Mexiko lega­li­siert Cannabis

Mit der Lega­li­sierung des Besitzes und des Anbaus von Can­nabis wird ein wei­terer mäch­tiger Can­na­bis­markt in der Welt geschaffen. Nördlich des Rio Grande erlauben schon 15 US-Bun­des­staaten den Gebrauch von Can­nabis für den medi­zi­ni­schen und Frei­zeit­ge­brauch, weitere 20 erlauben nur den medi­zi­ni­schen Gebrauch – was nach meiner Erfahrung vor ein paar Jahren, als ich nach Arizona geflogen bin, um Urlaub zu machen und Slots zu spielen, bedeutete: Im Vor­zimmer des Ladens saß eine Ärztin, der ich von meinen Rücken­schmerzen erzählte, wor­aufhin ich ein Rezept erhielt und im hin­teren Teil des Ladens mein Hanf­produkt aus­suchen konnte. Nur doof, dass ich selbst weder Tabak noch Mari­huana rauche. Das sage ich hier, damit man nicht denkt, ich schriebe pro domo.

Mexiko lega­li­siert den Anbau, regu­liert den Verkauf und ent­kri­mi­na­li­siert den Konsum von Can­nabis nicht haupt­sächlich, weil Regierung und Par­lament das Recht auf Rausch respek­tieren. Dabei sind die Bier­hallen des katho­lisch-auf­ge­schlos­senen Landes oft schon mittags voll. In Yucatán erlebte ich, wie selbst Ärzte und Kran­ken­schwestern in ihrer Mit­tags­pause zu Pol­ka­rhythmen tanzten und cerveza tranken. Man sollte sich in Mexiko mög­lichst früh­morgens ope­rieren lassen. Nein, die Lega­li­sierung soll vor allem den mäch­tigen Dro­gen­kar­tellen ihr Monopol ent­ziehen und dem Staat eine neue Steu­er­ein­nah­me­quelle erschließen.

Ähn­liche Über­le­gungen spielen auch in Deutschland eine Rolle, wo der medi­zi­nische Gebrauch jetzt schon legal und der private Besitz klei­nerer Mengen ent­kri­mi­na­li­siert ist, wo aber die Möch­te­gern­kon­su­mentin auf Dealer ange­wiesen ist, die in den Groß­städten Parks und Plätze fre­quen­tieren und unsicher machen wie den berüch­tigten “Görli” in Berlin, den Rote­bühl­platz in Stuttgart oder den Königs­platz in München. Hier gilt überdies caveat emptor: Ist das Zeug gestreckt oder mit anderen, oft gesund­heits­schä­di­genden Stoffen ver­setzt, zahlt der Kon­sument den gesund­heit­lichen Preis. “Leute Passt auf was ihr konus­miert. Leider ist es nicht mehr möglich an Sau­beres Gras dran­zu­kommen. Das Meiste Weed hier ist kom­plett Gestreckt oder mit Pes­ti­ziden”, klagt jemand aus dem Raum Aachen auf graspreis.de.

Can­nabis made in Germany als neues Markenzeichen

Links­partei, Grüne, SPD und FDP sind darum, wenn auch in unter­schied­licher Kon­se­quenz, für eine gleich­zeitige Dekri­mi­na­li­sierung und Regu­lierung des Can­na­bis­markts. Das wurde bei der Bun­des­tags­be­ratung über einen ent­spre­chenden Gesetz­entwurf der Links­partei im ver­gan­genen Oktober deutlich. Die Grünen unter­stützten den Vorstoß der Links­partei, obwohl die Linke – Ideo­logie muss sein – die “Abgabe” des Stoffs nicht etwa in nor­malen Läden wie etwa bei Alkohol und Tabak, sondern etwa in “staatlich regu­lierten Can­na­bis­clubs” emp­fiehlt. Etwas Ähn­liches scheint der SPD vor­zu­schweben: “Bei einer kon­trol­lierten Abgabe haben wir in der Hand, was die Men­schen bekommen”, schwärmte der sozi­al­de­mo­kra­tische Abge­ordnete Dirk Hei­denblut. Ein Pater­na­lismus, der einem die ganze Dekri­mi­na­li­sierung ver­miesen kann.

