punkt stehen wir heute in Frankreich”.
Die Popu­la­rität Macrons ist im freien Fall; sie ist auf 18% gesunken. Die Popu­la­rität von keinem fran­zö­si­schen Prä­si­denten ist jemals so schnell so tief gesunken. Flore San­tis­teban, Pro­fes­sorin am Pariser Institut für poli­tische Studien, zitierte Umfragen, die zeigten, dass Macron nun “einen inten­siven Hass und viel­leicht mehr als Hass: Wut” kristallisiert.
Viele Kom­men­ta­toren fragen sich, wie Macron in den kom­menden Wochen noch regieren kann, und fragen, ob er gezwungen werden könnte, zurück­zu­treten und vor­ge­zogene Prä­si­dent­schafts­wahlen auszurufen.
Mehrere Nach­rich­ten­ana­lysten haben gesagt, dass Marine Le Pen, Füh­rerin der rechten, popu­lis­ti­schen Partei Ras­sem­blement National, zur Prä­si­dentin gewählt werden könnte. Die Themen ihrer Prä­si­dent­schafts­kam­pagne 2017 ähnelten den For­de­rungen der “Gelbe Westen”-Bewegung.
Macron sagt immer noch nichts. Er ist nir­gends in Sicht. Seine ein­zigen öffent­lichen Äuße­rungen der letzten Zeit wurden im Ausland gemacht: Belgien und Tschad. Sein letzter öffent­licher Auf­tritt in Frank­reich war am 4. Dezember im Zen­tral­massiv am späten Abend. Er ging zu den Schäden an einem Amts­ge­bäude, das teil­weise von Van­dalen ver­brannt worden war. Obwohl sein Besuch unan­ge­kündigt war, eilten Dut­zende von “Gelben Westen” herbei, belei­digten ihn, und er ging schnell wieder.
Umfragen zeigen, dass der Ras­sem­blement National von Le Pen die Wahlen zum Euro­päi­schen Par­lament im Mai 2019 mit 24%-25% der Stimmen gewinnen könnte. Eine weitere rechts­ge­richtete, natio­na­lis­tische Partei, Debout la France! (Steh auf, Frank­reich!) unter der Leitung des Abge­ord­neten Nicolas Dupont-Aignan und mit dem Ras­sem­blement National ver­bündet, könnte 8% erreichen. Die Gesamt­summe würde 32%-33% der Stimmen betragen. Macrons Partei La Répu­blique En Marche!, die vor zwei Jahren gegründet wurde, wird vor­aus­sichtlich nur 18% der Stimmen erhalten.
Die Wahl zum Euro­päi­schen Par­lament hat keine direkten Aus­wir­kungen auf das poli­tische Leben Frank­reichs. Ein solches Ergebnis wäre jedoch eine ver­nich­tende Ablehnung von Macron — wenn er es schafft, bis dahin an der Macht zu bleiben.
Vor einigen Monaten stellte sich Macron als Ver­fechter eines offenen, “fort­schritt­lichen” und mul­ti­kul­tu­rellen Europas vor und beschrieb die Ver­tei­diger der natio­nalen Sou­ve­rä­nität und all jene, die der Ein­wan­derung und dem Mul­ti­kul­tu­ra­lismus feindlich gesinnt waren, als “Aus­sätzige” und Anhänger des “kriegs­lüs­ternen Natio­na­lismus”, die “die Ablehnung des anderen” preisen. Er tat so, als würde er pro­blemlos über sie triumphieren.
Im Juli 2017 deutete er an, dass er wie der römische Gott Jupiter regieren würde. Es dauerte nicht lange, bis er von seinem Sockel fiel.
Am Abend des 31. Dezember bot Macron dem fran­zö­si­schen Volk seine Wünsche für das Jahr 2019 an. Er hat sich nicht ent­schuldigt. Er igno­rierte die Beschwerden der “Gelben Westen” und ihrer Anhänger. Er sagte bloß, dass “Wut aus­ge­brochen sei” und dass “die Ordnung ohne Nach­sicht auf­recht­erhalten werde”. Er beschrieb alles, was er seit seinem Amts­an­tritt als Prä­sident getan hatte, in posi­tiven Begriffen. Er fügte hinzu, dass er in die gleiche Richtung “vor­an­schreiten” werde, ohne etwas zu ändern: “Ich beab­sichtige, die Linie fort­zu­setzen, die ich seit dem ersten Tag meines Mandats ver­folgt habe”. Er beschrieb seine poli­ti­schen Gegner als “Extre­misten”, “Dem­agogen” und “Mega­phone einer hass­erfüllten Menge”. Er sagte erneut, dass der “Kampf gegen die globale Erwärmung” eine absolute Prio­rität sei.
Viele der im Fern­sehen inter­viewten “Gelbe Westen”-Demonstranten schienen ver­ärgert; einige sagten, sie hätten sich ent­schieden, sich die Rede nicht einmal anzu­hören. Macrons poli­tische Gegner kri­ti­sierten ihn scharf. Nicolas Dupont-Aignan schrieb:
“Heute Abend hatten die Fran­zosen die Bestä­tigung, dass Emmanuel Macron nichts aus den Ereig­nissen von 2018 gelernt hat. Während seine Politik mehr als 75% der Fran­zosen gegen ihn vereint, scheint er ent­schlossen, unter Miss­achtung der Demo­kratie fortzufahren.”
Lau­rence Saillet, von der gemä­ßigten rechten Partei Die Repu­bli­kanersagte:
“Ich fühle, dass er, während die gelben Westen demons­trierten, auf einem anderen Pla­neten war… Er hat nicht den Zorns des Landes zum Maß genommen. Er macht kein mea culpa, er bewertet sein Handeln sogar positiv, genau jenes, das von den Fran­zosen abge­lehnt wird.”
Marine Le Pen twit­terte: “Dieser Prä­sident ist ein Hoch­stapler. Und ein Pyromane.”
Am 3. Januar wurde Eric Drouet, eines der Haupt­ge­sichter der Bewegung der “Gelben Westen”, auf dem Weg zum Place de la Con­corde im Zentrum von Paris, um Kerzen anzu­zünden, um den seit Beginn der Demons­tra­tionen ver­wun­deten oder getö­teten “Gelben Westen” zu gedenken, von einem Dutzend Poli­zisten ver­haftet. Er ging friedlich mit 15 bis 20 seiner Freunde auf dem Bür­ger­steig spa­zieren. Keiner von ihnen schrie oder trug Banner oder gar eine gelbe Weste. Drouet wurde ange­klagt, weil er einen ille­galen Protest orga­ni­siert habe. Macrons poli­tische Gegner sagten, dass Macron nur noch mehr Öl ins Feuer gieße.
Am 4. Januar, nach der ersten Kabi­netts­sitzung des Jahres, bat Macron den Regie­rungs­sprecher Ben­jamin Gri­veaux, zu sagen, dass “die­je­nigen, die wei­terhin demons­trieren … Agi­ta­toren sind, die Auf­stand fördern”, und dass die Regierung “weiter gehen muss, und zwar auf ver­stärkte Weise”.
Am Samstag, den 5. Januar, demons­trierten erneut Tau­sende von “Gelben Westen” und for­derten Macrons Rück­tritt. Sie brachen die Türen von Gri­veaux’ Büro­ge­bäude ein, während dieser floh. Am Abend sahen die Straßen von Paris und anderen Städten erneut wie Schlacht­felder aus.


Quelle: Gatestone Institute