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“Kri­ti­scher Dialog”: Europa unter­stützt das mör­de­rische Regime im Iran

Um die gegen­wärtige Politik Europas gegenüber der Isla­mi­schen Republik Iran besser zu ver­stehen, lohnt es sich, eine Episode zu zitieren, die der Iran-Experte Amir Taheri 2006 in einem Essay geschildert hat. Im Jahr 1984 reiste Hans-Dietrich Gen­scher, damals Außen­mi­nister der Bun­des­re­publik Deutschland und ehe­ma­liges Mit­glied der NSDAP, in den Iran, um das damals gerade fünf Jahre alte revo­lu­tionäre Regime von Aja­tollah Ruhollah Kho­meini zu einer Mäßigung seines zer­stö­re­ri­schen Ver­haltens zu bewegen.

(von Ben­jamin Weinthal)

Gen­scher erklärte seine Absicht, mit dem Regime in einen “kri­ti­schen Dialog” ein­zu­treten – eine For­mu­lierung, die Gen­scher, wie Taheri schreibt, den Spott ein­brachte, sein “kri­ti­scher Dialog” mit den Iranern sei in Wirk­lichkeit “eine Übung in gemein­samer Kritik der Mullahs und der Europäer an den Ame­ri­kanern”. Der deutsche Außen­mi­nister erklärte seinen Dialog mit den ira­ni­schen Macht­habern zum Erfolg, da er zu einer “Inten­si­vierung” der poli­ti­schen Bezie­hungen zwi­schen der dama­ligen Bun­des­re­publik Deutschland und der Isla­mi­schen Republik geführt habe.

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Sechs­und­dreißig Jahre nachdem Gen­scher den Begriff “kri­ti­scher Dialog” in die euro­päisch-ira­nische Diplo­matie ein­ge­führt hatte, ist end­gültig klar, dass die damit bezeichnete Politik gescheitert ist, wie man nicht zuletzt am jüngsten Bei­spiel für das Konzept des “kri­ti­schen Dialogs” sehen kann: die Ermordung des unschul­digen Ringers Navid Afkari im ver­gan­genen Monat, die Teherans völlige Miss­achtung der von Europa pro­pa­gierten grund­le­genden Men­schen­rechts­stan­dards durch das Regime erneut ins Ram­pen­licht der Welt­öf­fent­lichkeit rückte.

Teheran erhängte Afkari für dessen Protest im Zuge der lan­des­weiten Demons­tra­tionen gegen die gra­vie­rende poli­tische und finan­zielle Kor­ruption des Systems von Aya­tollah Ali Kha­menei, dem der­zei­tigen obersten Führer des Iran.

Das Scheitern des “kri­ti­schen Dialogs” zeigt sich auch in den Geschäfts­be­zie­hungen Europas mit dem Iran. Der Eifer Deutsch­lands, mit dem Regime Geschäfte zu machen, ist eine Kon­stante seit der Isla­mi­schen Revo­lution 1979. Gen­scher bemerkte 1984, dass die Wirt­schafts­be­zie­hungen im Zeitraum 1979–1984 stabil blieben. Die Besetzung der US-Bot­schaft in Teheran durch den Iran 1979 und die Gei­sel­nahme von 52 ame­ri­ka­ni­schen Diplo­maten und Bürgern, die 444 Tage lang fest­ge­halten wurden, haben die deutsch-ira­ni­schen Bezie­hungen nicht beeinträchtigt.

Mit dieser Politik arbeitet Europa nicht nur daran, das ira­nische Regime über Wasser zu halten, sondern auch – gewollt oder unge­wollt – daran, den Mili­tär­ap­parat Teherans durch die Lie­ferung von Gütern mit dop­peltem Ver­wen­dungs­zweck (“dual-use goods”: zivile Tech­no­logie, die auch für mili­tä­rische Zwecke ver­wendet werden kann) zu stärken. Die Schweizer Bot­schaft im Iran bei­spiels­weise prahlte am 19. Oktober auf ihrem Twitter-Account:

“Das während des Besuchs von Prä­sident Rouhani in Bern im Juli 2018 unter­zeichnete Stra­ßen­trans­port­ab­kommen zwi­schen #Iran + der #Schweiz ist von der Majlies [dem ira­ni­schen Par­lament] mit großer Mehrheit ange­nommen worden. Das Abkommen erleichtert den #bila­te­ralen Güter- + Per­so­nen­verkehr und signa­li­siert eine Aus­weitung der Bezie­hungen + des inter­na­tio­nalen Handels.”

