Fotomontage: Niki Vogt

Bremer BAMF-Asyl­skandal: Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen

Mai 2018: Eine „Son­der­mit­teilung“ des Gesamt­per­so­nalrats des BAMF an Jutta Cordt, die seit 2017 Prä­si­dentin dieses Bun­des­amtes ist, deckte eine geradezu unglaub­liche, „ban­den­mäßige“ Zusam­men­arbeit (so damals die ermit­telnde Staats­an­walt­schaft) bei der Vergabe von posi­tiven Asyl­be­scheiden auf. Den Ori­gi­nal­wortlaut dieses Schreibens befindet sich unter diesem Beitrag. Die ehe­malige Lei­terin des Bremer BAMF hatte allem Anschein nach eine große Anzahl von orga­ni­sierten Flücht­lings­ein­wan­derern in Zusam­men­arbeit mit Kom­plizen mit posi­tiven Asyl­be­scheiden ver­sorgt. Drei Jahre später fällt das Urteil. Die Beschul­digte zahlt 10.000 Euro, und die aller­meisten Punkte und das Straf­ver­fahren wurde eingestellt.

Das Straf­ver­fahren gegen die Beschul­digte Ulrike Bre­mermann wurde einfach ein­ge­stellt. Der vor­sit­zende Richter im Ver­fahren, Frau Maike Wilkens, erteilte der ehe­ma­ligen Bremer BAMF-Lei­terin lediglich die Auflage zur Zahlung von 10.000 Euro.

Die Staats­an­walt­schaft hatte lange und umfang­reich ermittelt und erhob Anklage wegen Ver­stößen gegen das Dienst­ge­heimnis, Daten­fäl­schung und Vor­teils­an­nahme. Das ist schon die stark abge­speckte Version. Man hatte noch weit Bri­san­teres ermittelt, jedoch das Land­ge­richt „teilte die Rechts­auf­fassung der Staats­an­walt­schaft nicht“ und kürzte die Anklage stark zusammen.

Die Behörde hatte eine Son­der­kom­mission mit 36 Beamten über 15 Monate ermitteln lassen und dann den Beschul­digten 121 Straf­taten zur Last gelegt. Sie hätten unrecht­mäßig aus­län­dische Man­danten der Rechts­an­wälte vor Abschiebung bewahrt oder deren Auf­ent­halts­status ver­bessert, so der Vorwurf.“ 

Die Staats­an­walt­schaft kam im Frühjahr 2018 nach den umfang­reichen Ermitt­lungen zu einem unge­heu­er­lichen Ver­dacht: Die ehe­malige Bremer Behör­den­lei­terin Ulrike Bre­mermann sorgte, zusammen mit meh­reren Anwälten, mög­li­cher­weise aktiv dafür, dass Hun­derte Asyl­be­werber bewusst gegen die Vor­schriften Aner­ken­nungs­be­scheide erhielten. In vielen Fällen hatten sie bereits schon vorher Anträge gestellt, die aber in anderen BAMF-Außen­stellen schon abge­lehnt worden waren (wir berich­teten).

Wiki­pedia schreibt:

„Die Bremer Staats­an­walt­schaft warf Ulrike Bre­mermann, „der ehe­ma­ligen Lei­terin der Bremer BAMF-Dienst­stelle vor, zusammen mit den auf Asyl­recht spe­zia­li­sierten Anwälten, einem Dol­met­scher und einem wei­teren Beschul­digten ban­den­mäßig Asyl­an­trag­steller nach Bremen gelotst und dort mit zu Unrecht erteilten Blei­be­ge­neh­mi­gungen aus­ge­stattet zu haben.

Die 2017 sus­pen­dierte Ober­re­gie­rungs­rätin Bre­mermann (57 Jahre alt) soll in rund 2000 Fällen von 2013 bis 2017 aus­sichtslose Asyl­ver­fahren an sich gezogen und zu einem für die Antrag­steller posi­tiven Abschluss gebracht haben. Sie wird durch den Rechts­anwalt Johannes Eisenberg ver­treten. Als beschul­digte Anwälte wurden Holger Sch. aus Bremen (55), ehemals Lebens­partner von Bre­mermann, der Jeside Irfan C. (39) aus Hil­desheim und Cahit T. (41) aus Oldenburg genannt.“

Damals hatte die Innen­re­vision des BAMF unter der Führung einer neuen Lei­terin Tau­sende Akten unter die Lupe genommen und bei über 550 Asyl­ver­fahren erheb­liche Unre­gel­mä­ßig­keiten gefunden. Darüber hinaus wurden noch später 145 zusätz­liche Fälle „mani­pu­la­tiver Ein­fluss­nahme“ ent­deckt. Die ganze Sache ging über Jahre.

