Gesichts-Such­ma­schine „PimEyes“: Du kannst Dich nicht verstecken!

„Pim Eyes“ ist eigentlich „nur“ ein soge­nanntes „Tool“ und sehr umstritten. Man kann diese App kos­ten­pflichtig auf sein Handy oder seinen Rechner laden, ein Foto ein­geben und die App alle im Internet ver­füg­baren Fotos absuchen lassen, um den­je­nigen zu iden­ti­fi­zieren, und die App hat eine sehr hohe Erfolgs­quote. Das birgt aber auch Gefahren. Denn PimEye iden­ti­fi­ziert auch Leute, die das gar nicht wollen und ermög­licht es, deren ganz per­sön­lichen Hin­ter­grund ohne Erlaubnis oder Anlass aus­zu­spio­nieren. Im Prinzip kann sich nun niemand mehr im öffent­lichen Raum oder in Foren frei bewegen, weil er nicht weiß, ob irgendwo eine StreetView-Kamera sein Gesicht ins Netz stellt. Oder in einer Nach­rich­ten­sendung einen Demons­tra­ti­onszug zeigt. Und das ist keine Dys­topie, sondern bereits Rea­lität. Anony­mität gibt es nicht mehr.

Die App kostet 34,44 Euro im Monat, und jeder kann sie sich auf’s Handy laden. Auf­grund der Mög­lich­keiten, die sich durch das Iden­ti­fi­zieren belie­biger Men­schen und das Durch­leuchten deren per­sön­licher Hin­ter­gründe ergeben, ist eine Dis­kussion ent­brannt, ob diese aus Polen stam­mende Gesichts­er­ken­nungs-Software über­haupt legal ist, ins­be­sondere, weil sie eine erschre­ckende Tref­fer­ge­nau­igkeit auf­weist. Und wer steckt dahinter?

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Ella Jaku­bowska von der Daten­schutz-NGO European Digital Rights (EDRi) nannte das Gesichts­er­ken­nungs­pro­gramm PimEyes hin­gegen eine reine “Stalker Ware“ (Stalker sind unan­ge­nehme, psy­chisch auf­fällige Zeit­ge­nossen, die Sie, aus welchen Gründen auch immer, ständig ver­folgen, alles über Sie wissen wollen, sich auf­drängen oder im Hin­ter­grund Dinge tun, mit denen sie sich massiv in Ihr Leben ein­mi­schen. Klas­sische Stalker sind Ver­liebte oder Leute, die eine Person hassen, oft ein Fan irgend­einer Berühmtheit.)

Euro­päische Daten­schutz­be­auf­tragte nahmen daher sehr schnell die Fährte auf und schickten dring­liche Anfragen an den App-Anbieter in Polen. Der zögerte nicht lange und eta­blierte nun eine Brief­kas­ten­firma namens „Face Reco­gnition Solu­tions Ltd.“ auf den Sey­chellen unter der Adresse House of Francis, Room 303, Ile du Port, Mahe. Damit ist man aus dem Gel­tungs­be­reich der EU heraus und kann fröhlich wei­ter­machen. Zwei der wich­tigen Ent­wickler der App, Łukasz Kowalczyk and Denis Tatina sitzen aber anscheinend weiter in Polen und arbeiten da an der App.

Das sind zwei typische Nerds, die dem PimEyes-Chef Giorgi Gobro­nidze 2017 vor­ge­stellt wurden. Wer Herr Georgi Gobro­nidze ist? Nun hier ist sein Profil:

„Giorgi Gobro­nidze ist ein Spe­zialist für Inter­na­tionale Bezie­hungen mit mehr als zehn Jahren Erfahrung in For­schung und aka­de­mi­scher Tätigkeit. Er ist Assis­tenz­pro­fessor an der European Uni­versity und Gast­dozent an der Georgian Ame­rican Uni­versity. Außerdem ist er Gene­ral­se­kretär am Institut für Rechts- und Poli­tik­for­schung. Zu ver­schie­denen Zeiten arbeitete er bei ver­schie­denen öffent­lichen und nicht­staat­lichen Insti­tu­tionen, wie dem geor­gi­schen Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium und der Georgian Young Lawyers’ Asso­ciation. Er war an einer Reihe von For­schungs- und Ana­ly­se­pro­jekten als ein­ge­la­dener Experte des Geor­gi­schen Zen­trums für Sicherheit und Ent­wicklung, des Inter­na­tio­nalen Repu­bli­ka­ni­schen Instituts, des Kau­ka­si­schen Hauses usw. beteiligt. Er ist Autor zahl­reicher Publi­ka­tionen zu natio­naler und regio­naler Sicherheit, Radi­ka­li­sierung und gewalt­be­reitem Extre­mismus, Min­der­hei­ten­pro­blemen, kul­tu­rellem, sozialem und poli­ti­schem Wandel der Region.“

Die „Advancing European Values and Stan­dards in Georgian Schools“ (620893-EPP‑1–2020-1-GE-EPPJMO-PROJECT), kurz EU-GS, ist das Erasmus+ Jean-Monnet-Projekt (2020–2022), das von der Euro­päi­schen Union kofi­nan­ziert wird Union und imple­men­tiert von der LLC European Uni­versity, Tbilisi, Georgia.