Es ist unklar, welche Art von Gütern das Stra­ßen­trans­port­ab­kommen zwi­schen Bern und Teheran betrifft. Regie­rungen und Auf­sichts­be­hörden für die Über­wa­chung der Ver­breitung von Nukle­ar­waffen und Lang­stre­cken­ra­keten sollten dem Abkommen auf jeden Fall zutiefst miss­trauisch gegen­über­stehen. Wie mein Kollege Mark Dubowitz und ich 2010 in einem Artikel im Wall Street Journal auf­deckten, könnten Schweizer und deutsche Wirt­schafts­ab­kommen dazu genutzt werden, das illegale Atom­waf­fen­pro­gramm des Iran zu fördern.

Wir ent­hüllten damals, dass die Schweizer Firma Ceresola TLS mit dem ira­ni­schen Inge­nieurbüro Rahab Engi­neering Estab­lishment eine Ver­ein­barung über die Lie­ferung von Tun­nel­bau­tech­no­logie als Teil eines U‑Bahn-Pro­jekts getroffen hatte. Die Maschinen, um die es dabei ging, war genau die Art schweren Bohr­geräts, die die ira­ni­schen Macht­haber benö­tigen, um unter­ir­dische Nukle­ar­an­lagen errichten zu können, wie es das Regime bei den Nukle­ar­an­rei­che­rungs­an­lagen Qom und Natanz getan hat.

In ähn­licher Weise ent­hüllte die deutsche Bild-Zeitung im Jahr 2018, dass das Ber­liner Bun­desamt für Wirt­schaft und Aus­fuhr­kon­trolle offenbar ein Geschäft für die Firma Krempel zum Verkauf mili­tä­risch ein­setz­barer Tech­no­logie an ira­nische Firmen genehmigt hatte. Krempel lie­ferte damals iso­lie­rende Press­span­platten an zwei ira­nische Firmen, die in ira­nische Raketen mit che­mi­schen Spreng­köpfen ein­gebaut wurden, welche schließlich vom syri­schen Regime bei einem Chlor­gas­an­griff im Januar 2018 ein­ge­setzt wurden. Bei dem Angriff gab es 21 Ver­letzte, dar­unter sechs Kinder. Die von Krempel her­ge­stellten Press­span­platten können auch in Motoren ein­ge­setzt werden.

Sowohl unter Obamas als auch unter Trumps Prä­si­dent­schaft hat die Regierung der Ver­ei­nigten Staaten das ira­nische Regime als den weltweit füh­renden staat­lichen För­derer des Ter­ro­rismus ein­ge­stuft. Deutschland hin­gegen ist der ver­mutlich schärfste Wider­sacher der US-Kam­pagne “maxi­malen Drucks” zur Iso­lierung des ira­ni­schen Regimes und zur För­derung der Sicherheit im Nahen Osten.

Der Europa-Chef­kor­re­spondent des Magazins Politico, Matthew Kar­nit­schnig, schrieb in diesem Monat:

“Seit dem Tod von [Senator John] McCain im Jahr 2018 hat sich Deutschland an nahezu allen wich­tigen außen­po­li­ti­schen Fronten geweigert, die USA zu unter­stützen, sei es in Bezug auf China, Russland, den Iran, Israel oder den Nahen Osten im Allgemeinen.”

Auch Mahmoud Vaezi, der Stabschef des ira­ni­schen Prä­si­denten Hassan Rohani, betonte kürzlich nach einem Treffen mit dem deut­schen Bot­schafter in Teheran, Hans-Udo Muzel, dass “Deutschland tra­di­tionell der Partner des Iran ist.”

Im Sep­tember twit­terte die Deutsch-Ira­nische Industrie- und Han­dels­kammer stolz eine Erklärung ihrer Geschäfts­füh­rerin Dagmar von Bohnstein:

“Das Potenzial ist groß, der Handel zwi­schen #IRN und #GER nimmt zu und deutsche Mit­tel­ständler wissen jetzt, mit den Sank­tionen umzugehen.”

Mit anderen Worten: Die pro-ira­nische Unter­neh­mer­gruppe in Deutschland feiert ihre Fähigkeit, die Sank­tionen zu umgehen, die die USA wegen dessen ter­ro­ris­ti­scher Akti­vi­täten gegen das Tehe­raner Regime ver­hängt hatten. Und auch das deutsche Außen­mi­nis­terium hat keinen Hehl aus seinen Bemü­hungen gemacht, die US-Sank­tionen aufzuweichen.

