Der Staat muss auch mal nehmen

Der Tages­themen-Kom­mentar ist eine Insti­tution in der zwangs­fi­nan­zierten ARD. Hier kann der mora­lisch gefes­tigte Jour­nalist jede Objek­ti­vität ablegen, auf Recherche und Aus­ge­wo­genheit ver­zichten und so richtig vom mora­li­schen Leder ziehen. Nicht dass er dies sonst nicht auch täte, doch beim Kom­mentar steht wirklich auch Meinung drauf, wo Meinung drin ist. In der Sendung vom 5. August durfte Sabrina Fritz vom SWR ihren Senf aus der Tube drücken. Es ging mal wieder um eines der Lieb­lings­themen der Regu­lie­rungs- und Umver­tei­lungs­fraktion, die soge­nannte Übergewinnsteuer.

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„Der Staat muss auch mal nehmen“, sagt Sabrina Fritz, und jene Öko­nomen, die ver­langten, der Staat solle nicht immer in den Markt ein­greifen, würden wohl über­sehen, dass der Staat dies ohnehin stets tue. „Mil­li­arden für Elek­tro­autos oder neue Medi­ka­mente oder günstige Bahn­fahrten… merken Sie etwas?“, fragt Fritz, „in all diesen Fällen gibt der Staat etwas und alle sind ganz leise. Wenn er aber etwas nimmt, ist der Auf­schrei groß. Zumindest bei der Wirt­schaft oder allen, die ihr nahe stehen.“

Da ich kein E‑Auto habe, unge­impft bin und auch das 9‑Euro-Ticket mir nichts nützt, darf ich wohl wider­sprechen. Um ehrlich zu sein: ich bin nur noch müde und über alle Maßen frus­triert, ange­sichts des öko­no­mi­schen Analpha­be­tismus in diesem Land. Dass der in den soge­nannten „öffentlich recht­lichen“ Medien gras­siert, ver­wundert mich aller­dings nicht wirklich. Geht es dort doch alles andere als öffentlich und schon gar nicht immer mit rechten Dingen zu, wie die aktuelle Causa der RBB-Chefin Schle­singer zeigt. Auch sie hat die Worte Walter Ulb­richts schreck­lichen Ange­denkens wohl anders ver­standen, als sie gemeint waren: „Genossen, aus unseren volks­ei­genen Betrieben Sen­de­an­stalten ist noch viel mehr rauszuholen!“

Doch ich schweife ab. Es geht um Grund­sätz­li­cheres. Der Staat, liebe Frau Fritz, ist nämlich ein Hun­ger­leider, weshalb er im besten Fall zum Dienst­leister und im schlech­testen, leider häu­figsten Fall, zum Wege­la­gerer werden muss. Jeden Euro, Dollar oder Yen, über den er verfügt, muss er vorher seinen Bürgern aus der Tasche ziehen oder – mit der Absi­cherung auf zukünftige Griffe in eben diese Tasche – sich leihen. Mit anderen Worten: der Staat nimmt immer! Ob aus der Gegenwart oder der Zukunft. In gewissen, stets zu hin­ter­fra­genden Grenzen ist dies auch akzep­tabel, doch wenn der Staat behauptet, dies mit dem Ethos eines Robin Hood zu tun und den Raub gerecht zu ver­teilen, lügt er. Muss er doch selbst bei aller­freund­lichster Unter­stellung seine stets größer wer­dende Räu­ber­bande aus der Beute versorgen.

Dass es in jüngster Zeit gerade die Lobbys der Ener­gie­wende und der Impf­flu­enzer geschafft haben, am Lager­feuer dieser Räu­ber­bande zu sitzen, würde ich deshalb nicht gerade als Zeichen staat­licher Groß­zü­gigkeit bezeichnen. Es ist nicht sein Geld, welches die wär­menden Flammen nährt. Auch ging das alles nicht leise ab. Frau Fritz hört lediglich nicht zu, wenn die ihrer Grund­rechte und Lebens­grund­lagen beraubten zu Pro­testen auf die Straße gingen und weiter gehen werden. Das Framing, was man von Leuten, die auf die Bar­ri­kaden gehen, zu halten habe, liefert die ARD gern frei Haus.

Womit wir bei jenen sind, die der Wirt­schaft „nahe stehen“, was zwar nach Kon­takt­schuld klingen soll, jedoch lediglich die Beraubten von den Räubern unter­scheidet, welche von den staatlich garan­tierten Sub­sidien leben und nicht davon, wie gut es der Wirt­schaft geht. Zu nennen wären da sowohl der Poli­tik­be­trieb als auch die Sen­der­fa­milie, bei der Frau Fritz seit Jahren (sechs davon in den USA) unter­ge­schlüpft ist. Wer den Ein­druck erweckt, der Wirt­schaft nicht nahe zu stehen, sollte weder auf mein Ver­ständnis, noch meine Auf­merk­samkeit hoffen.

„Der Staat kann aber nicht nur geben, er muss auch mal nehmen! Vor allem wenn enorme Auf­gaben wie Kli­ma­rettung und Auf­rüstung vor der Tür stehen.“

Kli­ma­rettung und Auf­rüstung gehen hier eine son­derbare, höchst wider­sprüch­liche Sym­biose ein. Der Krieg, vor allem der gegen die öko­no­mische Ver­nunft, hat uns gerade die Tür ein­ge­treten und das Klima werden wir alleine retten müssen. China hat soeben sämt­liche Zusam­men­arbeit mit dem Westen in diesem deut­schen Her­zens­projekt auf­ge­kündigt und unsere Auf­rüstung ist ein Witz. Man muss sich nur ver­ge­gen­wär­tigen, zu wem und wie Frau Fritz da über was spricht. Die ARD bekommt den Staats­sprech einfach nicht aus dem Schädel, selbst wenn sie zu echten Men­schen, zum zah­lenden Publikum spricht, statt eine Gruß­adresse an das WEF zu verlesen.

