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Alt­kanzler Helmut Schmidt: „Main­stream-Ket­ze­ri­sches“ Ukraine-Russland-Interview (Mai 2014)

Im Mai 2015 gab der damals 95-jährige Alt­kanzler Helmut Schmidt ein Interview zur Ukraine-Russland-Krise. Kurz zuvor, nämlich im März 2014, und in der End­phase des Maidan-Auf­standes in Kiew, hatte Putin die Krim „annek­tiert.“ Nach­folgend die heute absolut Main­stream-Ket­ze­ri­schen Gedanken Helmut Schmidts. Auf die Frage hin, ob es richtig sei, die damalige Bun­des­kanz­lerin Angela Merkel Moskau mit schär­feren Sank­tionen drohe, erklärte Schmidt: 

Diese Sank­tionen bringen nichts und führen bloß zur For­derung nach noch schär­feren Sank­tionen. Und wenn die nicht wirken, ver­langt jemand ver­stärkte Rüstung. Und dann landen wir am Ende beim Krieg mit Waffen.

Und Schmidt weiter:

Aber die Politik des Westens basiert auf einem großen Irrtum: dass es ein Volk der Ukrainer gäbe, eine nationale Iden­tität. In Wahrheit gibt es die Krim, die Ost- und die West-Ukraine. Die Krim, einst Land der Tataren, kam erst in den 50er Jahren durch ein „Geschenk“ des rus­si­schen Staats­chefs Chruscht­schow zur Ukraine. Die West-Ukraine besteht größ­ten­teils aus ehe­ma­ligen pol­ni­schen Gebieten, allesamt römisch-katho­lisch. Und die Ost-Ukraine, über­wiegend rus­sisch-orthodox, liegt auf dem Gebiet der Kiewer Rus, dem eins­tigen Kern­gebiet Russ­lands. Das scheint der Westen nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen.
(…) Was mich ver­wundert, ist, dass manche der west­lichen Poli­tiker und viele Medien zurzeit ganz anders schreiben, als die Deut­schen denken. Die Deut­schen sind bei Weitem fried­fer­tiger, als die Leit­ar­tikel in der WELT, der „Frank­furter All­ge­meinen Zeitung“, der BILD und auch in meiner eigenen Zeitung, der „Zeit“. Ich habe mit großem Interesse ver­folgt, wie zurück­haltend die Chi­nesen in dieser Frage reagieren. Ich würde uns Deut­schen eine ähn­liche Zurück­haltung empfehlen.

Auf die Frage hin, ob man zusehen soll, wie Russland die Ukraine ins Chaos stürzt, weil es Unab­hän­gigkeit will, ant­wortete Schmidt:

Ich bezweifle, dass das ganze Land das will. In den Gebieten um Charkow oder Donezk gibt es offenbar eine ganz andere Haltung, auch wenn man den Volks­ab­stim­mungen dort miss­traut. Ich denke, man muss den Men­schen in der Ukraine Zeit geben, sich selbst zu ordnen, ehe die EU oder Russland ver­suchen, den Staat an sich zu ziehen. Und zwar im Gespräch mit Russland und anderen Nach­bar­staaten. Niemand soll resi­gnieren, alle Betei­ligten sollten Genf II unter­stützen und dort gemeinsam nach Lösungen suchen.

Auf die Frage hin, ob er Putin als Aggressor sieht, ant­wortete Schmidt:

 Putin ist ein vor­aus­schau­ender Poli­tiker, der zugleich ganz andere Pro­bleme hat als die Krim oder die Ukraine. Er muss einen Viel­völ­ker­staat zusammen halten, in dem zum Bei­spiel der Anteil der Muslime weit stärker wächst als alle anderen Gruppen. Von wirt­schaft­lichen Pro­blemen ganz zu schweigen. Aber Putins Sicht zur Ukraine zu berück­sich­tigen, ist notwendig.

In Bezug auf „Putins Krieg“ sagte Schmidt:

Ich traue Putin nicht zu, dass er Krieg will. Und Europa sollte alles daran setzen, Russland in dieser Haltung zu bestärken, statt, wie die Regierung in Kiew oder mancher im Umkreis von US-Prä­sident Obama, vom 3. Welt­krieg zu schwätzen.

Quelle: https://www.bild.de/politik/inland/helmut-schmidt/bild-interview-altkanzler-europa-ukraine-krise-36003626.bild.html


Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de