Bereits seit geraumer Zeit ist vom „Great Reset“ die Rede. Als Vordenker gilt Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums. Die Corona-Krise solle Startschuss sein für die „Vierte Industrielle Revolution“, bei der digitale Innovationen und Technologie eine Schlüsselrolle spielen.
Wer weiß schon, was die Zukunft bringt? Diese Binsenweisheit hat durchaus auch etwas Beruhigendes. Sie erinnert daran, dass die Zukunft nicht in Stein gemeißelt, nicht vorhersehbar ist und dass vom Heute nicht zwangsläufig auf das Morgen geschlossen werden kann.
Nur wenige Dinge der menschlichen Existenz sind unabwendbar. Die Zukunft verläuft nicht linear, sie ist auch geprägt von Brüchen und unvorhergesehen Ereignissen.
Ein Mann sieht das allerdings ganz anders: Klaus Schwab. Die globale Corona-Krise und die dadurch angerichteten sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Verwüstungen stellen für ihn, den Mastermind hinter dem sogenannten „Great Reset“, ein einmaliges „Fenster der Möglichkeiten“ (window of opportunity) dar.
Die einzigartige Möglichkeit besteht darin, auf den Trümmern von Millionen Existenzen eine neue Weltwirtschaftsordnung aufzubauen, die zugleich „grün“, „inklusiv“ und „digital“ sein solle: die „Vierte Industrielle Revolution“. Sie soll die sich global jetzt erst recht zuspitzenden Probleme lösen.
Im Juli dieses Jahres veröffentlichte Schwab (gemeinsam mit Thierry Malleret) ein Buch zum Thema („The Great Reset“, „COVID-19. Der große Umbruch“). Doch bereits Jahre zuvor hatte es ihm als dem Gründer des Weltwirtschaftsforums (WEF) diese Idee angetan.
Es ist dringend notwendig, dass die globalen Akteure bei der gleichzeitigen Bewältigung der direkten Folgen der COVID-19-Krise zusammenarbeiten. Um den Zustand der Welt zu verbessern, startet das Weltwirtschaftsforum die Initiative ‚The Great Reset‘ „, heißt es beim WEF zu dem Thema.
Der „Great Reset“ ist dabei nach Lesart Schwabs verknüpft mit der Idee des „Transhumanismus“.
Die internationale Bewegung und Denkrichtung [des Transhumanismus] sucht nach Möglichkeiten, die biologischen Grenzen der Menschen durch den Einsatz von Technologie und Wissenschaft zu verändern und zu überwinden. Transhumanisten gehen davon aus, dass die nächste Evolutionsstufe der Menschheit durch die Fusion mit Technologie erreicht wird“, heißt es zum Begriff des Transhumanismus unter zukunftsinstitut.de.
Für Schwab stellt diese Entwicklung eine gar nicht mehr zu hinterfragende Entwicklung dar, sie sei vielmehr integraler Bestandteil der „Vierten Industriellen Revolution“.
Die ‚Vierte Industrielle Revolution‘ wird zu einer Verschmelzung unserer physischen, digitalen und biologischen Identität führen“, erklärte Schwab jüngst vor dem Chicago Council on Global Affairs.
Auch zum Thema der Zukunft der nächsten industriellen Revolution veröffentlichte Schwab sein Buch „Die Vierte Industrielle Revolution“ im Jahr 2016 zunächst auf Englisch, das noch im selben Jahr auch auf Deutsch erschien. In diesem Buch legte Schwab bereits Wert darauf, dass es gelte, die neuen disruptiven Technologien zum Wohle der Menschheit und Umwelt einzusetzen.
Es gelte, unter anderem zu ergründen, „wie und wo in diesen neuen Technologien menschliche Werte einfließen und wie sie so gestaltet werden können, dass sie das Gemeinwohl, die ökologische Verantwortung und die Menschenwürde fördern“, schrieb Schwab auch damals schon.
Auch in seiner Rede vor dem Chicago Council on Global Affairs kam der zweifache Doktor (der technischen Wissenschaften und der Wirtschaftswissenschaften) nun mit einigem Stolz wieder auf sein schriftliches Werk zu sprechen.
So sei sein Buch „Shaping the Future of the Fourth Industrial Revolution“ weltweit über eine Million Mal über den Ladentisch gegangen. Schwab hob hervor, dass allein 800.000 Exemplare in drei bemerkenswerten Ländern verkauft worden seien: in China, Südkorea und Japan.
„Allein das koreanische Militär, unterstricht der WEF-Gründer, habe 16.000 Exemplare erstanden“. Der Grund dafür läge auf der Hand:
Weil die ‚Vierte Industrielle Revolution‘ auch erhebliche Auswirkungen auf die moderne Kriegsführung haben wird“, so Schwab.
In seinem Buch führt er zudem aus, wie es die neuen digitalen Technologien Behörden ermöglichen werden, etwa auch „in den bisher privaten Raum unseres Geistes einzudringen, unsere Gedanken zu lesen und unser Verhalten zu beeinflussen“.
Schwab sagt voraus, dass dies den Strafverfolgungsbehörden ermöglichen werde, Programme zur Verbrechensvorhersage zu implementieren. In der Tat werden derlei Technologien bereits getestet, basierend vor allem auf Auswertung von Big Data mittels Ansätzen der Künstlichen Intelligenz (KI).
