Tricksen, hetzen, täu­schen – WDR kon­stru­ierte Skandal um Tod von Ahmad A. (+Video)

Über zwei Jahre ist es her, dass der 26 Jahre alte Ahmad A. in einem Gefängnis in Kleve starb, nachdem er selbst seine Zelle ange­zündet hatte. Er war das Opfer einer Ver­wechslung gewesen und wollte offenbar ver­zweifelt dagegen pro­tes­tieren. Leider starb er an den Folgen seiner Ver­bren­nungen. Der WDR berichtete, ver­drehte aber — wie sich jetzt her­aus­stellt – massiv die Fakten, soll State­ments eines Experten wis­sentlich irre­führend zusam­men­ge­schnitten haben und beharrt auch jetzt noch trotzig auf seinem skan­da­li­sie­renden Nar­rativ, die JVA Kleve habe den Mann grob fahr­lässig ver­brennen lassen.

Es war eine Fahn­dungs­panne der Polizei. Der 26jährige Syrer war mit einem poli­zeilich gesuchten Täter aus Mali ver­wechselt worden, für den in Hamburg ein Haft­befehl aus­ge­stellt worden war. Amad A., der als Flüchtling nach Deutschland gekommen war, wurde bei der Polizei in Kleve über­prüft. Er war an einem Bag­gersee von der Polizei mit­ge­nommen worden, wo er badende Mädchen mit sexu­ellen Bemer­kungen belästigt hatte. Die Mädchen for­derten ihn auf, das zu lassen, was er igno­rierte. Eines der Mädchen rief daher seinen Vater an, einen Poli­zisten, und so kamen zwei Strei­fen­wagen zum Badesee und nahmen den jungen Mann mit aufs Revier. Bei der dann fol­genden Per­so­na­li­en­über­prüfung führte eine Über­ein­stimmung in den Daten­sätzen Amad A. zur Ver­wechslung. Ahmad A. wurde für einen Täter aus Mali gehalten. Die Polizei fordert den Haft­befehl vom LKA Hamburg an. Offenbar wurden die Fotos darin nicht mit dem anwe­senden, jungen Mann ver­glichen. Amad A. wurde inhaf­tiert. Am 17. Sep­tember 2018 legte er in seiner Zelle einen Brand. Die Auf­sicht konnte ihn zwar aus seiner Zelle retten, der junge Mann starb aber im Kran­kenhaus an seinen Brandverletzungen.

Ein „unschuldig inhaf­tierter junger Syrer“ stirbt im Gefängnis unter frag­wür­digen Umständen? Geradezu ein Geschenk für eine Auf­reger-Reportage über Ras­sismus, Frem­denhass und die böse, schlampige, rechte Justiz. Diese Gele­genheit ver­strich nicht unge­nutzt. Das Magazin „Monitor“ motzte das Ganze zu einem ras­sis­ti­schen Jus­tiz­skandal auf. Monitor sam­melte Stoff, befragte einen Brand­ex­perten und zim­merte eine flam­mende Anklage gegen das System zusammen. Am zweiten Mai 2019 wurde die Sendung des Magazins Monitor aus­ge­strahlt. Die Ver­haftung, die Ver­wechslung, die zu späte Hilfe beim Brand und der Tod des jungen Häft­lings Amad A. könne so gar nicht abge­laufen sein. Dahinter müsse Ras­sismus und min­destens grobe Fahr­läs­sigkeit, wenn nicht Absicht stecken. Die Monitor-Redaktion bezwei­felte, dass es sich wirklich um eine ver­se­hent­liche Ver­wechslung handle. Die ganze Geschichte um die Daten­ver­än­derung könne so nicht statt­ge­funden haben. O‑Ton Moni­tor­sendung: „Wie konnte ein hell­häu­tiger, unschul­diger Syrer mit einem dun­kel­häu­tigen Mann aus Mali ver­wechselt werden?“

Hier der Originalbericht:

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Noch am selben Tag feuerte der WDR ein Feu­erwerk von empörten Berichten auf seinem Inter­net­auf­tritt ab. Dabei werden höchst pro­ble­ma­tische, extrem ehren­rührige Unter­stel­lungen formuliert.

