Nur noch minimale Erfolgs­aus­sichten für Flücht­linge im Kirchenasyl

Noch vor wenigen Jahren war für Flücht­linge die Auf­nahme ins Kir­chenasyl fast eine Garantie dafür, dass sie ihr Asyl­ver­fahren in Deutschland durch­laufen dürfen. Inzwi­schen sind ihre Erfolgs­aus­sichten minimal: In weniger als zwei Prozent der in diesem Jahr vom Asyl­bun­desamt geprüften Fälle ver­zichtet die Behörde aus huma­ni­tären Gründen auf eine Abschiebung. Das berichtet die “Süd­deutsche Zeitung” in ihrer Mon­tags­ausgabe unter Berufung auf eine Antwort der Bun­des­re­gierung an die Links­fraktion im Bundestag.
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In den Jahren 2015/16 lag die Erfolgs­quote im Kir­chenasyl noch bei rund 80 Prozent, so die Arbeits­ge­mein­schaft Asyl in der Kirche. In fast allen Fällen wollen die Kir­chen­ge­meinden erreichen, dass ein Schutz­su­chender nicht in den EU-Staat zurück­ge­schickt wird, wo er zuerst euro­päi­schen Boden betreten hat. In einem Dossier müssen sie den Fall dem Bun­desamt für Migration und Flücht­linge (BAMF) schildern. Dieses hat die Mög­lichkeit, aus huma­ni­tären Gründen das Ver­fahren zu über­nehmen. Dies geschieht immer sel­tener: Im ver­gan­genen Jahr war die Erfolgs­quote schon auf knapp 12 Prozent gesunken. In den ersten acht Monaten 2019 standen fünf Zusagen 292 Absagen gegenüber. Will eine Kir­chen­ge­meinde die Abschiebung dennoch ver­hindern, muss der Flüchtling oft 18 Monate in den Kir­chen­räumen leben, bis die Frist zur Abschiebung in einen EU-Staat abge­laufen ist. Derzeit sind rund 430 Fälle von Kir­chenasyl bekannt. Das Innen­mi­nis­terium betont, man prüfe mög­liche huma­nitäre Här­te­fälle ein­heitlich, egal wer dies bean­trage. In einem Großteil der Kir­chenasyl-Fälle hätten bereits Gerichte den Negativ-Bescheid des BAMF bestätigt. Wenn Gemeinden ihr Kir­chenasyl allein auf Argu­mente stützten, die bereits von einem Gericht geprüft seien, bestehe das BAMF in der Regel auf einer Aus­reise. Ulla Jelpke, innen­po­li­tische Spre­cherin der Linken, kri­ti­siert den “Kon­fron­ta­ti­onskurs” des BAMF gegen die Kirchen; Innen­mi­nister Horst See­hofer (CSU) müsse ihn beenden: “Die Kir­chen­ge­meinden machen es sich gewiss nicht einfach und prüfen Kir­chenasyl-Fälle sehr gründlich. Wie anmaßend ist es, ihnen vor­zu­halten, das BAMF könne huma­nitäre Ein­zel­fälle besser ent­scheiden?” Dras­tisch gesunken ist auch die Chance auf Fami­li­en­zu­sam­men­führung in Deutschland für Flücht­linge, die in Grie­chenland leben. Während auf grie­chi­schen Inseln Zehn­tau­sende Flücht­linge unter oft kata­stro­phalen Bedin­gungen leben, haben jene, die Ange­hörige in Deutschland haben, nur geringe Chancen, zu ihnen ziehen zu dürfen. Im zweiten Quartal 2019 hat die Bun­des­re­gierung 84 Mal einem ent­spre­chenden Antrag Grie­chen­lands zuge­stimmt — und 366 Anträge zur Fami­li­en­zu­sam­men­führung abge­lehnt; die Erfolgs­quote aller grie­chi­scher Über­nah­me­ersuche lag bei 17 Prozent. Im Quartal davor betrug sie noch 31 Prozent; im gesamten Vorjahr lag sie bei knapp 40, und 2017 bei 81 Prozent. Grundlage der Zu- und Absagen seien indi­vi­duelle Prü­fungen der Ein­zel­fälle, so die Bun­des­re­gierung. Als “Gegenteil der oft ver­spro­chenen Huma­nität und Soli­da­rität in Europa” kri­ti­siert Jelpke diese Ent­wicklung. “Statt akri­bisch nach Ableh­nungs­gründen zu suchen”, müsse das BAMF die Regeln zur Fami­li­en­zu­sam­men­führung “endlich wieder groß­zügig und men­schen­freundlich hand­haben”, sagte sie.
 

Berlin (dts Nach­rich­ten­agentur) — Foto: Flüchtling, über dts Nachrichtenagentur