In dem Maße, wie sich die Fähigkeiten in diesem Bereich verbessern, wird die Versuchung für Strafverfolgungsbehörden und Gerichte zunehmen, Techniken einzusetzen, um die Wahrscheinlichkeit krimineller Aktivitäten zu bestimmen, die Schuld zu bewerten oder möglicherweise sogar Erinnerungen direkt aus den Gehirnen der Menschen abzurufen“, schreibt Schwab.
Selbst „das Überschreiten einer Landesgrenze könnte“ es eines Tages erforderlich machen, „einen detaillierten Gehirnscan“ bei Personen vorzunehmen, um deren Risikopotenzial „einzuschätzen“.
Tatsächlich haben einige von uns bereits das Gefühl, dass unsere Smartphones zu einer Erweiterung unserer selbst geworden sind. Die heutigen externen Geräte – von tragbaren Computern bis hin zu Virtual-Reality-Headsets – werden sich mit ziemlicher Sicherheit in unseren Körper und unser Gehirn implantieren lassen“, stellt Schwab als Entwicklung im Rahmen der von ihm postulierten „Vierten Industriellen Revolution“ fest.
Auch die gern nur in Kreisen von Verschwörungstheoretikern verortete Diskussion um „aktive implantierbare Mikrochips, die die Hautbarriere unseres Körpers durchbrechen“, fehlt nicht in Schwabs Ausführungen darüber, was der Menschheit offensichtlich geradezu unausweichlich bevorsteht.
So spricht er über die Entwicklung „implantierter Geräte, (die) wahrscheinlich auch dazu dienen werden, Gedanken, die normalerweise verbal über ein ‚eingebautes‘ Smartphone ihren Ausdruck finden, und möglicherweise unausgesprochene Gedanken oder Stimmungen durch das Lesen von Gehirnströmen und anderen Signalen zu kommunizieren“.
Es läuft – den Ausführungen Schwabs nach zu urteilen – genau auf das hinaus, was Raymond „Ray“ Kurzweil – ein Pionier in der KI-Forschung und der sogenannte Kopf der transhumanistischen Bewegung – als die nahende „Singularität“ beschreibt. Also eine Entwicklung bis zu jenem Moment, in dem die KI mit der menschlichen Intelligenz gänzlich verschmilzt.
Dieser Guru der jahrzehntealten Idee eines Transhumanismus ist nicht irgendwer, sondern Kurzweil ist heute Leiter der technischen Entwicklung beim Internetkonzern Google. Dieses Unternehmen ist also damit alles andere als schlecht darauf vorbereitet, selbst ein Treiber des Schwabschen „Great Reset“ und damit der „Vierten Industriellen Revolution“ zu werden.
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Schwab selbst konstatiert lediglich, irgendein Zweifel oder gar Kritik an der prophezeiten Entwicklung werden in seinen Ausführungen nicht laut. Er ist in dem Sinne ein Befürworter des Transhumanismus, als dass er ihn als unausweichlich ansieht. Daher geht es ihm in allererster Linie darum, die Menschheit und insbesondere auch die gesellschaftlichen sowie politischen „Stakeholder“ dazu zu animieren, nun „die Zukunft der ‚Vierten Industriellen Revolution‘ aktiv mitzugestalten“.
Und längst hat die Botschaft dieses „Großen Umbruchs“ ihren Weg in die Köpfe auch der politischen Elite gefunden – nämlich über das Weltwirtschaftsforum WEF. So war es etwa der kanadische Premierminister Justin Trudeau, der während einer UN-Videokonferenz jüngst von COVID-19 ebenfalls als der „Möglichkeit für einen Umbruch“ (opportunity for a reset) sprach.
Und auch in deutschen Politikerkreisen ist die Vision Schwabs längst angekommen. So äußerte sich unter anderem vor wenigen Tagen auch die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen während einer Dialog-Veranstaltung des WEF zum „Great Reset“ sehr positiv über diesen.
Seit dem Beginn der Pandemie konnten wir eine Explosion bei der digitalen Innovation und dem Gebrauch von Technologie beobachten. Sie ermöglichten es Fabriken, weiterhin geöffnet zu bleiben. Sie ermöglichten es Unternehmen, ihre Produkte zu verkaufen (…) wir müssen mit dieser Veränderung Schritt halten. Das bedeutet, wir werden ein neues Regelwerk für die digitale Wirtschaft und die digitale Gesellschaft brauchen.
Die Notwendigkeit für globale Kooperation und die Beschleunigung des Wandels werden beide Treiber des ‚Great Reset‘ sein. Und ich sehe das als eine beispiellose Möglichkeit“, erklärt von der Leyen.
Schon bald werden die großen Wirtschaftslenker und politischen Führungspersönlichkeiten der Welt Gelegenheit dazu haben, sich über ihre gemeinsame Zukunftsvision noch intensiver auszutauschen.
Unter dem Motto „The Great Reset“ soll Anfang des kommenden Jahres ein Zwillingsgipfel zum 51. Weltwirtschaftsforum stattfinden.
Quelle: de.rt.com
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