Schon jetzt gelten strenge Auflagen für Sportschützen, ein „großes, polizeiliches Führungszeugnis“ muss vorgelegt werden, einen Waffen-Sachkundelehrgang absolviert, eine Wartezeit bis zur Aushändigung der Waffenbesitzkarte eingehalten werden. Die Waffe darf nur in einem genau vorgeschriebenen Safe aufbewahrt werden und das ohne Magazin. Die Munition muss in einen extra Safe, man darf die Waffe auch zu Schießübungen nur unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen transportieren usw. usf.
Nun will Innenminister Seehofer die Daumenschrauben noch zehn Umdrehungen fester anziehen. Ziel seiner Verschärfungen sind ganz normale Bürger aus traditionellen Schützenvereinen und Schützenbruderschaften, wie es sie seit über hunderten von Jahren gibt und die Sportschützen. Die ältesten, urkundlichen Nachweise von Schützengilden stammen aus 1139 und 1190. Die Sorge Herrn Seehofers, plötzlich bewaffne sich in Deutschland eine Rotte von verfassungswidrigen Terroristen, erscheint nicht sehr glaubwürdig. Zumal Herr Minister Seehofer ja selbst Mitglied eines Schützenvereins ist.
Nun plötzlich sollen Herr und Frau Müller, Meier, Schmidt nur noch nach einer Verfassungsschutzabfrage die Erlaubnis erhalten dürfen, eine Waffe zu führen. Das lässt den Geschichtskundigen stutzen: Das letzte Mal, dass die Schützenvereine wirklich politisch wirksam wurden, war im Vormärz (1815–1848), wo sie eine starke Säule der nationaldemokratischen Opposition gegen die Kleinstaaterei und Fürstenherrschaft waren. Ohne sie wären die Ideen des Liberalismus, des Sozialismus, der Freiheit, Brüderlichkeit und des Nationengedankens mit dem machtvollen Protestmarsch 1882 hoch zum Hambacher Schloss nicht möglich gewesen. Auch damals war die Obrigkeit nicht begeistert vom Freiheitswillen und Selbstbewusstsein der Bürger und reagierte mit Verfolgung, Unterdrückung und Generalverdacht.
Die neuen Vorschriften sind zum Teil einfach nicht mehr nachvollziehbar. Nicht nur, dass neue Schützen bei der Polizei vorstellig zu werden haben, um sich dahingehend begutachten zu lassen, ob sie denn tauglich zum Führen einer Waffe seien. Was soll die Polizei denn anderes tun, als in seinem Führungszeugnis nachzusehen, ob er oder sie ein anständiger Mensch ist? Und dieses Führungszeugnis musste derjenige ja sowieso schon einreichen.
Dann soll der Schütze mit jeder auf seiner Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffe jeweils 18 Mal im Jahr trainieren, was auch protokolliert werden muss. Wer also drei eingetragene Waffen hat, muss 52 Trainings im Jahr durchführen. Eine Mordsballerei auf den Schießbahnen und ein hoher Munitionsverbrauch wird die Folge sein. Dafür aber wird die erlaubte Größe der Magazine jetzt heruntergesetzt, um Terroranschläge zu erschweren. Wer Magazine mit mehr als 20 Schuss für Kurzwaffen oder solche mit mehr als zehn Schuss für Langwaffen besitzt, kann mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft werden.
Bürger, die nach dem 13. Juni 2017 größere, als die jetzt vorgeschriebenen Magazine gekauft haben, müssen eine Ausnahmegenehmigung beim BKA beantragen, wenn sie sich nicht strafbar machen wollen. Den Statistiken zufolge befinden sich mehr als zehn Millionen großvolumiger Magazine im Privatbesitz von Schützenbrüdern (m/w/d) und Sportschützen. Das bedeutet, dass das Bundeskriminalamt statt gegen echte Verbrecher zu ermitteln und echte Verbrechen aufzuklären, sich nun endlos mit Hausdurchsuchungen bei harmlosen Schützenbrüdern und Millionen Ausnahmegenehmigungen für Magazine beschäftigen muss.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft sieht das genauso. Sie sieht einen ungeheuren, zeitraubenden Mehraufwand an Personal auf sich zurollen, um die dann illegal gewordenen Magazine zu registrieren und die Antragssteller zu überprüfen. Damit würden nur wertvolle Personalressourcen gebunden, die andernorts fehlen werden. Gewerkschaftspräsident Rainer Wendt, stets ein Freund klarer Worte, spricht sogar von einer „Idiotie“: „Wir produzieren zigtausende Straftäter“. Ehrlos sei, wer dabei denkt, wem denn eine Kriminalstatistik mit einer überwältigenden Anzahl neuer, deutscher Straftäter gut zupass käme.
Mit Unverständnis fragt indes der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in einer Erklärung, warum denn Magazine, von denen keine besonders große Gefahr ausgeht, „überhaupt verboten werden sollen“. Die GdP (Gewerkschaft der Polizei) bringt es auf den Punkt: Schwerkriminelle und Terroristen orientierten sich bei der Waffenbeschaffung sicher nicht daran, was in irgendeinem Waffengesetz steht. Es lägen auch keine Informationen vor über einschlägige Straftaten mit Waffen, die über große Magazinkapazitäten verfügen.
Hunderttausende völlig unbescholtener Schützenbruder werden also mit dem neuen Waffengesetz Punkt Mitternacht zum ersten Februar zu Kriminellen. Aber sie befinden sich in guter Gesellschaft: Selbst der Besitz von Plastikerbsen-Pistolen, wie kleine Jungs sie haben, fällt jetzt unter die Regelung für Softair-Waffen. Da wird der kleine Hansi ratzfatz zum Terroristen und die alte Tante Christel, die ihm das Ding geschenkt hat, zur illegalen Waffenhändlerin. Wie hübsch, gibt es dann auch generationenübergreifende Terroristen-Gefängnis-WGs, wo Opa Heinrich, der nicht wusste, dass seine Magazine, die bis gestern frei verkäuflich waren, ihn heute zum Verbrecher machen, zusammen mit seinem Enkel Hansi und Tante Christel in trauter Runde ihre jahrelange Strafe absitzen?
Der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Büchsenmacher (VdB) nennt die neuen Regelungen „Seehofers Schildbürgerstreich“. Wer das Gesetz verfasst habe, sei „ahnungslos“. „Selbst Kinder werden diesen Regelungen zufolge als Terroristen eingestuft. Die EU-Richtlinie schreibt vor, den Besitz von Magazinen und Airsoft-Waffen zu regeln — nicht alles zu verbieten und unter Strafe zu stellen.“
Herr Minister Seehofer führt das Attentat bzw. den Versuch eines Attentats auf die Haller Synagoge (bei dem leider zwei vollkommen Unbeteiligte ihr Leben lassen mussten, aber wenigstens Gott sei Dank keine Menschen in der Synagoge verletzt oder getötet wurden) als Grund für die unsinnige Verschärfung des Waffenrechtes an. Unsinnig deshalb, da der irre Mörder weder Sportschütze noch Schützenbruder war, noch hatte er sich die Waffe legal gekauft, sondern selber gebaut. Aber man darf sicher davon ausgehen, dass er kein Magazin mit mehr als zehn Schüssen bei sich hatte, um sich bloß nicht strafbar zu machen.
Darüber möchte Herr Innenminister Seehofer aber, wie er sagt, nicht spekulieren.
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