Zitat: Es sehe so aus, „als wollte Kleve den Ham­burger Kol­legen deutlich machen, schickt uns mal diese Haft­be­fehle, wir hätten die gerne für unseren Syrer, obwohl wir eigentlich wissen, das sie für den Malier gedacht sind,“ sagt IT-Expertin Annette Brückner, die sich seit Jahren mit Poli­zei­da­ten­banken beschäftigt, nach dem Ein­blick in die MONITOR-Unter­lagen. „Nur das aller­letzte Teilchen ist in Hamburg gemacht wurden. Alles andere war Initiative und Ver­an­lassung von Nordrhein-Westfalen.“

Der WDR legt nochmal kräftig nach. Begeistert von den Wellen, die ihr auf­ge­motzter Justiz-Ras­sismus-Skandal geschlagen hat, wird jetzt sogar in einem wei­teren Artikel nochmals eine direkte Absicht der Polizei Kleve behauptet: Die Per­so­nen­daten seien ganz bewusst mani­pu­liert worden, um Amad A. ein­sperren zu können. Die „Papierlage der Klever Polizei“, die diese nach Hamburg schickte, habe die Daten wis­sentlich mani­pu­liert, es sei eben keine „tra­gische Ver­wechslung“ gewesen.

Diese Skan­dal­trom­melei zieht Kreise, das Innen­mi­nis­terium NRW gerät in die Defensive. Es gibt einen par­la­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schuss. Die Grünen im Aus­schuss fordern besonders laut.

die rück­haltlose Auf­klärung im Falle des „unschuldig ver­brannten Syrers“ – eine Rede­wendung, die nun zum festen Nar­rativ der Medi­en­land­schaft wird, als sei es weniger ver­werflich, wenn jemand „schuldig verbrennt“.

Im Zuge der Unter­su­chung werden auch alle Aus­länder- und Straf­akten von Amad A. aus­ge­wertet. Das liebe Unschulds­lämmlein, als das Monitor ihn dar­stellt, war der junge Mann keineswegs.

Die Arbeit des Unter­su­chungs­aus­schusses ist gründlich. 290 Seiten akri­bi­scher Nach­for­schungen und mehrere Gut­achten sowie Zeu­gen­aus­sagen zeigen am Ende, dass die kruden Ver­schwö­rungs­theorien des WDR mit den Tat­sachen kaum etwas gemein haben. Ende Oktober 2019 stellte die Staats­an­walt­schaft Kleve sämt­liche Ermitt­lungs­ver­fahren gegen beschul­digte Poli­zisten, Voll­zugs­beamte und eine Gefäng­nis­psy­cho­login ein.

Aber die Arbeit des Unter­su­chungs­aus­schusses ist noch nicht vorbei. Jetzt geht es um die Aus­sagen eines Experten, den der WDR als „Kron­zeugen“ dafür prä­sen­tiert hatte, dass Amad A. auf­grund grober Fahr­läs­sigkeit des Per­sonals gestorben sei. Er hätte wesentlich früher aus seiner bren­nenden Zelle gerettet werden müssen und können. Da er erst ca. 20 Minuten nach Aus­bruch des selbst gelegten Feuers aus der Zelle geholt wurde, waren seine Ver­bren­nungen so groß­flächig, dass er zwölf Tage darauf verstarb.

Der „Kron­zeuge“ der WDR-Anklage heißt Dr. Marcel Verhoff und ist Direktor des Frank­furter Instituts für Rechts­me­dizin. Er tritt am 30. Sit­zungstag vor den Unter­su­chungs­aus­schuss. So, wie es in dem Monitor-Beitrag wahr­ge­nommen wird, scheint er die Dar­stellung des NRW-Jus­tiz­mi­nisters, Herrn Peter Bie­senbach und der Klever Staats­an­walt­schaft anzu­zweifeln. Dr. Marcel Ver­hoffs Expertise in einem TV-Beitrag des WDR vom 18. Dezember 2018 ent­wi­ckelte sich zum Brandsatz im Fall Amad A., indem er insi­nu­ierte, dass die Lan­des­re­gierung gelogen hat. Denn deren Dar­stellung nach soll der junge Häftling mehr als 15 Minuten in der bren­nenden Zelle gewartet haben, bevor er über die Ruf­anlage um Hilfe rief.

