Sag zum Abschied leise: „Ich habe keine Ahnung, wovon ich da rede!“

Eine der ersten Ent­schei­dungen Musks nach Über­nahme von Twitter war es, die Chef­etage zu feuern. „Der Vogel ist befreit“, twit­terte der selbst­iro­nische „Chief Twit“, und da ist es selbst­ver­ständlich, dass erst mal das Gefäng­nis­per­sonal aus­ge­tauscht wird.

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Mehr Mei­nungs­vielfalt, keine lebens­langen Sperren mehr, Attrak­ti­vität für den Ad-Markt ver­bessern, eine neu­trale Plattform für welt­weite und viel­leicht dem­nächst auch auf dem Mars ver­fügbare Kom­mu­ni­kation schaffen… was für die einen wie ein Ver­sprechen auf Fort­schritt klingt, bringt das Blut der­je­nigen zum Kochen, die nun ein­sehen müssen, dass sie die Kon­trolle über die Plattform Twitter ver­lieren werden. Und dabei hat man die doch so genossen, weil sie frei­willig war und es kaum der staat­lichen Inter­vention bedurfte. „Twitter? Das ist eine pri­vat­wirt­schaft­liche Plattform, die sperren und löschen, wie’s ihnen gefällt!“

Nun kann man sich frus­triert von Twitter abwenden und still bedauern, dass nun wieder Leute dort unterwegs sein werden, die man nicht leiden kann. Oder man wirft die Tür kra­chend und medi­en­wirksam hinter sich zu, sagt dem Publikum das Letzte zuerst und beweist noch im Weg­gehen, dass man nicht mal im Ansatz begriffen hat, wie das Internet, Twitter und der ganze Rest wirklich funk­tio­nieren. Klar, dass sich Saskia Esken, die ver­kniffene Ober­schwester Ratched der SPD, für letz­teren Weg ent­schieden hat. Hoffen wir, dass sie schnell genug aus der Tür kommt, ohne noch am Hin­terkopf getroffen zu werden.

Das Netz zurückholen

In einem ZEIT-Gast­beitrag mit dem Titel „Wir müssen uns das Netz zurück­holen“ ver­ab­schiedet sie sich geräuschvoll von Twitter. Im Twit­ter­haupt­quartier in San Fran­cisco muss einem der zahl­reichen Demo­kratie- und Frei­heits­be­auf­tragten vor Schreck der goldene Löffel ins vegane Tiramisu gefallen sein. Die Saskia will uns ver­lassen! Die Twit­ter­de­mo­kratie hat – sofern die Pro­nomen noch aktuell sind – ihre beste Frau verloren!

Und weil das Exil wartete, schrieb Saskia in Eile. Da kommt einem schon mal einiges durch­ein­ander, wie wenn Oma vom Krieg erzählt. In den Nuller­jahren führte die Telekom in Deutschland nach dem miss­glückten ISDN bereits DSL ein. Das quiet­schende 56-k-Modem hatte da seinen Schrecken schon fast ver­loren. Aber wir nehmen zur Kenntnis: die Saskia war dabei beim Start der Digi­ta­li­sierung, und das zu sagen war ja die Absicht der Schreiberin.

„Die Eman­zi­pation der Men­schen vor­an­bringen, sie auf Augenhöhe ver­netzen und ihr Zusam­men­wirken demo­kra­ti­sieren: das waren die Ziele in den Anfängen des Netzes.“

Auch ja, die Augenhöhe. Eine ebenso abge­dro­schene wie unehr­liche Floskel, die Poli­tikern leicht von der Lippe geht. Ebenso wie „mit­nehmen“ und „abholen“. Für die Beschreibung des Internets ist „Augenhöhe“ eine ebenso untaug­liche Metapher wie ein Stra­ßennetz, dass seine Nutzer in Höhe der Fuß­sohlen ver­netzt. Es ging und geht um Infor­ma­ti­ons­aus­tausch und dabei gibt es Sender und Emp­fänger. Und dass die Demo­kratie irgendeine Wirkung auf das Netz hätte, dass womöglich deren Regeln gälten, ist Koko­lores. Anarchie und Selbst­or­ga­ni­sation waren die Regel.

„…30 Jahre nach dem Start des World Wide Web müssen wir fest­stellen, dass die gesell­schafts­po­li­ti­schen Ideen der Digitalität ver­loren gingen.“

Immer wenn ein Poli­tiker uns „gesell­schafts­po­li­tisch“ kommt, möchte er etwas unter seine Kon­trolle bekommen. Was Twitter angeht, ging das nun gründlich schief.

