Nachdem in Ecuador die “Wächterin Amazoniens“ für ihren Kampf gegen Ölkonzerne den Nobelpreis für Umweltschutz erhielt und sogar vom Magazin „Time“ zu einer der 100 einflussreichsten Personen des Jahres 2020 gewählt wurde, gewannen jetzt Kinder vor einem Berufungsgericht gegen Ölkonzerne. Das Gericht entschied gegen Ecuadors Ölindustrie und für die Kinder, die neben „Todesfackeln“ leben. Das Urteil läutet einen großen Klimasieg ein und wird das Abfackeln von Gas durch die Ölindustrie stoppen und Tausenden von betroffenen lokalen und indigenen Gemeinden Entschädigungen bringen.
Wo sich der Tod fauchend in die Körper frisst
Die Industrie hat sich ab den 1960er Jahren in das dünn besiedelte Gebiet gefressen: zuerst mit Bulldozern, wie man sie aus dem Film Avatar kennt, danach mit riesigen Lastwagen, die mit Metallrohren und Tanks beladen waren.
„Wir müssen begreifen, dass die Luft keine Grenzen kennt. Heute ist sie hier, Morgen in einer anderen Stadt, einem anderen Land oder einem anderen Kontinent – zusammen mit dem Gas, das aus diesen Bohrtürmen strömt. Wenn wir also von der Klimaerwärmung sprechen, müssen wir darüber nachdenken, was hier passiert.“
Donald Moncayo, Umweltschützer, Ecuador
Als Begründung für diesen ökonomischen und ökologischen Irrsinn wird die fehlende Infrastruktur genannt. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aus Deutschland wörtlich: “Hohe Investitionskosten zum Aufbau der Infrastruktur behindern die wirtschaftliche Nutzung des Erdölbegleitgases. Sie können sogar die Wirtschaftlichkeit des gesamten Projekts in Frage stellen.“
Ecuador erlangte durch den Jahrhundertprozess gegen den Erdöl-Multi Texaco/Chevron das öffentliche Interesse. Verseuchte Böden, verdrecktes Wasser, verpestete Luft, das ist das Erbe von Texaco/Chevron in Ecuadors Regenwald. Trotzdem annullierte der Internationale Gerichtshof das Urteil gegen den Erdölkonzern Chevron. Die Strafe von 9,5 Milliarden US-Dollar gegen Chevron wurde damit aufgehoben. Das muss man sich mal vorstellen – Konzern vor Menschenrecht – einfach widerlich! Als auf dem Gebiet der Ureinwohner Ecuadors mit einer Fläche von 180.000 Hektar am Amazonas wieder nach Erdöl gebohrt werden sollte, begann ein langer Kampf der Waorani: Regenwald gegen Ölkonzerne!. Diesmal gegen einen Chinesischen Ölkonzern, den Kampf, den die Indigenen 2019 gewannen. Doch noch immer wird der Regenwald auch durch Fracking zerstört, wie Sie in unserem Bericht: Toxic-Tour durch Ecuadors Regenwald – Verseuchte Böden, verdrecktes Wasser, verpestete Luft lesen können.
Gericht entscheidet gegen Ecuadors Ölindustrie
Am Dienstag, den 26.Januar 2021 entschied ein Berufungsrichter, dass die seit langem erlaubte Praxis des Abfackelns von Gas durch die ecuadorianische Ölindustrie – von den Anwohnern als „Fackeln des Todes“ bezeichnet – verfassungswidrig ist. Das Abfackeln ist eine Praxis, bei der die Ölindustrie die Nebenprodukte der Ölförderung verbrennt, wobei hochgradig umweltschädliches Methan und andere Gase entstehen, die als riesige Flamme aus einem vertikalen Gasrohr nur wenige Meter von einem Ölbohrlochkopf ausbrechen.