Die WDR-Reporter ver­däch­tigten das Per­sonal der JVA, den Syrer mit Absicht in der bren­nenden Zelle gelassen zu haben und nun alles ver­tu­schen zu wollen. Die ARD-Formate „Monitor“ und „Westpol“ unter­stellten den JVA-Beamten tat­sächlich, die Hil­fe­schreie des Gefan­genen einfach „überhört“ zu haben, sie stellten sogar die Frage, ob der Häftling das Feuer wirklich selbst gelegt habe. Dr. Verhoff wird hierzu mit den Worten zitiert. „Bei einem derart starken Brand, wie das da beschrieben ist, dass die Person dann nach einer Vier­tel­stunde hand­lungs­fähig war, halte ich für schwer nach­voll­ziehbar. Ich würde eher erwarten, dass die Person dann längst bewusstlos ist.“

Doch es kommt langsam Licht in die ver­wor­renen Dar­stel­lungen des WDR: Durch mehrere Ver­neh­mungen von Zeugen und Sach­ver­stän­digen kris­tal­li­siert sich ein erschre­ckendes Bild der jour­na­lis­ti­schen Ver­fah­rens­weisen der ver­ant­wort­lichen WDR/ARD-Redak­teure heraus. Mit „Tricksen, trommeln, täu­schen“ sei ein völlig fal­sches Bild des Falles gezeichnet worden, schreibt der Focus.

Die Ver­schwö­rungs­theorien lösen sich unter den genauen Nach­fragen des Unter­su­chungs­aus­schusses in Luft auf. Der WDR hatte mit frag­wür­digen Gut­achtern zusam­men­ge­ar­beitet und auch da das Material so geschnitten und getrickst, dass der erwünschte Ein­druck entstand.

Auch der Frank­furter Rechts­me­di­ziner sieht sich da in völlig fal­schen Zusam­men­hängen zitiert. Seine Äußerung werde voll­kommen zu Unrecht für die Thesen der WDR-Jour­na­listen benutzt:

Denn was Pro­fessor Marcel Verhoff im Unter­su­chungs­aus­schuss nun berichtete, wirkte wie eine Ohr­feige für die TV-Auf­klärer. So sprach der Rechts­me­di­ziner von „unse­riösem Jour­na­lismus“. Vehement distan­zierte sich Verhoff im Zeu­gen­stand von seinem Satz, den „Monitor“ im Dezember 2018 gesendet hatte. Er bereue heute, diese Aussage getroffen zu haben. Hätte er damals das Brand­gut­achten der Staats­an­walt­schaft gekannt, so der Zeuge, hätte er nie eine der­artige Ein­schätzung abge­geben.“ 

Er habe nur all­ge­meine Infor­ma­tionen zum Tod im Feuer gegeben. Er wollte in dem Interview gar keine Stellung zu dem kon­kreten Fall Amad A. beziehen. Es sei die Repor­terin gewesen, die ihn ständig dazu drängte, einen kon­kreten Bezug zu dem Fall her­zu­stellen. Das Interview sei mehrfach wie­derholt worden, es sei dann auch ein Zeit­druck und Stress ent­standen. Am Ende habe er dann diesen einen Satz gesagt, der dann zur Anklage gegen das Jus­tiz­system hoch­ge­pusht wurde. Der Satz, so Prof. Verhoff, bezog sich aber auf einen dama­ligen, vor­läu­figen Bericht des Jus­tiz­mi­nisters, was er, Prof. Verhoff, auch betonte: „… wie das da beschrieben ist …“. Aber genau dieser Satz war der einzige, der aus den ganzen Auf­nahmen als O‑Ton in der Reportage auftauchte.

 „Ich hatte immer gedacht, wenn Du es mit öffentlich-recht­lichen Sendern zu tun hast, dann geht es äußerst seriös zu, aber das war ein Irrtum“, macht Verhoff im Anschluss an die Aus­schuss-Sitzung seinem Ärger Luft.“

Tat­sächlich unter­schreibt Prof. Verhoff das Ergebnis des Brand­gut­achters der Staats­an­walt­schaft. Der hatte nämlich die in Frage ste­henden 15 Minuten, bis der Ruf um Hilfe die JVA-Beamten alar­mierte, darauf zurück­ge­führt, dass Amad A. sich in seiner Zelle unter den Tisch gekauert habe, wo er sich eine Weile vor den Flammen und Gasen habe schützen können. Das belege auch, dass haupt­sächlich der Rücken des Toten von den Ver­bren­nungen betroffen war. Es sei ganz typisch für Brand­opfer, sich zusam­men­zu­kauern, um sich vor den Flammen zu schützen. Es sei also schon schlüssig, dass der Häftling erst eine Vier­tel­stunde später über die Anlage um Hilfe rief. Die Beamten waren vier Minuten später da und holten ihn aus der bren­nenden Zelle.