Das Primat der Politik

„Heute wird die Digitalsphäre von einigen wenigen Unter­nehmen und ihren kom­mer­zi­ellen Inter­essen kon­trol­liert. Die basis­de­mo­kra­tische Idee des Netzes ist schwer beschädigt, doch auch mit dem Primat der Politik ist es in zen­tralen Fragen der Digi­ta­li­sierung nicht weit her.“

Die kom­mer­zi­ellen Inter­essen sind es, die das Netz am Leben halten. Einige mögen zwie­lichtig sein, andere unethisch oder in den Augen von Frau Esken über­flüssig. Aber nimmt man diese Inter­essen weg, bleiben nur Pro­pa­ganda und Kat­zen­bilder, also digi­tales Opium fürs Volk. Mit dem „Primat der Politik“ spricht Esken ein wahres Wort gelassen aus. Nur bedauert sie die Grenzen dieses Prinzips und die Tat­sache, dass sich hin und wieder jemand gegen dieses Primat zur Wehr setzt. Es geht Esken ja nicht um die Frage, wer mit einem Feder­strich oder Erlass mehr Gelder in Bewegung oder Räder zum Still­stand bringen kann. Ret­tungs­pakete und Lock­downs machen uns über­deutlich, dass die Politik im Zweifel jeden nie­der­ringt, der ihr nicht folgen will. Man kann aber nicht „basis­de­mo­kra­tische Idee“ und „Primat der Politik“ wider­spruchslos in einen Satz stellen. Eskens Primat hat eher etwas von „wir regeln das, das ist unsere Sache“ oder auf Ita­lie­nisch „cosa nostra“.

„Tim Berners Lee, einer der Begründer von Internet und WWW, hat uns dazu auf­ge­rufen, uns das Netz zurückzuholen und es wieder zu dem zu machen, was auch meine Vor­stellung davon ist: eine offene und dezen­trale Struktur, die demo­kra­tisch gestaltet und kon­trol­liert ist, damit sie allen Men­schen dient und nicht einigen wenigen. Die Kapi­tal­ver­wertung hat das WWW kaputtgemacht.“

Zurück­holen kann man sich nur etwas, das einem schon mal gehört hat. Weder Esken noch Lee haben die Infra­struktur errichtet oder tragen zu deren Erhalt nen­nenswert bei. „Das Netz“ gibt es im Sinne einer teil­baren Sub­stanz nicht mal. Was Lee meint, sind unsere Daten, unser digi­tales selbst und die Spuren, die es im Netz hin­ter­lässt. Dahin muss es gehen, zwei­fellos. Die vor­ge­schobene „demo­kra­tische Gestaltung“ ist hier über­haupt nicht anwendbar, es sei denn, man inter­pre­tiert wie Esken und möchte in erster Linie Kon­trolle erlangen und sei es mit Hilfe des Wortes „Demo­kratie“, welches als Label aus jeder Anmaßung ein huma­ni­täres Ansinnen machen kann.

„Besonders eindrücklich kann man das bei den sozialen Netz­werken beob­achten: Vordergründig dienen sie der Ver­netzung von Nutzer*innen, doch in Wahrheit sind wir dort bloße Ware und auf die Summe unserer Daten, Gewohn­heiten und Vor­lieben redu­ziert. Die Ökonomie von Auf­merk­samkeit und Empörung, wie wir sie heute in den sozialen Medien erleben, beschädigt unsere poli­tische Kultur. Hass und Hetze bedrohen den gesell­schaft­lichen Zusam­menhalt, Kam­pagnen zur Des­in­for­mation und Mani­pu­lation der öffentlichen Meinung gefährden unsere Demo­kratie. Weil der Kampf gegen diese Phänomene den ökonomischen Inter­essen der Platt­formen wider­spricht, laufen unsere Appelle zur Selbst­kon­trolle ebenso wie unsere Ver­suche der Regu­lierung mehr oder minder ins Leere.“

