Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt lehnt Antrag auf einst­weilige Anordnung gegen unan­ge­meldete „Spa­zier­gänge“ ab

Am Montag hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt einen Antrag gegen die Anordnung abge­lehnt, unan­ge­meldete „Spa­zier­gänge“ zu ver­bieten. Nachdem Ver­wal­tungs­ge­richte schon mehrfach einst­weilige Ver­fü­gungen oder Vor­aus­ver­fü­gungen von Städten gekippt haben, hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt vorerst den Städten Recht gegeben. Damit wird aber nur ein neues Fass auf­ge­macht und den auf­müp­figen Bürgern ein neues Werkzeug in die Hand gegeben. 

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Die Begründung aus Karlsruhe: Der Staat habe die Pflicht, die Bevöl­kerung vor Infek­tionen zu schützen und damit deren ver­fas­sungs­rechtlich garan­tiertes Recht auf Leben und Gesundheit nach Artikel 2 Grund­gesetz den Vorrang gegeben:

„Erginge dem­ge­genüber eine einst­weilige Anordnung und würde sich später her­aus­stellen, dass das Verbot zur Ver­hin­derung der von den Gerichten ange­nom­menen infek­ti­ons­schutz­recht­lichen Gefahren, die nicht in ver­fas­sungs­rechtlich rele­vanter Weise in Zweifel gezogen sind, recht­mäßig war, so wären grund­rechtlich durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Inter­essen der All­ge­meinheit, nämlich der Schutz von Leben und kör­per­licher Unver­sehrtheit, zu dem der Staat auch kraft seiner grund­recht­lichen Schutz­pflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG grund­sätzlich ver­pflichtet ist […] betroffen.“

Das ist jetzt noch keine Ent­scheidung für die Verbote, sondern nur eine Ablehnung des ein­ge­reichten Antrags. Dieser richtet sich in erster Linie gegen die Ent­schei­dungen des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofes Baden-Würt­temberg und des Ver­wal­tungs­ge­richts­hofes Freiburg. Auch da war von Bürgern ein Antrag ein­ge­reicht und abschlägig beschieden worden. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat damit nicht in der Sache selbst eine Ent­scheidung getroffen, sondern – wie so oft – eine Abwägung getroffen, ob es einer solchen Anordnung gegen die Ent­scheidung der Städte bedarf, um dro­hende, schwere Nach­teile abzu­wenden. Das letzte Wort ist damit aber noch nicht gesprochen:

„Die Erfolgs­aus­sichten der mit dem Antrag auf Erlass einer einst­wei­ligen Anordnung ver­bun­denen Ver­fas­sungs­be­schwerde sind nicht derart offen­sichtlich (…) Es ist nicht auf­ge­zeigt, dass die fach­ge­richt­liche Wür­digung, die Nicht­an­meldung der „Mon­tags­spa­zier­gänge“ ver­folge offen­sichtlich den Zweck, vor­beu­gende Auf­lagen zu umgehen und es zu ver­meiden, Ver­ant­wort­liche und eine hin­rei­chende Anzahl von Ordnern zu benennen, welche auf die Ein­haltung der von der Ver­samm­lungs­be­hörde vor­beugend oder während der Ver­sammlung erlas­senen Auf­lagen hin­wirkten, offen­sichtlich fehlsam ist.“ 

Hier kann man die Ent­scheidung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richtes nachlesen.

Das BVerfG wertete auch bei dieser Ent­scheidung das Ver­halten der Orga­ni­sa­toren. Diese seien absichtlich diesen Weg der nicht ange­mel­deten Demos, als „Spa­zier­gänge“ getarnt, gegangen, um behörd­lichen Auf­lagen aus­zu­weichen, wie etwa Ordner auf­zu­stellen und zu benennen. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt unter­stellt in seiner Ent­scheidung weiter, die Teil­nehmer all­gemein hätten sich nicht an Auf­lagen halten wollen, wie Abstände ein­zu­halten und Masken zu tragen.

Die Kern­frage in der Sache – die jetzt zur Ent­scheidung ansteht — lautet: Ver­stößt ein „vor­sorg­liches Verbot“ der Spa­zier­gänge und unan­ge­mel­deten Demos gegen das Grund­recht auf Ver­samm­lungs­freiheit oder nicht. Das muss in einem wei­teren Schritt in Karlsruhe ent­schieden werden.

Diese anste­hende Ent­scheidung enthält einiges an gesell­schaft­licher Spreng­kraft. Ent­scheidet Karlsruhe, dass diese Verbote unan­ge­messen und nichtig sind, werden diese unan­ge­mel­deten Demos überall aus dem Boden schießen. Wer meldet noch Ver­samm­lungen mit all den Auf­lagen an, wenn es ohne auch geht?

Ande­rer­seits zeigt die Erfahrung, dass die Städte jeden Vorwand benutzen, um Demos gegen die Impf­pflicht, die Auf­lagen und die teil­weise sinnlose und schäd­liche Maß­re­gelei zu ver­bieten. Werden dann noch „Spa­zier­gänge“ ver­boten, zu denen die Bevöl­kerung als ver­blie­benes, fried­liches Mittel greift, ist das Demons­tra­ti­ons­recht und damit ein Grund­recht der Men­schen, restlos aus­ge­höhlt. Das gibt es noch nicht einmal im geschmähten, ach-so-dik­ta­to­ri­schen Russland oder Weißrussland.

Ent­scheidet Karlsruhe, dass die Verbote Bestand haben, wäre damit die Selbst­de­fi­nition Deutsch­lands als eine freie Demo­kratie mit dem Volk als Sou­verän für die ganze Welt sichtbar erledigt.

Wahr­scheinlich wird das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt, da es mitt­ler­weile ja auch poli­tisch besetzt ist, einen Weg suchen, kein unbe­schränktes Recht auf Verbote zu bil­ligen, aber die Auf­lagen so zu gestalten, dass es den auto­kra­ti­schen Behör­den­ent­schei­dungen sehr ent­ge­gen­kommt. Wenn selbst Spa­zier­gänge ange­meldet werden müssen – na, dann werden die Behörden wahr­scheinlich jede Woche mit Tau­senden von Bür­ger­an­trägen geflutet werden, einen Spa­ziergang in der Stadt machen zu wollen. Soll die Polizei dann jeden Bürger, den sie auf der Straße sieht, nach seiner behörd­lichen Spa­zier­gangs­er­laubnis fragen? Und bekommt dann jeder, der durch die Stadt geht (ohne eine solche behörd­liche) Erlaubnis, eine Ord­nungs­strafe aufgebrummt?

Die ganze Chose gerät immer mehr zur irra­tio­nalen Farce.