Es braucht tat­sächlich einige Zeit, bis ein kleines Feuer zum Brand wird. Die Gefäng­nis­zellen ent­halten wenig, was schnell und gut brennbar ist. Und es dauert, bis die Flammen dann auch wirklich auf­lodern, um sich greifen und die Hit­ze­strahlung schlag­artig ansteigt, doch dann gerät es schnell außer Kon­trolle. Amad A. wird wahr­scheinlich gewartet haben, bis es richtig brannte und er Alarm schlug. Aber in den vier Minuten bis zur Zel­len­öffnung ent­stand dann mög­li­cher­weise für ihn uner­wartet schnell eine Flam­men­hölle, die ihn tödlich verbrannte.

Bis zum heu­tigen Tag berichtet der WDR aber nicht über die Ein­las­sungen von Pro­fessor Verhoff. Im Gegenteil, er liefert eine erbit­terte Abwehr­schlacht: „Dieser Vorwurf ent­behrt jeder Grundlage“, heißt es in einer Stel­lung­nahme. „Wir stehen voll­um­fänglich zu unserer Bericht­erstattung im Fall des zu Unrecht inhaf­tierten und unter unge­klärten Umständen gestor­benen Amad A.“

Weiters heftet sich der WDR als Ver­dienst an die Brust, dass die Klever Staats­an­walt­schaft ja erst wegen des WDR-Berichtes einen Brand­gut­achter und einen Rechts­me­di­ziner zu Nach­un­ter­su­chungen ein­ge­setzt habe. Deren Ergeb­nisse betä­tigen aller­dings die ursprüng­liche Expertise des ersten Brand­ex­perten der Staatsanwaltschaft.

Der Beitrag steht immer noch online, obwohl alle „Belas­tungs­zeugen“ der Reportage, ein­schließlich des frag­wür­digen Monitor-Brand­gut­achters, vor dem Unter­su­chungs­aus­schuss ihre dama­ligen Aus­sagen und Ein­schät­zungen zurück­ge­nommen haben oder stark abgeschwächt.

Der CDU-Land­tags­ab­ge­ordnete Oliver Kehrl kom­men­tiert die Haltung des WDR wie folgt: „Der Zeuge Verhoff hat sich im Unter­su­chungs­aus­schuss klar geäußert. Seine Aus­sagen sind von Monitor sinn­ent­stellend gekürzt wie­der­ge­geben worden. Dieses Vor­gehen hat scheinbar Methode beim WDR. Da werden Aus­sagen so mon­tiert, wie es poli­tisch passt.“ 

Der Bund Deut­scher Straf­voll­zugs­be­amter ist empört:

Die Klever Kol­le­ginnen und Kol­legen waren der Über­zeugung, aus Anlass des Brandes alles getan und selbst ihre Gesundheit ris­kiert zu haben, um dem syri­schen Migranten Amad A. das Leben zu retten. Dafür hatten sie keinen beson­deren Dank erwartet, außer viel­leicht die aus­ge­spro­chene Wert­schätzung und Aner­kennung ihrer Vor­ge­setzten. Kei­nes­falls erwartet hatten sie jedoch, durch ein Fern­seh­ma­gazin öffentlich der Mit­schuld an dem Tod des Syrers bezichtigt zu werden.“ 

Der bedin­gungslose Rückhalt der Grünen für die Skan­da­li­sie­rungs-Reporter des WDR fällt ihnen mitt­ler­weile auch auf die Füße. Im Unter­su­chungs­aus­schuss führten sie immer wieder „Ras­sismus“ und ideo­lo­gische Argu­mente ins Feld. Der Focus berichtet in einem etwas älteren Bericht aus dem Ausschuss:

„Irgendwann platzte dem NRW-Land­tags­ab­ge­ord­neten Stefan Engstfeld im Unter­su­chungs­aus­schuss der Kragen. Mit hoch­rotem Kopf ver­tei­digte der Grünen-Poli­tiker ver­gangene Woche die Bericht­erstattung der TV-Magazine ‚Westpol‘ und ‚Monitor‘ über den Brandtod des Häft­lings Amad A. in der Jus­tiz­voll­zugs­an­stalt (JVA) Kleve am 17. Sep­tember 2018. Tenor: Der Unter­su­chungs­auftrag beziehe sich nicht auf die Arbeit des WDR. Mit seinem Aus­bruch erntete der Obmann der Grünen höh­ni­sches Gelächter bei den Regie­rungs­par­teien von CDU und FDP. Denn genau das Gegenteil war der Fall.“