Wer bis heute nicht begriffen hat, dass die Währung in sozialen Netz­werken die Nut­zer­daten sind, dem ist wirklich nicht zu helfen. Aller­dings hat man es bis zu einem gewissen Grad in der Hand, was man von sich preisgibt und natürlich auch, ob man sich mit diesen Netzen ein­lässt. Über dieser, offen­sicht­lichen Ebene der Kapi­ta­li­sierung, die schon allein zur Auf­recht­erhaltung der Dienst­leistung nötig ist, gibt es jedoch eine ganze Reihe öko­no­mi­scher Mög­lich­keiten, in der Auf­merk­sam­keits­öko­nomie sein Aus­kommen zu finden. War die Anfangszeit des Netzes noch eine einzige Nabel­schau, exis­tieren heute Hun­dert­tau­sende Unter­nehmen aller Größen, deren Geschäfts­modell sich aus Auf­merk­samkeit und Empörung speist. Vom Beauty-Influ­enzer über Koch­re­zepte bis zu poli­ti­schen Kom­men­ta­toren, Blogs und Medi­en­kon­zernen, die es nur online gibt. Sicher, auch Kam­pagnen zur Des­in­for­mation sind dabei, doch leider erweist es sich oft erst später, dass Absicht und Ergebnis nicht zusammenpassen.

Hand aufs Herz, Frau Esken, wollen Sie Ihrem SPD-Minister Lau­terbach das Twittern und You­Tuben ver­bieten, nur weil er seit Jahren Falsch­in­for­ma­tionen über die Wirk­samkeit der Covid-Impfung ver­breitet oder Ihr Par­tei­ge­nosse Stephan Weil in übler Weise gegen Unge­impfte hetzt? Man muss mit solchen Vögeln leider leben und ich für meinen Teil finde es weit weniger bedrohlich, dass sie Auf­merk­samkeit über die sozialen Medien suchen, als dass sie öffent­liche Ämter bekleiden. Viel­leicht können wir hier Gemein­sam­keiten finden. Von wegen „Primat der Politik“ und so. Ich schlage eine Trennung der Politik von sozialen Medien vor. Und zwar kon­se­quent und für alle. Also nicht nur Trump, sondern auch Biden, Lau­terbach, Weil und Aya­tollah Kha­menei. Netz­werke für Men­schen, statt für Büro­kraten. Egal, ob sie in Berlin, Brüssel, Washington oder Teheran sitzen…das wäre doch was, oder?

Twitter auf­hüb­schen

„Besonders krass sind diese Ent­wick­lungen bei Twitter zu beob­achten, nicht zuletzt weil die Plattform seit Jahren zum Verkauf aufgehübscht werden musste. Twitter unter­nimmt nichts gegen Fake­profile, agiert im Umgang mit gemel­deten straf­baren Inhalten wie Belei­digung oder Volks­ver­hetzung aus­ge­sprochen nachlässig und lässt auch nach klaren Urteilen nicht von unrechtmäßigen Twitter-Sperren ab. Die angekündigte Übernahme von Twitter durch Elon Musk wird die Plattform ganz sicher nicht zu einem gemeinnützigen Unter­nehmen machen.“

Zum Verkauf auf­ge­hübscht wurde Twitter nie. Im Gegenteil. Als kleinste der großen Platt­formen meldete Twitter seit Jahren kata­stro­phale Zahlen. Der Wert der Plattform ist nicht finan­zi­eller Art und die bis­he­rigen Eigen­tümer, dar­unter die Saudis, hatten auch wenig Pro­bleme damit, nichts an dem Landen zu ver­dienen. Twitter ist die Plattform der poli­tisch-medialen Wirk­ver­stärkung und das ist der Grund, warum Politik und Medien nun so ver­schnupft reagieren.

Doch die Nut­zer­zahlen sta­gnierten, die Zahl der aktiven regel­mä­ßigen User wurde lange falsch und zu hoch ange­geben. Die Zahl der Fake­profile ist in der Tat eine wichtige Frage, aber dass aus­ge­rechnet Saskia Esken jemals Partei für unrecht­mäßig gesperrte User ergriffen hätte, ist mir neu. Kein Wunder, ihre Freunde und Genossen betrifft sowas ja kaum. Im Gegenteil: ihr Par­tei­ge­nosse Heiko Maas war es, der das unsäg­liche Netz­werk­durch­set­zungs­gesetz auf den Weg brachte, dass prä­emptive Löschungen und Sper­rungen erst gesetzlich verankerte.

Übrigens war es aus­ge­rechnet eine solche völlig will­kür­liche Sperrung, die Musk zum Ein­stieg bei Twitter bewegte. Die Seite von Babylon Bee, einem Sati­re­format, wurde für einen Tweet gesperrt. Der Vorwurf: falsch gegendert. Und was ist das eigentlich für eine sta­li­nis­tische Idee, Musk müsse die Plattform in ein gemein­nüt­ziges Unter­nehmen ver­wandeln? Er hat 44 Mil­li­arden für eine ideo­lo­gisch durch­seuchte Filiale der Demo­kra­ti­schen Partei, der Antifa und BLM aus­ge­geben, die kaum die Hälfte wert ist und deren Ange­stellte von anstren­gungs­losen Tages­ab­läufen berich­teten, für die sich sogar ein indi­scher Maha­ra­dscha schämen würde. Das Per­sonal bei Twitter war inef­fi­zient und auf­ge­bläht wie eine deutsche Bundesbehörde.