Im ecuadorianischen Amazonasgebiet, dem Herzen des indigenen Territoriums, gibt es 447 Gasfackeln. Darunter sind 79 aktive Fackeln innerhalb des Yasuni World Biosphere Reserve, das als das artenreichste Gebiet der Erde gilt. Sie brennen mit einer durchschnittlichen Temperatur von 400 Grad Celsius 24 Stunden am Tag, das ganze Jahr über, und viele befinden sich in Wohngebieten ohne Schutz für die gefährdeten Familien.
Die Kläger in diesem Fall – neun Kinder im Alter von sieben bis 14 Jahren, die in den verseuchten Gebieten von Sucumbios im ecuadorianischen Amazonasgebiet leben – verklagten im Februar 2020 den staatlichen Ölkonzern PetroAmazonas, das Ministerium für Energie und nicht erneuerbare natürliche Ressourcen sowie das Umweltministerium, um die Einstellung der Gasfackeln in ihren Dörfern, die die Luft verunreinigen und zu Krankheiten führen, und die Untersagung zukünftiger Genehmigungen zu fordern. Der Fall baut auf dem 26-jährigen Rechtsstreit und der 9,5‑Milliarden-Dollar-Klage gegen den Ölriesen Texaco-Chevron in derselben Region auf, um Gerechtigkeit für das „Amazonas-Tschernobyl“ zu fordern, eine der schlimmsten ölbedingten Katastrophen der Welt.
„Ich bin sehr glücklich, weil endlich der Gerechtigkeit Genüge getan wurde“, sagte Leonela Moncayo, eines der klagenden Kinder. „Wir werden die Natur zurückgewinnen, für all die kranken Kinder, für die Eltern, die um ihre Gesundheit gekämpft haben, für die Familien, die unter den Fackeln leben und ihr Land verlassen mussten.“
Aus diesen Fackeln spucken Gase wie Kohlenmonoxid, Kohlendioxid, Schwefeloxide, SH2, CS2, Stickoxide, Methan, Ethan, Propan und andere aus. Darunter ragt SO2 (Schwefeloxid) heraus, das in Verbindung mit Wasser (H2O) schweflige Säure (SO3H2) bilden kann, die nach Angaben von Forschern seit Jahrzehnten als Rattengift verwendet wird.
Es ist bekannt, dass die toxische Belastung durch Abfackeln zu Chromosomen- und Genschäden führt. Je näher man an den Abfackelungen lebt, desto gefährlicher sind die Bedingungen für Krebs, Fehlbildungen und Fehlgeburten. Zwei Studien, die 2016 von Forschern zu den Auswirkungen der Ölindustrie auf die Gesundheit der in der Nähe der Ölfelder lebenden indigenen Völker durchgeführt wurden, ergaben, dass in einer von vier Familien mindestens ein Fall von Krebs auftrat. Bei Nationalitäten, die weiter von der Kontamination entfernt sind, war die Häufigkeit von Krebs dreimal niedriger.
Die Fackeln enthalten auch Schwefelsäure (die für den sauren Regen verantwortlich ist), Schwermetalle, radioaktive Substanzen und Kohlenwasserstoffe. Diese Form der Verschmutzung ist nicht nur eine Bedrohung für die lokale Bevölkerung, sondern kann sich über 300 km oder mehr ausbreiten. Während sintflutartiger tropischer Regenfälle können die Fackeln erlöschen, was bedeutet, dass sie weiterhin unverbranntes Gas ausspeien, das eine größere Umwelttoxizität aufweist.
In einer mündlichen Entscheidung am Dienstag, den 26. Januar 2020, akzeptierte der Richter des Berufungsgerichts die Berufung der Kläger, hob das Urteil der Vorinstanz auf und erkannte eine Verletzung der verfassungsmäßig geschützten Rechte auf Gesundheit, eine gesunde Umwelt, die Rechte der Natur und Umweltprinzipien, wie nachhaltige Entwicklung und die Verpflichtung des Staates, Politiken und Maßnahmen zu ergreifen, um negative Umweltauswirkungen zu verhindern.