Georgien war Teil der Sowjet­union und erklärte sich 1991 für unab­hängig. Das Land stellte den Antrag auf EU-Mit­glied­schaft, der eigentlich für 2024 geplant war, auf­grund des Ukraine-Krieges bereits am 3. März 2022. Seit der Unab­hän­gigkeit Geor­giens umwirbt „der Westen“ das Land, um in Ost­europa seine Stellung und seinen Ein­fluss gegen Russland zu fes­tigen. Die Orga­ni­sation „Advancing European Values and Stan­dards in Georgian Schools“ ist eines der Werk­zeuge. Damit können wir Herrn Gobro­nidze bereits einordnen.

Die beiden Nerds  Łukasz Kowalczyk and Denis Tatina arbeiten also im Dienste des Herrn Gobro­nidze und prä­sen­tieren auf Twitter stolz ihr selbst ent­wi­ckeltes Stalker-Programm:

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Wer sich dagegen schützen will, kann das tun, das wird auch ange­boten, kostet aber. Eine Basis­version, die aber nicht allzu viel bringt, kostet schon 34,99 €, eine etwas effek­tivere pro Monat 92,99 € und die Voll­version 347,99 €. Das riecht ein bisschen nach Erpressung. Der Eigen­tümer von PimEye sieht sich aber zutiefst miss­ver­standen. Giorgi Gobro­nidze nennt PimEyes ein Werkzeug für das Gute. So könnten Men­schen ihren guten Ruf  im Internet schützen. Und froh­gemut schätzt er seine Kund­schaft so ein, dass sie das „Tool“ ethisch korrekt benutzen. So könnten Frauen sich zum Bei­spiel dagegen wehren, wenn ein ent­täuschter Mann, dem sie den Laufpass gegeben haben unge­straft „Rache­pornos“ von dieser Frau ins Netz stellt. Sichersicher.

Es gibt aber keine Vor­richtung dafür, dass der Nutzer nur nach dem eigenen Gesicht suchen kann. Dafür kann der Käufer der App aber seinen kos­ten­losen Schutz vor dem „Erkannt­werden“ durch andere Nutzer durch einen „Opt-Out Request“ gleich mit­buchen. Fraglich ist aber, das PimEyes dann mit den Iden­ti­täten derer macht, die sich so offen­sichtlich nicht finden lassen wollen.

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Dabei ist PimEye nicht allein auf dem Markt. Es gibt eine kos­tenlose App namens TinEye, die aller­dings keine ein­ge­baute Gesichts­er­kennung in der Software inte­griert hat, aber dennoch gru­selig effektiv ist. TinEye arbeitet mit Bilder-Rück­wärts­suche, aber auch das braucht nur wenige Sekunden. Die New York Times machte ein paar Tests mit TinEyes und stellte fest, dass es weder nutzt, das Gesicht zur Seite zu drehen, noch die berühmte Son­nen­brille auf­zu­setzen. Natürlich haben die Straf­ver­fol­gungs­be­hörden ein solches Pro­gramm – mit Gesichts­er­kennung – es heißt Cle­arview AI, ist aber für Pri­vat­leute nicht zu bekommen. Nun ja, PimEye und TinEye sorgen hier bei Kri­mi­nellen für Waf­fen­gleichheit mit der Polizei.

Netzpolitik.org, einer der Ver­tei­diger der infor­ma­tio­nellen Selbst­be­stimmung und stets saubere Recher­cheure, zeigt, wie das Tool eben auch bereits für „Frau­enjagd“ genutzt wird. Auf Telegram gibt es ver­schiedene Gruppen, in denen ganz offen­sichtlich Per­sonen nach­ge­schnüffelt wird. Netz­po­litik sprach viele Nutzer in den Telegram-Gruppen an und stellte fest: Keiner der Per­sonen, die ant­wor­teten, nutzte die App, um sein eigenes Foto nach­zu­suchen und uner­laubte Nutzung zu unter­binden, was PimEyes als den Zweck des Gesichts­er­ken­nungs­pro­grammes angibt. Aber eine Menge männ­licher Nutzer ver­folgen damit Frauen und über­wachen sie geradezu.

Seit 2021 hat der Daten­schutz­be­auf­tragte von Baden-Würt­temberg ein Ver­fahren gegen PimEyes ange­strengt. Geklärt werden muss nicht nur der mög­liche Verstoß gegen die infor­ma­ti­nelle Selbst­be­stimmung, sondern auch, ob PimEyes denn grund­sätzlich eine Datenbank mit bio­me­tri­schen Daten von Gesichtern aus Internet-Fotos erstellen darf. Hier geht es um Mil­lionen von Gesichtern von Per­sonen, die mit Sicherheit nicht alle dieser Erfassung und Spei­cherung zuge­stimmt haben. Im Prinzip kann jeder, dessen Foto im Netz steht, in der Datenbank von PimEyes erfasst sein. Das auf­zu­klären, dürfte schwierig werden. Denn der Umzug auf die Sey­chellen lässt ver­muten, dass die Koope­ra­ti­ons­be­reit­schaft des Herrn Giorgi Gobro­nidze nicht allzu aus­ge­prägt ist. Die Anfragen der Daten­schutz­be­hörden hat er jeden­falls bisher nicht beantwortet.