Im ver­gan­genen Jahr schickte der sozi­al­de­mo­kra­tische Außen­mi­nister Heiko Maas seinen Wirt­schafts­di­plo­maten Miguel Berger zu einer Kon­ferenz, um die Teil­nehmer zu lehren, wie man sich den ame­ri­ka­ni­schen Sank­tionen ent­ziehen kann. Björn Stritzel, ein Bild-Jour­nalist, schrieb damals in einem ver­nich­tenden Kommentar:

“Während das Teheran-Regime zündelt, bietet Deutschland den Mullahs auch noch eine Bühne in Berlin! Das Aus­wärtige Amt hat gestern einen Wirt­schafts­di­rektor [Miguel Berger] auf eine Kon­ferenz geschickt, auf der Firmen Tipps bekommen, wie sie am cle­versten die US-Sank­tionen gegen den Iran umgehen. Jeder Cent aus den Geschäften, die dort ange­bahnt wurden, fließt direkt in Teherans Terror-Kassen, mit denen die Mullahs ihr eigenes Volk unter­drücken. Alles mit dem Segen des deut­schen Außen­mi­nis­te­riums. Das ist nicht nur beschämend, sondern ein Schlag ins Gesicht aller frei­heits­lie­benden Iraner.”

Berger ist inzwi­schen zum Staats­se­kretär des Aus­wär­tigen Amtes befördert worden.

Im Oktober gab die Deutsch-Ira­nische Industrie und Han­dels­kammer bekannt, dass der Handel zwi­schen den beiden Ländern in den ersten acht Monaten des Jahres 2020 um 8% gestiegen ist und 1,1 Mil­li­arden Euro über­schritten hat. Der Löwen­anteil dieses Handels bestand aus deut­schen Exporten in den Iran, dar­unter “Indus­trie­ma­schinen” wie “Pumpen und Kom­pres­soren” – wieder einmal genau die Art von Tech­no­logie, die Teheran mili­tä­risch nutzen könnte.

Der Verband der ira­ni­schen Banken in Europa schrieb im Juli:

“45 Prozent der EU-Exporte in den Iran kamen aus Deutschland, das Waren im Wert von 555 Mil­lionen Euro lie­ferte, was einer Stei­gerung von 31% im Ver­gleich zum Vorjahr ent­spricht. Deutschland bleibt der wich­tigste euro­päische Han­dels­partner des Iran mit einem Anstieg des Han­dels­vo­lumens um 25%.”

All diese Han­dels­zahlen und Wirt­schafts­ab­kommen zwi­schen Deutschland und dem Iran zeugen von einer tiefen Gleich­gül­tigkeit gegenüber der inter­na­tio­nalen Sicherheit und der Sicherheit des jüdi­schen Staates. Dies trotz der berühmten Erklärung von Bun­des­kanz­lerin Angela Merkel vor der israe­li­schen Knesset im Jahr 2008, dass die Sicherheit des jüdi­schen Staates für ihre Regierung “nicht ver­han­delbar” sei.

Die massive Kluft zwi­schen Merkels Rhe­torik und ihrem Handeln täuscht über eine weit­gehend pro-ira­nische Außen­po­litik der deut­schen Regierung hinweg. Merkels Version des “kri­ti­schen Dialogs” baut auf Gen­schers Version von 1984 auf. Während damals die USA – ganz nach der Anekdote von Amir Taheri – der Gegen­stand des “kri­ti­schen Dialogs” und der Prü­gel­knabe für die deutsche Regierung waren, sehen sich heute sowohl Israel als auch die USA der Wut von Merkels Regierung und dem Deut­schen Bun­destag ausgesetzt.

Beun­ru­higend ist, dass sich Merkels Regie­rungs­po­litik weg vom Westen und hin zu Wla­dimir Putins Russland, der Kom­mu­nis­ti­schen Partei Chinas und der Isla­mi­schen Republik Iran ver­lagert hat. Europas mäch­tigster Wirt­schafts­motor, Deutschland, und der Rest der EU haben sich trau­ri­ger­weise dafür ent­schieden, sich mit der Isla­mi­schen Republik Iran in den drän­genden Fragen des ira­ni­schen Atom­pro­gramms und ihrer desas­trösen Men­schen­rechts­bilanz zu arrangieren.

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Ben­jamin Weinthal ist Fellow der Foun­dation for Defense of Democracies.


Quelle: gatestoneinstitute.com