Die FDP argu­men­tierte erwar­tungs­gemäß markt­wirt­schaftlich: Das Can­na­bis­verbot habe einen Schwarz­markt geschaffen, dessen Bekämpfung nicht nur Kräfte der Polizei, Staats­an­walt­schaft und Gerichte unnötig binde, sondern den Staat um mög­liche Steu­er­ein­nahmen in Höhe von min­destens einer Mil­liarde Euro bringe. Die FDP befür­wortet eine dras­tische Aus­weitung der Can­na­bis­pro­duktion in Deutschland. “Can­nabis made in Germany könnte ein neues Mar­ken­zeichen der deut­schen Wirt­schaft sein”, schwärmte der FDP-Experte für Drogen- und Sucht­po­litik, Wieland Schin­nenburg. Beim Frei­zeit­ge­brauch ist die FDP, die sich sonst gern als Frei­heits­partei gegen die Kon­kurrenz von der grünen “Ver­bots­partei” pro­fi­liert, mit Rück­sicht auf den kon­ser­va­ti­veren Teil ihrer Kli­entel eher zurück­haltend und befür­wortet “Modell­ver­suche”. Dabei laufen in diversen US-ame­ri­ka­ni­schen Bun­des­staaten und dem Haupt­stadt­bezirk Washington, D. C., in Kanada, Uruguay, Süd­afrika und dem aus­tra­li­schen Haupt­stadt­bezirk Can­berra teil­weise schon seit Jahren Modellversuche.

Inter­essant ist die Haltung der AfD, die sich oft als extrem markt­li­berale bis libertäre Kraft geriert, etwa in der Corona-Krise. Bei Can­nabis ist sie beinhart: “Eine humane Gesell­schaft benötigt keine Drogen”, sagte der AfD-Abge­ordnete Detlev Span­genberg. Was wie eine alte mar­xis­tische Parole klingt. “Der zer­set­zenden Kultur des Bene­belns und der Ver­drängung der Pro­bleme setzen wir einen klaren Kopf und eine rebel­lische Kultur ent­gegen. Sie fördert den festen Zusam­menhalt, ehr­lichen Spaß, Kampf­ge­mein­schaften, stär­kende Erholung.” Ach nein, das war gar nicht die AfD, das war Rebell, die Jugend­zeit­schrift der Mar­xis­tisch-Leni­nis­ti­schen Partei Deutsch­lands (MLPD). Egal. Die AfD will “kon­se­quent und hart gegen illegale Einfuhr und Handel” vor­gehen. Die MLPD will “die harte Bestrafung vor allem der Hin­ter­männer des Dro­gen­ge­schäfts. Wir sind gegen die Lega­li­sierung von Mari­huana.” Viel­leicht sollten sie sich zusammentun.

Der Mafia das Geld entziehen

Mexiko brauche eine breite soziale Debatte über das Thema, for­derte Cossio. Nach Berech­nungen des US-Jus­tiz­mi­nis­te­riums machen die mexi­ka­ni­schen Kar­telle mit dem Dro­gen­verkauf jedes Jahr 39 Mil­li­arden Dollar Gewinn. Rund ein Drittel davon soll aus dem Geschäft mit Mari­huana stammen. Andere Quellen gehen von deutlich höheren Gewinnen aus.

Aktivist Amando San­t­acruz feierte das Urteil dann auch als einen poli­ti­schen Durch­bruch: „Das ist der erste Schritt zu einer natio­nalen Dro­gen­po­litik, die nicht kri­mi­na­li­siert.“ Neben der Ent­ziehung der Gewinne für die Mafia führe das Urteil lang­fristig auch zu einer Ent­lastung der Justiz. Laut einer Unter­su­chung sitzen fast zwei Drittel der wegen Dro­gen­de­likten ver­ur­teilten Täter wegen Can­nabis-Delikten ein.