Die Entscheidung erkannte auch einen Verstoß gegen internationale Abkommen, insbesondere die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und die Nichteinhaltung der von Ecuador in seiner nationalen Klimawandelstrategie übernommenen Verpflichtungen zur Reduzierung der emittierten Gase und zur Umwandlung von Gas in Energie.
Am Freitag, den 29. Januar 2021 fand eine Anhörung statt, um die Maßnahmen zu bestimmen, die von den staatlichen Ölgesellschaften, dem Ministerium für Energie und nicht erneuerbare natürliche Ressourcen und dem Umweltministerium in Bezug auf Entschädigungen für die Opfer und das Schicksal der Gasfackeln selbst ergriffen werden müssen.
Der Prozess gegen das Abfackeln von Gas in Ecuador wurde durch die Zusammenarbeit mehrerer zivilgesellschaftlicher Organisationen, darunter UDAPT und die Clinica Ambiental, und anderer, die sich in der Ecuadorianischen Allianz für Menschenrechte zusammengeschlossen haben, wie Acción Ecologica und Amazon Frontlines, geführt. Noch fehlt das schriftliche Urteil, auf welches sehnsüchtig gewartet wird.
Die Gasfackeln tragen buchstäblich zum Klimawandel bei.
Ecuador hat sich im Rahmen des Pariser Abkommens verpflichtet, seine Emissionen zu reduzieren“, erklärte Pablo Farjado, der Anwalt der Kläger von der Union der von Texaco betroffenen Menschen (UDAPT). „Die Beendigung des Gasabfackelns im ecuadorianischen Amazonasgebiet würde mindestens 24% der Klimaverpflichtung der Regierung erfüllen.“
„Wir fordern nun, dass alle Gasabfackelungen im Land abgeschaltet werden und dass das Gericht angemessene Entschädigungen und Reparationsmaßnahmen für die betroffenen Gemeinden anordnet. Außerdem müssen sichere und praktikable Energiealternativen entwickelt werden“, bekräftigt Maria Espinosa, Anwältin von Amazon Frontlines, einer von mehreren Organisationen, die den Fall unterstützen.
Ecuadorianisches Gericht signalisiert Ende des Abfackelns von Gas in Amazonas-Ölbetrieben
In einer historischen Entscheidung geben die Richter der Klage von Jugendlichen gegen die Verschmutzung und die Klimaauswirkungen des Abfackelns der Ölindustrie im ecuadorianischen Amazonasgebiet statt. Am 29. Januar 2021 entschieden ecuadorianische Richter zugunsten von neun Mädchen, die die Regierung wegen Rechtsverletzungen durch die von der Ölindustrie praktizierte Praxis des Abfackelns von Gas an Ölförderstätten im Amazonasgebiet des Landes verklagt hatten.
Leonela Moncayo, Rosa Valladolid, Skarlett Naranjo, Jamileth Jurado, Denisse Nuñez, Dannya Bravo, Mishell Mora, Jeyner Tejena und Kerly Herrera, die in unmittelbarer Nähe der Abfackelungen leben, reichten 2020 ihre bahnbrechende Klage ein, um die Praxis zu beenden, die seit Beginn der Ölförderung in den 1970er Jahren eine Hauptquelle der Verschmutzung ist. Im Amazonasgebiet Ecuadors sind 400 Gasfackeln in Betrieb. Es ist der erste Fall dieser Art in Ecuador, und der erste, der von Kindern angestrengt wurde.
