Am Montag vor einer Woche standen die Anführer der katalanischen Separatisten vor Gericht. Spaniens Oberster Gerichtshof verurteilte sie wegen Aufruhr, Ungehorsam, Veruntreuung öffentlicher Gelder (aber nicht wegen „rebelíon“, was noch höhere Strafen nach sich gezogen hätte) zu sehr langen Gefängnisstrafen von mindestens neun bis zu 13 Jahren. Diese harten Urteile wurden von heftigen Protestaktionen begleitet, wie das Besetzen der Bahnhofshalle, was die Reisemöglichkeit lahmlegte, die Flughafenstraßen wurden blockiert, Protestmärsche durch Barcelona. 525.000 Menschen sollen friedlich (!) gegen die sehr harten Urteile der neun führenden Freiheitskämpfer … Ach nein, Separatistenführer … protestiert und mehr Selbstbestimmung gefordert … ach, nein … Krawall gemacht haben.
Barcelona und Hongkong: Straßenproteste sind nicht gleich!
Davon hören wir wenig in den deutschen Medien – und wenn, dann bisher nur sehr verhalten und recht kritisch gegenüber den Protestlern. Erstaunlich anders als bei den Unruhen in Hongkong ist in Katalonien gleich von „Krawall“ die Rede, in Hongkong nur von Protesten. Die spanische Regierung in Madrid fordere zu Recht, heißt es, dass in Barcelona zuerst das Gesetz respektiert werden müsse, und erst dann könne es einen Dialog geben. In Hongkong sind es mutige Bürger, die sich gegen die Pekinger Diktatur und brutale Polizeigewalt auflehnen. Merke: Polizeigewalt in Hongkong ist böse und diktatorisch. Aber in Barcelona sind die prügelnden Polizisten, die 182 Menschen krankenhausreif geschlagen haben, die maßvollen Vertreter von Recht und Gesetz und handeln legitim.
Dass Hongkong als Stadtstaat mit einiger Autonomie seine Selbständigkeit gegen die Volksrepublik Chinas tapfer verteidigt, ist so großartig, dass deutsche Politiker sich mit moralischen Vorwürfen in Peking einmischen. In Spanien ist Katalonien eine „abtrünnige Region“.
Fernando Grande-Marlaska, der Innenminister Spaniens, reiste extra nach Barcelona, um ein paar der Verletzten zu besuchen. Wahrscheinlich die 22 verletzten Polizisten. Danach teilte er ungeachtet der 182 verletzten Protestierer der Presse mit, die Polizei „habe nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit agiert“.
Es gibt aber einen neuen Faktor im Straßenprotest
Der weitaus größte Teil der Katalanen übt sich in friedlichem, gewaltfreien Protest. Aber es gibt auch andere. Der Spiegel schreibt: „ … aber diese Mehrheit hat die Kontrolle verloren über einige Hundert frustrierte junge Menschen, die nun schon seit fünf Nächten in Barcelona Müllcontainer und Absperrungen abfackeln. Auch die Inszenierung des Protestes entgleitet den Separatisten zunehmend. Ihr Streben nach Unabhängigkeit kann nur Erfolg haben, so war es lange Konsens, wenn der Protest friedlich bleibt, wenn sich genug Spanier und Europäer auf ihre Seite schlagen.
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Die Aktivisten ließen sich bei ihrer Aktion wohl von den Protesten in Hongkong inspirieren. Das Ziel scheint klar: Mit radikaleren Methoden als zuvor die spanische Regierung an den Verhandlungstisch zwingen. Wirtschaftliche Schäden anrichten, mehr Aufmerksamkeit erregen.
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Einigen — vor allem Teenagern und Menschen Anfang 20 — aber reicht es nicht, Flughäfen zu blockieren oder Unternehmen zu boykottieren. Sie sind es, die nun Nacht für Nacht mit katalanischen und spanischen Polizisten kämpfen. “
Sieh an, ein neuer Verschleierungsbegriff zur Vertuschung der Vorgänge in Barcelona: „Frustrierte, junge Menschen“, soso.
Kataloniens Innenminister Miquel Buch sagte im katalanischen Fernsehen, dass Katalonien noch nie eine so extreme Gewalt gesehen habe, wie in der Nacht zum Samstag. Er fügte hinzu:
„Das sind natürlich keine Separatisten, das sind Gewalttätige“, die es aber nicht schaffen würden, die Befürworter der Unabhängigkeit „zu besudeln“.
