Wikimedia commons, Dick Aalders, Bildlizenz: CC BY-SA 2.0 Link zum Material: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Sch%C3%9Ctzen-_und_Volksfest_Unterl%C3%BCss_(7716266882).jpg "Ein seltenes Bild von "Terroristen" in voller Montur: Schützenfest in Unterlüss"

Neues Waf­fen­recht: Mil­lionen Bürger unter Gene­ral­ver­dacht und über Nacht kri­minell – See­hofer schießt über’s Ziel hinaus – herbe Kritik aus der Polizei

Schon jetzt gelten strenge Auf­lagen für Sport­schützen, ein „großes, poli­zei­liches Füh­rungs­zeugnis“ muss vor­gelegt werden, einen Waffen-Sach­kun­de­lehrgang absol­viert, eine War­tezeit bis zur Aus­hän­digung der Waf­fen­be­sitz­karte ein­ge­halten werden. Die Waffe darf nur in einem genau vor­ge­schrie­benen Safe auf­be­wahrt werden und das ohne Magazin. Die Munition muss in einen extra Safe, man darf die Waffe auch zu Schieß­übungen nur unter bestimmten Sicher­heits­vor­keh­rungen trans­por­tieren usw. usf.

Nun will Innen­mi­nister See­hofer die Dau­men­schrauben noch zehn Umdre­hungen fester anziehen. Ziel seiner Ver­schär­fungen sind ganz normale Bürger aus tra­di­tio­nellen Schüt­zen­ver­einen und Schüt­zen­bru­der­schaften, wie es sie seit über hun­derten von Jahren gibt und die Sport­schützen. Die ältesten, urkund­lichen Nach­weise von Schüt­zen­gilden stammen aus 1139 und 1190. Die Sorge Herrn See­hofers, plötzlich bewaffne sich in Deutschland eine Rotte von ver­fas­sungs­wid­rigen Ter­ro­risten, erscheint nicht sehr glaub­würdig. Zumal Herr Minister See­hofer ja selbst Mit­glied eines Schüt­zen­vereins ist.

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Nun plötzlich sollen Herr und Frau Müller, Meier, Schmidt nur noch nach einer Ver­fas­sungs­schutz­ab­frage die Erlaubnis erhalten dürfen, eine Waffe zu führen. Das lässt den Geschichts­kun­digen stutzen: Das letzte Mal, dass die Schüt­zen­vereine wirklich poli­tisch wirksam wurden, war im Vormärz (1815–1848), wo sie eine starke Säule der natio­nal­de­mo­kra­ti­schen Oppo­sition gegen die Klein­staa­terei und Fürs­ten­herr­schaft waren. Ohne sie wären die Ideen des Libe­ra­lismus, des Sozia­lismus, der Freiheit, Brü­der­lichkeit und des Natio­nen­ge­dankens mit dem macht­vollen Pro­test­marsch 1882 hoch zum Ham­bacher Schloss nicht möglich gewesen. Auch damals war die Obrigkeit nicht begeistert vom Frei­heits­willen und Selbst­be­wusstsein der Bürger und reagierte mit Ver­folgung, Unter­drü­ckung und Generalverdacht.

Die neuen Vor­schriften sind zum Teil einfach nicht mehr nach­voll­ziehbar. Nicht nur, dass neue Schützen bei der Polizei vor­stellig zu werden haben, um sich dahin­gehend begut­achten zu lassen, ob sie denn tauglich zum Führen einer Waffe seien. Was soll die Polizei denn anderes tun, als in seinem Füh­rungs­zeugnis nach­zu­sehen, ob er oder sie ein anstän­diger Mensch ist? Und dieses Füh­rungs­zeugnis musste der­jenige ja sowieso schon einreichen.

Dann soll der Schütze mit jeder auf seiner Waf­fen­be­sitz­karte ein­ge­tra­genen Waffe jeweils 18 Mal im Jahr trai­nieren, was auch pro­to­kol­liert werden muss. Wer also drei ein­ge­tragene Waffen hat, muss 52 Trai­nings im Jahr durch­führen. Eine Mords­bal­lerei auf den Schieß­bahnen und ein hoher Muni­ti­ons­ver­brauch wird die Folge sein. Dafür aber wird die erlaubte Größe der Magazine jetzt her­un­ter­ge­setzt, um Ter­ror­an­schläge zu erschweren. Wer Magazine mit mehr als 20 Schuss für Kurz­waffen oder solche mit mehr als zehn Schuss für Lang­waffen besitzt, kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.