„Ich bin sehr glücklich, weil endlich, wenn der Gerechtigkeit Genüge getan wird, die Natur geheilt und wiederhergestellt wird für all die kranken Kinder, für ihre Eltern, die gekämpft haben, um gesund zu bleiben, für die Familien, die auch weiter gekämpft haben, nur um ihre Ernten zu erhalten, für die Familien, die im Schatten der Fackeln leben, und diejenigen, die ihr Land wegen der Verschmutzung aufgeben mussten. Wir sind glücklich, weil es zeigt, dass wir die Macht haben, etwas zu verändern, große Unternehmen wie Petroamazonas zu zwingen, das Richtige zu tun und nicht zu verschmutzen. Das ist ein Sieg für die Menschen und den Planeten, und ein Verlust für diejenigen, die ihn zerstören wollen“, sagte die zehnjährige Leonela Moncayo, eine der Klägerinnen.
Die Entscheidung des Gerichts besagt, dass es die von den Klägern eingelegte Berufung akzeptiert und erklärt, dass der ecuadorianische Staat das Recht der Kläger auf ein Leben in einer gesunden und ökologisch ausgewogenen Umwelt missachtet hat, ihr Recht auf Gesundheit missachtet hat, indem er keine umweltfreundlichen Technologien und keine umweltfreundliche und hochwirksame erneuerbare Energie zur Verfügung gestellt oder gefördert hat.
Dieses Urteil zugunsten der Gesundheit, des Lebens, der Natur und der Umwelt ist ein historischer Schritt, der eine Sanierung und Wiedergutmachung für die Tausenden von Menschen ermöglicht, die von der Verschmutzung durch das Ablassen und Abfackeln von Gas in den Ölquellen des ecuadorianischen Amazonas betroffen sind.
„Die Position der ecuadorianischen Regierung ist fragwürdig, denn anstatt die besten Optionen zur Wiederherstellung der verletzten Rechte vorzuschlagen, hat sie versucht, die Klage zu delegitimieren und darauf hingewiesen, dass die Umsetzung des Urteils ‚die Wirtschaft des Landes kaputt machen könnte‘. Wir fordern, dass die ecuadorianische Regierung dem Urteil nachkommt und Prozesse einleitet, um weitere Verschmutzungen zu verhindern. Außerdem fordern wir die Ölfirmen auf, verantwortungsvoll zu handeln, denn wirtschaftliche Interessen können nicht über Leben und Natur gestellt werden“, sagte Pablo Fajardo, einer der Anwälte der neun Kläger.
Mit diesem Urteil hat Ecuador die Möglichkeit, seine veralteten Umweltpraktiken, seine verfehlte Politik und seinen Mangel an Verantwortlichkeit zu ändern, die seit Jahrzehnten in der Ölindustrie herrschen und zu weitreichenden Umweltschäden in einem der empfindlichsten und kritischsten Ökosysteme der Welt geführt haben, während sie die lokalen Gemeinden vergiften und ihre Rechte verletzen.
Die Entscheidung folgt auf eine weitere Anklage gegen Ecuadors staatliche Ölgesellschaft Petroecuador und die Ölindustrie in dieser Woche, als vier große europäische Banken sich verpflichteten, ihre Finanzierung des Handels mit Amazonas-Rohöl aus dem Land aufgrund von Umweltbedenken, Verletzungen der Rechte indigener Völker und Klimaauswirkungen zu beenden.
„Dies ist ein großer Sieg für die Menschen im ecuadorianischen Amazonasgebiet und ein historischer Präzedenzfall für neun Mädchen, die im Schatten der Ölindustrie leben, und für die Union der von Texaco betroffenen Völker (UDAPT), die sich seit vier Jahren für die Beseitigung des Abfackelns einsetzt. Wir schließen uns ihrer Forderung an die ecuadorianische Regierung an, das Abfackeln von Gas nicht länger zuzulassen, wie es das Gericht angeordnet hat, und das Leben und die Rechte der Bevölkerung zu schützen“, sagte Carlos Mazabanda, Ecuador Field Coordinator von Amazon Watch.
Netzfrau Lisa Natterer
Quelle: netzfrauen.org
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