Kli­ma­rettung ante portas? Mil­lionen Deutsche Haus­halte werden binnen weniger Monate ihre Energie nicht mehr bezahlen können. Auf­rüstung? Mil­lionen Bürger rüsten gerade ab und streichen Urlaube, Anschaf­fungen und schmelzen gezwun­ge­ner­maßen ihre wenigen Erspar­nisse ab. Dieses Geschwafel von „gesell­schaft­lichen Auf­gaben“, die vor der Tür stehen, kommt vom behag­lichen Brü­ckendeck, wo der Aus­blick vor­trefflich und der Cham­pagner kalt ist und man dem Unterdeck weis­macht, die im Maschi­nenraum hätten es unbe­rech­tig­ter­weise schön warm.

„Und deshalb finde ich einen grö­ßeren Beitrag der Öl- und Gas­in­dustrie durchaus legitim. Ihre Gewinne sind nicht durch unter­neh­me­ri­sches Risiko oder tolle Erfin­dungen ent­standen, sondern durch einen Krieg, poli­tische Fehl­ent­schei­dungen und eine Pandemie.“

Stichwort Über­ge­winn­steuer also. Was tun die schon, diese Heizer! Das Feuer in den Kesseln brennt doch von allein, niemand geht ins Risiko – abge­sehen natürlich vom Risiko des Geschäfts ganz all­gemein, weil man nie weiß, welche neuen Grenz­werte, Steuern, Aus­stiegs­sze­narien oder Verbote sich die Politik als nächstes ein­fallen lassen wird. Niemand erfindet „tolle Dinge“ – genau wie Maurer, Klempner, Pfleger, Bäcker oder Müll­fahrer, die zwar nie ein neues Geschlecht, eine rechte Ver­schwörung oder eine kul­tu­relle Aneignung ent­deckt haben, den Laden aber dennoch am Laufen halten, ohne dass dies auf dem Brü­ckendeck Beachtung fände. Nur das mit den poli­ti­schen Fehl­ent­schei­dungen ist korrekt. Und zwar bei Krieg, Pan­demie und dem ganzen Rest.

„Die [Öl-]Industrie kann einfach zusehen, wie die Mil­li­arden aus dem Bohrloch sprudeln. Energie brauchen wir aber alle, deshalb muss ent­weder auf die Preise ein Deckel drauf, oder ein Teil der Gewinne kommt wieder der All­ge­meinheit zugute.“

Das ist genauso irrig wie die Aussage, die Aufgabe des Maurers bestünde darin, dem Putz beim Trocknen zuzu­sehen und zeigt die weit ver­breitete Unkenntnis der Kom­ple­xität weit­gehend unsicht­barer Pro­zesse, welche Milch in Tüten, Jacken auf Klei­der­bügel oder Benzin zu Tank­stellen bringen. Über viele Jahre waren die Preise stabil, doch nun, ange­sichts von zer­platzten poli­ti­schen Sei­fen­blasen, durch Covid-Maß­nahmen zer­störter Lie­fer­ketten und vielen ideo­lo­gisch deter­mi­nierten Ver­knap­pungen sind sie das eben nicht mehr und die ver­nach­läs­sigte Infra­struktur – in Deutschland eine zen­trale staat­liche Aufgabe – macht es unmöglich, kurz­fristig Alter­na­tiven zu suchen.

Das enge Korsett staat­licher Lenkung tut sein Übriges. Statt die Infor­mation zu nutzen, die in einem erhöhten Preis steckt, ver­langt Fritz, der deutsche Staat solle genauso reagieren, wie die DDR-Plan­kom­mission oder die fran­zö­si­schen Ter­ro­risten im Jahr 1793, als das berühmt-berüch­tigte Maximum aus­ge­rufen wurde. Auf die Höchst­preise folgten die Bestra­fungen für das Horten von Waren und die Höchst­löhne, nichts davon war geeignet, die Gesell­schaft zu befrieden, im Gegenteil. Preise fest­zu­schreiben, ohne zu begreifen, wie sie zustande kommen, ist der Sarg­nagel für jede Wirt­schaft. Mit „frei“ und „Markt­wirt­schaft“ hat das dann längst nichts mehr zu tun.

Doch zurück zu den „spru­delnden“ Öl- und Gas­quellen, von denen wir letztere jedoch auf keinen Fall im eigenen Lande haben wollen. Jeder Preis­an­stieg bedeutet auch unmit­telbar einen Zugewinn für den Finanz­mi­nister, der mittels des größten Batzens des Steu­er­auf­kommens, der Umsatz­steuer, unmit­telbar und pro­por­tional mehr ein­nimmt. Wie wäre es also statt mit einer Über­ge­winn­steuer zunächst mit einer Über­steuer-Steu­er­senkung?

„Bei der Über­ge­winn­steuer geht es um Gerech­tigkeit“ sal­badert Sabrina Fritz zum Abschied und man kann das innerlich gereckte Fäustchen fast schon sehen. Doch immer, wenn die Rede von „Gerech­tigkeit“ ist, muss man sich fragen, was ist „gerecht“ und was ist nur Gerede.


Quelle: unbesorgt.de