Das Phänomen ist schon öfter sehr auffällig in Erscheinung getreten. Immer wieder geschah es, dass Berichte über Politiker oder sehr bekannte Persönlichkeiten mit Titelfotos versehen wurden, die auffällig große, leuchtende rote Punkte oder Farbflächen aufwiesen und kurz danach war derjenige in Ungnade gefallen oder plötzlich „vom Bildschirm verschwunden“. Jetzt gibt ein Foto des Tübinger Bürgermeisters, auf dem er schon fast hinter einer roten Fläche verschwindet. Ist er angezählt? Hat er sich zu weit vorgewagt?
Das könnte schon sein, denn Boris der Unbeugsame „Wider-den-Stachel-Löcker“, er hat das große Ohgottogott-Thema aufgegriffen: Er nannte die jungen, männlichen Flüchtlinge, die in Stuttgart und Frankfurt die Innenstadt verwüstet haben und einen Krieg gegen die Polizei angezettelt, nicht „Partygänger“ oder „Krawallmacher unterschiedlicher Herkunft“, sondern sagte die Wahrheit. Und nicht nur das, er nannte es auch ein „unverschämtes Rotzbubengehabe“. Was angesichts der angerichteten Sachschäden und der Verletzten noch sehr zurückhaltend ist.
Aber das ist ein Tabu, was auch die Polizeiführung sich nicht wagte, zu brechen. Von einer ausgeflippten Partygängerszene war da die Rede, als ob das vollkommen normale, junge Leute seien, die beim Feiern ein bisschen über die Stränge geschlagen haben. Verständlich, geht doch der üble Verdacht um, die Polizei begehe bei Personalienüberprüfung reihenweise „racial profiling“, was bedeutet, dass sie angeblich aus reinem Rassismus unangebracht oft und grundlos die vielzitierten „Männer“ südländischen Typs oder Dunkelhäutige einer Überprüfung unterzieht. Daher fasst die Polizei das Thema nur noch mit Glacéhandschuhen an und prüft jede Äußerung mehrfach auf Hatespeech und Rassismus.
Herr Bürgermeister Boris Palmer offenbar nicht. Und er hat sich auch noch mit anderen Bürgermeistern zusammengetan: Den Oberbürgermeistern von Schwäbisch Gmünd, Richard Arnold, und Schorndorf, Matthias Klopfer. Huiii! Das riecht nach Widerstand von Amtsträgern und könnte schnell Schule machen. Da leuchten die roten Knöpfe im Kanzleramt auf.
Ja, und da sehen wir sie plötzlich wieder, die große, leuchtendrote Fläche auf dem Pressefoto. Und irgendwie fällt es auf, dass der rote Punkt oder rote Flächen immer dann bei Politikern und Prominenten auftauchen, wenn ihre Position angreifbar ist – und sie angegriffen (bzw. „niedergeschrieben“) oder sonst irgendwie negativ dargestellt werden sollen.
So beispielsweise Frau Andrea Nahles, die sich in ihrer Partei nicht mehr lange halten konnte, nachdem dieses Foto über dem Artikel erschien, in dem das Fanal des Angriffs geblasen wurde. Dass so ein Bild einfach ein fototechnischer Fehler ist, ist ausgeschlossen. Das Feld um Frau Nahles Kopf wurde absichtlich geschwärzt, um den roten Punkt wirksam platzieren zu können.
Hans Georg Maaßen warnte 2016 vor der steigenden Gefahr von Anschlägen in Deutschland, als er noch Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz war. Keine gute Idee, besonders nicht, dass er den zu erwartenden Terror dem IS und damit dem Islam zuschrieb. Als Warnung gab es einen dicken roten Punkt, aber noch war der ziemlich transparent. Als Hans-Georg Maaßen aber zum Abschuss freigegeben wurde, wurden die Medien deutlicher: Sein Konterfei wurde schwarz umwölkt und schwupps, da ist er, der dicke rote Punkt, wie ein Laser Pointer eines Scharfschützengewehrs. Und kurz darauf war er auch schon weg.
Dasselbe geschah Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie bekam gleich zwei große rote Megapunkte auf schwarzem Grund und ei, ei, schon am nächsten Tag war sie weg vom Fenster.
Auch Martin Schulz bekam das übliche, schwarz umwölkte Konterfei mit roter Fläche, als er angezählt war und sein Untergang beschlossen.
Nicht besser erging es AfD-Politiker Alexander Gauland, der besonders schwarz umwölkt wurde. Allerdings war sein roter Punkt transparent … vielleicht, weil das nicht sein Karrierende war, aber eine Botschaft, dass er zu denen gehört, die niedergeschrieben werden müssen?
Natürlich hagelt es bei der AfD nur so vor schwarzen Wolken und roten Punkten.
Olaf Scholz wiederum wagte es, Martin Schulz anzugreifen, als der noch Säulenheiliger der SPD war. Ganz dumme Idee. Die Warnung kam stantepede mit schwarzen Wolken und rotem Laserpoint.
Sogar der Drehhofer wurde mit einem roten Laserzielpunkt verwarnt, als er eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr forderte. Man stellt sich Frau Merkel nicht entgegen. Auch dann nicht, wenn man nachher garantiert umkippt. Eine kleine Warnung hatte er schon vorher bekommen. Er hatte sich nicht laut genug wegen der Neonazi-Fake-Geschichte in Chemnitz entrüstet: Kleiner roter Punkt und angedeutete schwarze Wolke.
Nicht nur Politiker, auch Top-Manager trifft der rote Punkt. Wie hier beispielsweise.
Wer missliebig wird oder ist und schlecht dargestellt werden muss, bekommt den roten Punkt oder eine rote Fläche. Natürlich auch US-Präsident Donald Trump.
Die Beispiele könnte man noch ein paar Seiten weiter fortsetzen. Doch wer bestimmt das? Die meisten Fotos, die diese Schwarzwolke um den Betreffenden und den roten Punkt oder die rote Fläche zeigen, stammen von Fotoagenturen, wie reuters oder dpa. Die meisten Redaktionen bekommen diese Fotovorschläge von diesen Agenturen samt einem Agenturbericht als Paketlösung und die meisten Medien pinseln einfach die Agenturmeldungen in ihr Blatt oder auf ihre Seite. Aber auch Medien, die ihre Berichte selbst schreiben (FAZ, Spiegel, Welt …), benutzen oft diese Agenturfotos. Wird in den großen Fotoagenturen festgelegt, wer den „Scharfschützenpunkt“ bekommt? Und wenn, auf wessen Geheiß?
Zurück zu dem aufmüpfigen Boris Palmer. Er ist noch nicht schwarz umwölkt, und es gibt keinen klassischen Punkt. Aber er lugt quasi hinter einer roten Wand hervor. Oder der große, rote Punkt bewegt sich auf ihn zu?
Wir dürfen gespannt sein.
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