Bürger, die nach dem 13. Juni 2017 größere, als die jetzt vor­ge­schrie­benen Magazine gekauft haben, müssen eine Aus­nah­me­ge­neh­migung beim BKA bean­tragen, wenn sie sich nicht strafbar machen wollen. Den Sta­tis­tiken zufolge befinden sich mehr als zehn Mil­lionen groß­vo­lu­miger Magazine im Pri­vat­besitz von Schüt­zen­brüdern (m/w/d) und Sport­schützen. Das bedeutet, dass das Bun­des­kri­mi­nalamt statt gegen echte Ver­brecher zu ermitteln und echte Ver­brechen auf­zu­klären, sich nun endlos mit Haus­durch­su­chungen bei harm­losen Schüt­zen­brüdern und Mil­lionen Aus­nah­me­ge­neh­mi­gungen für Magazine beschäf­tigen muss.

Die Deutsche Poli­zei­ge­werk­schaft sieht das genauso. Sie sieht einen unge­heuren, zeit­rau­benden Mehr­aufwand an Per­sonal auf sich zurollen, um die dann illegal gewor­denen Magazine zu regis­trieren und die Antrags­steller zu über­prüfen. Damit würden nur wert­volle Per­so­nal­res­sourcen gebunden, die andernorts fehlen werden. Gewerk­schafts­prä­sident Rainer Wendt, stets ein Freund klarer Worte, spricht sogar von einer „Idiotie“: „Wir pro­du­zieren zig­tau­sende Straf­täter“. Ehrlos sei, wer dabei denkt, wem denn eine Kri­mi­nal­sta­tistik mit einer über­wäl­ti­genden Anzahl neuer, deut­scher Straf­täter gut zupass käme.

Mit Unver­ständnis fragt indes der Bund Deut­scher Kri­mi­nal­be­amter (BDK) in einer Erklärung, warum denn Magazine, von denen keine besonders große Gefahr ausgeht, „über­haupt ver­boten werden sollen“. Die GdP (Gewerk­schaft der Polizei) bringt es auf den Punkt: Schwer­kri­mi­nelle und Ter­ro­risten ori­en­tierten sich bei der Waf­fen­be­schaffung sicher nicht daran, was in irgend­einem Waf­fen­gesetz steht. Es lägen auch keine Infor­ma­tionen vor über ein­schlägige Straf­taten mit Waffen, die über große Maga­zin­ka­pa­zi­täten verfügen.

Hun­dert­tau­sende völlig unbe­schol­tener Schüt­zen­bruder werden also mit dem neuen Waf­fen­gesetz Punkt Mit­ter­nacht zum ersten Februar zu Kri­mi­nellen. Aber sie befinden sich in guter Gesell­schaft: Selbst der Besitz von Plas­ti­kerbsen-Pis­tolen, wie kleine Jungs sie haben, fällt jetzt unter die Regelung für Softair-Waffen. Da wird der kleine Hansi ratzfatz zum Ter­ro­risten und die alte Tante Christel, die ihm das Ding geschenkt hat, zur ille­galen Waf­fen­händ­lerin. Wie hübsch, gibt es dann auch gene­ra­tio­nen­über­grei­fende Ter­ro­risten-Gefängnis-WGs, wo Opa Heinrich, der nicht wusste, dass seine Magazine, die bis gestern frei ver­käuflich waren, ihn heute zum Ver­brecher machen, zusammen mit seinem Enkel Hansi und Tante Christel in trauter Runde ihre jah­re­lange Strafe absitzen?

Der Geschäfts­führer des Ver­bandes Deut­scher Büch­sen­macher (VdB) nennt die neuen Rege­lungen „See­hofers Schild­bür­ger­streich“. Wer das Gesetz ver­fasst habe, sei „ahnungslos“. „Selbst Kinder werden diesen Rege­lungen zufolge als Ter­ro­risten ein­ge­stuft. Die EU-Richt­linie schreibt vor, den Besitz von Maga­zinen und Airsoft-Waffen zu regeln — nicht alles zu ver­bieten und unter Strafe zu stellen.

Herr Minister See­hofer führt das Attentat bzw. den Versuch eines Attentats auf die Haller Syn­agoge (bei dem leider zwei voll­kommen Unbe­tei­ligte ihr Leben lassen mussten, aber wenigstens Gott sei Dank keine Men­schen in der Syn­agoge ver­letzt oder getötet wurden) als Grund für die unsinnige Ver­schärfung des Waf­fen­rechtes an. Unsinnig deshalb, da der irre Mörder weder Sport­schütze noch Schüt­zen­bruder war, noch hatte er sich die Waffe legal gekauft, sondern selber gebaut. Aber man darf sicher davon aus­gehen, dass er kein Magazin mit mehr als zehn Schüssen bei sich hatte, um sich bloß nicht strafbar zu machen.

Darüber möchte Herr Innen­mi­nister See­hofer aber, wie er sagt, nicht spekulieren.