Die Zahl dieser gewaltaffinen, „frustrierten, jungen Menschen“ wird auf mehr als 4.000 Kämpfer geschätzt, der harte Kern seien 400 organisierte Chaoten, sagt Innenminister Fernando Grande-Marlaska. Man vermutet, dass eine ganze Reihe der Schläger-Trupps aus allen Regionen Spaniens sowie aus dem Ausland angereist sind. Kein neues Phänomen, wie wir wissen.
Hunderttausende hatten zuvor am Freitag im Zentrum von Barcelona friedlich für die Freilassung der Verurteilten und für das Recht auf Selbstbestimmung der Katalanen demonstriert. Die Teilnehmer allen Alters sangen in ausgelassener Stimmung auch die katalanische Hymne. Die Stadtpolizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf 525 000. Separatistische Gewerkschaften hatten zudem einen 24-stündigen Generalstreik veranstaltet, der von sehr vielen befolgt wurde.
(Fotos dazu sind ebenfalls hier zu sehen)
Im Gegensatz dazu:
Vermummte und dunkel gekleidete Antifa-Aktivisten, die in dieser großen Zahl erst seit kurzem an den Separatisten-Protesten teilnehmen, errichteten auch am Freitagabend brennende Barrikaden. Sie rissen Verkehrsschilder aus, setzten Müllcontainer in Brand und bewarfen die Polizisten mit Steinen, Eiern und anderen Gegenständen. Die Polizei setzte unter anderem Gummigeschosse, Tränengas und erstmals auch Wasserwerfer ein. Der öffentlich-rechtliche TV-Sender RTVE sprach von einer „wahren Schlacht“.
Die Antifa und extreme Linke als Sabotage-U-Boote
Der separatistische Regionalpräsident Quim Torra hatte die Gewalt in der Nacht zum Donnerstag erstmals kritisiert. „Das muss sofort aufhören. Es gibt weder einen Grund oder eine Rechtfertigung dafür, Autos in Brand zu stecken, noch für andere vandalische Aktionen“, sagte er in einer vom Fernsehen übertragenen Erklärung.
Einen größeren Gefallen konnten die Antifa-Prügler und Gewalttäter dem angeblich ja so „verhassten System“ gar nicht tun. Sie schaden der katalanischen Freiheitsbewegung enorm und liefern die Bilder, die die Welt sehen soll, um sich von den berechtigten Forderungen der Katalanen angewidert abzuwenden. Die Fernsehsender dieser Welt zeigen nun statt friedlicher, singender Menschenmassen mit Luftballons und Spruchtransparenten, neuerdings unheilvoll brennende Barrikaden, Autos und Müllcontainer, fliegende Molotow-Cocktails, Qualm, blutende, verletzte Menschen, Schreie, schockierte Bürger, knüppelnde Polizisten, schwarzvermummte, fremde Gewalttäter. Und das wird den friedlichen Demonstranten angelastet. Die Desavouierung der Autonomiebewegung ist so groß, dass die Terror-Chaoten damit das katalanische Volk regelrecht in eine Falle führt und spaltet. Man fragt sich schon fast, wer die Schlägertrupps angeheuert hat, um einen Vorwand zum Niederknüppeln der friedlichen Demonstranten zu schaffen.
Die konservative spanische Volkspartei PP, die patriotische Vox und die liberalen Ciudadanos fordern bereits, Katalonien wieder unter eine strikte Zwangsverwaltung der Regierung in Madrid zu stellen.
Viele Bürger geben Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau, die der extrem linken Initiative Barcelona en Comú angehört, eine Mitverantwortung für die zunehmend aus dem Ruder laufenden Verhältnisse. Colau machte sich einen Namen, weil sie ab 2006 in der „Bewegung für ein würdiges Wohnen in Spanien“ (Movimiento por una vivienda digna en España) aktiv wurde, die gegen Wohnungsknappheit und ständig steigende Immobilienpreise protestierte. Außerdem war sie bei der Hausbesetzerbewegung okupa aktiv. Ihre Kritiker werfen ihr vor, zu nachsichtig auf die Kriminellen zu reagieren, die sich in immer mehr Stadtvierteln Barcelonas ausbreiten.
Wo Gesetzlosigkeit, Gewalt und Chaoten Einzug halten, zerfällt die Sicherheit. Die Kriminalitätsrate in Barcelona explodiert. Im letzten Jahr wies Spanien eine Kriminalitätsrate von 46 Straftaten pro 1.000 Einwohner auf. In Madrid, Spaniens Hauptstadt, waren es 75/1.000, in dem deutlich kleineren Barcelona 121/1.000 Einwohner. Es dürfte sich weiter verschlechtert haben. Viele Bürger ziehen daher aus der Stadt weg.
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