Am letzten Samstag hat ein Gericht in Palermo (Sizilien) beschlossen, die Anklage gegen den Chef der rechtskonservativen Partei Lega, Matteo Salvini, zuzulassen und ein Verfahren gegen den 48-jährigen Politiker zu eröffnen. Salvini hatte in seiner Eigenschaft als Innenminister Italiens im August 2019 dem Schiff »Open Arms« der linken spanischen NGO Proactiva Open Arms mit etwa 150 illegalen, im Mittelmeer aufgenommenen Migranten an Bord eine Woche lang die Genehmigung verweigert, auf der Insel Lampedusa anzulegen. Die Staatsanwaltschaft wirft Salvini deshalb Amtsmissbrauch und Freiheitsberaubung vor. Der erste Verhandlungstermin wurde vom Gericht auf den 15. September dieses Jahres festgesetzt. Im Falle einer Verurteilung drohen dem Lega-Chef bis zu 15 Jahre Haft sowie das Verbot, Regierungsämter zu bekleiden.
Während linke Kommentatoren und die Schlepper-Helfer von Proactiva Open Arms die Entscheidung des Gerichts begrüßten, gab sich Salvini betont gelassen. Auf Twitter schrieb der Politiker, er gehe »hoch erhobenen Hauptes« in das Verfahren. Die Vorwürfe der Justiz wies Salvini zurück. Er habe im Interesse des Landes und im Einvernehmen mit den anderen Mitgliedern des damaligen italienischen Kabinetts unter Ministerpräsident Conte gehandelt. Ihm sei es um die »Sicherheit und Würde« Italiens gegangen. Salvini weiter:
»Ich will nicht als ein Entführer gelten, nein, allein die Idee ist lächerlich. Ich erinnere mich, dass wir über ein spanisches Schiff sprechen, das Migranten in libyschen Gewässern aufnahm und in maltesischen Gewässern. Das das Angebot eines spanischen Hafens nicht annahm und auch das Angebot eines zweiten Hafens in Spanien ablehnte und zudem auch die Hilfe eines spanischen Militärschiffes verweigerte. Worüber reden wir hier?«
Bereits im März hatte sich Salvini im Rahmen einer gerichtlichen Anhörung selbstbewusst gezeigt und betont, es sei ihm um den Schutz Italiens gegangen. Er habe sich an geltendes Recht gehalten und die Europäer durch sein konsequentes Vorgehen »aufgeweckt«.
Auf seine mögliche Verurteilung und eine Freiheitsstrafe angesprochen sagte Salvini:
»Ich überlasse es den Richtern, zu beurteilen, ob ein Minister, der sein Land unter Achtung des Gesetzes verteidigt hat, 15 Jahre Gefängnis verdient oder ob im Gegenteil derjenige ins Gefängnis gehört, der das Leben tausender Menschen gefährdet hat.«
In der Tat ist es fraglich, ob Salvini wegen der ihm zur Last gelegten Rechtsverstöße in Sizilien verurteilt wird. In einem ähnlichen Fall vom Juli 2019 – damals ließ er Migranten auf einem Boot der Küstenwache im Hafen von Catania ausharren – hat sich die Staatsanwaltschaft gegen einen Prozess ausgesprochen. Ob es dennoch dazu kommt, will das zuständige Gericht Mitte Mai entscheiden.
Als Innenminister hatte Salvini mehrfach verhindert, dass Rettungsschiffe privater NGOs in italienischen Häfen anlegen, um »Flüchtlinge« unerlaubt nach Europa zu bringen und so das Werk der skrupellosen Schlepperbanden zu vollenden. Dass er sich dafür jetzt vor Gericht verantworten soll, dürfte ihm politisch nützen. Denn die Mehrheit der Italiener steht hinter der von Salvini vertretenen harten Linie gegen illegale Zuwanderer, die jedes Jahr zu Zehntausenden über das Mittelmeer nach Italien strömen.
Das jetzt eröffnete Verfahren könnte für den Lega-Chef, dessen Partei der amtierenden Koalition von Ministerpräsident Mario Draghi angehört, den Weg für ein politisches Comeback ebnen. Auch ein Mitte-Rechts-Bündnis unter Führung der Lega mit Salvini als Regierungschef nach der nächsten Parlamentswahl, die laut Verfassung spätestens im Mai 2023 stattfinden muss, wäre dann möglich. In diesem Fall würden die politischen Karten in Italien neu gemischt – mit Folgen auch für Deutschland und die EU!
Hinweis: Zu dieser Thematik hatte KOPP Media bereits im Sommer 2015 die Filmdokumentation Europa – Grenzenlos in Auftrag gegeben, die von dem Investigativjournalisten Christian Jung und dem Autor dieses Beitrages in den Häfen Süditaliens gedreht wurde. Die seinerzeit entstandenen, einzigartigen Bilder und die vor Ort geführten Gespräche sind nach wie vor brandaktuell:
Quelle: kopp-report.de
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