Gegen einen der drei Ange­klagten, einen Rechts­anwalt, der – nach den Ermitt­lungen — sehr aktiv mit­ge­ar­beitet haben soll bei den unrecht­mäßig ver­hin­derten Abschie­bungen und Gewäh­rungen von Asyl­recht, wird das Haupt­ver­fahren gar nicht erst beginnen. Ein zweiter Rechts­anwalt wird noch eine Ver­handlung über sich ergehen lassen müssen, bevor er wahr­scheinlich mit einer geringen Geldbuße davon­kommt. Ihm wird (unter anderem) „gewerbs­mä­ßiges Ein­schleusen von Aus­ländern und Ver­leitung zur miss­bräuch­lichen Asyl­an­trags­stellung“ zum Vorwurf gemacht.

Von den 1.200 als rechts­widrig positiv beschei­deten Asyl­fällen befand das Land­ge­richt im November 2020 den Vorwurf bei nur etwa 150 Fällen als tat­sächlich stich­haltig. Und bei dem ehe­ma­ligen Amts­leiter, Frau Ulrike B., sah das Gericht nur in zwei Fällen eine mög­liche Strafbarkeit:

Bei der ehe­ma­ligen Amts­lei­terin sah das Gericht eine mög­liche Straf­barkeit nur in zwei Fällen mut­maß­licher Vor­teils­an­nahme, zwei Fällen von Daten­fäl­schung und sechs Ver­stößen gegen das Dienst­ge­heimnis. Es seien alle Vor­würfe gekippt worden, die Beamtin habe gegen Asyl‑, Auf­ent­halts- und Aus­län­der­recht ver­stoßen, teilte die Ver­tei­digung mit. Dies waren etwa 60 auf­ge­listete Delikte gewesen.“

Dieser Beschluss des Gerichtes, die Ankla­ge­punkte fast vollends zu schleifen, brachte die Staats­an­walt­schaft in Har­nisch. Man werde prüfen, ob dagegen Rechts­mittel ein­gelegt werden, sagte ein Sprecher der Bremer Staats­an­walt­schaft gegenüber der Nach­rich­ten­agentur dpa. Aber man konnte sich dann doch nicht dazu ent­schließen und ließ die Frist für die Beschwer­de­ein­rei­chung ver­streichen. Man darf nie ver­gessen, dass Staats­an­walt­schaften poli­tisch wei­sungs­ge­bunden sind.

Übrig­ge­blieben sind von all den Ermitt­lungs­er­geb­nissen nur Vor­würfe gegen die ehe­malige Bremer BAMF-Lei­terin in zwei Fällen eine mut­maß­liche Vor­teils­an­nahme, zwei weitere Fälle von Daten­fäl­schung und sechs Ver­stöße gegen das Dienst­ge­heimnis. Aus­länder- und asyl­recht­liche Vor­würfe gegen sie wurden fallen gelassen.

Am Dienstag nun hat das Bremer Land­ge­richt gegen Geld­zahlung das Ver­fahren gegen die ehe­malige Bamf-Außen­stel­len­lei­terin ein­ge­stellt. Alle Seiten hätten sich auf eine Ein­stellung nach Paragraf 153a der Straf­pro­zess­ordnung geeinigt, sagte die Vor­sit­zende Rich­terin. Das Ver­fahren gegen den Anwalt wird am Don­nerstag fort­ge­setzt, auch in seinem Fall könnte es gegen Auf­lagen ein­ge­stellt werden.“

Der Anwalt muss sich zur Zeit vor Gericht wegen Ein­schleusens von vier Aus­ländern und Ver­leitung zur miss­bräuch­lichen Asyl­an­trags­stellung in zwei Fällen ver­ant­worten. Die Strafe wird – wenn über­haupt – ver­mutlich mehr als milde aus­fallen, wahr­scheinlich nur als Geld­strafen ver­hängt werden.

Es dürfte den Deut­schen schwer nahe­zu­bringen sein, dass man für hand­feste Straf­taten nur relativ harmlose Geld­strafen kas­siert, wenn das poli­tisch opportun ist, aber als unbe­schol­tener, fried­licher Bürger bis zu fünf Jahren Haft­strafe ris­kiert, wenn man sich nach der Aus­gangs­sperre in seinem eigenen Garten aufhält.