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Gemein­nüt­zigkeit, pah! Die Über­nahme mag der einen oder anderen Genossin gemein vor­kommen, nützlich ist sie auf alle Fälle! Musk sollte eigentlich alle ent­lassen, die Daten löschen und die Server bei eBay ver­kaufen aber als zweit­beste Lösung finde ich die Idee, eine wirklich neu­trale Plattform zu bauen, die keine geheimen Algo­rithmen, keinen Shadowban und keine staatlich bestellten Fak­ten­checker braucht und auf der die Akteure ganze Medi­en­im­perien errichten können, wenn sie es wollen, sehr charmant.

Der fröh­liche Diskurs

„Mit jedem Tag wird mir deut­licher, dass die kom­mer­zi­ellen Platt­formen in keiner Weise dafür geeignet sind, Men­schen und ihre freien, demo­kra­ti­schen Gesell­schaften zu stärken. Der fröhliche Diskurs mit den vielen offenen, neu­gie­rigen und respekt­vollen Twitter-Freun­dinnen und ‑Freunden, den ich dort einmal pflegen konnte, ist leider begraben unter einer dicken Schicht von Clickbait-getrie­bener Empörung, oft miso­gynem Hass und von Fake-Accounts und Fake News. Und die Ver­ant­wort­lichen unter­nehmen nichts dagegen. 

Jetzt wird es wirklich albern. Ich stelle mir gerade vor, wie die vielen offenen, neu­gie­rigen und respekt­vollen Twit­ter­freun­dinnen und ‑freunde sich zu Füßen Eskens nie­der­lassen und erwar­tungsvoll lächelnd flüstern „Saskia, erzähle und etwas über die groß­artige Politik der SPD!“. So stellt sich Frau Esken diesen „fröh­lichen Diskurs“ doch vor. Sie spricht, alle anderen hören zu. Weil die meisten Men­schen die sozialen Medien aber nicht zur poli­ti­schen Erbauung, sondern für alles Mög­liche nutzen, steigt die gestelzte Par­tei­po­litik den Leuten ins Private nach, belästigt und belehrt.

Dabei gibt es doch die Mög­lichkeit, die Tür hinter sich zuzu­sperren und im Kreis seiner Adepten „fröh­liche Dis­kurse“ zu pflegen. Wer dies wie Esken aber stets vor Publikum tun muss, weil Ego, Sen­dungs­be­wusstsein und Reich­wei­ten­geilheit es so ver­langen, muss in Rechnung stellen, die Emp­fänger zu beläs­tigen. Zuge­geben, die Reak­tionen sind mangels Sicht­kontakt oft rüde bis unver­schämt, aber man sollte das Abschalten solcher Reak­tionen nicht als kos­ten­losen Service betrachten, sondern muss dies wie das Senden schon selber erle­digen. Und was das Click­baiting angeht, ist Esken bei Twitter oder Facebook an der fal­schen Adresse. Es sind Medien wie das, in dem ihr Twit­ter­ab­schied erschienen ist, die solches betreiben. Twitter selbst hat keine Inhalte und der größte Pro­duzent von Fake News der letzten Jahre heißt Lau­terbach und ist Mit­glied der SPD.

„Aber in einer digi­ta­li­sierten Welt braucht es öffentliche Räume für Mei­nungs­bildung und demo­kra­ti­schen Diskurs, in denen wir souveräne Gestalter sind. Eine digitale Zivil­ge­sell­schaft braucht Werk­zeuge, um sich privat oder zivil­ge­sell­schaftlich zu ver­netzen, ohne dass ihre Akteure dabei zur Ware werden. Deshalb habe ich mich ent­schieden, Twitter zu ver­lassen. Und ich werde mich mit all meiner Kraft dafür ein­setzen, dass demo­kra­tisch gestaltete digitale öffentliche Räume und Werk­zeuge verfügbar werden.“

Esken hält sich offenbar für die Saskia, die solche Räume bauen kann. Das „wir“ in „wir sou­veräne Gestalter“ ist ein exklu­sives. Es schließt nicht alle ein, denn dann könnte Esken ja das neue Twitter nutzen. Nein, eine aus­ge­wählte poli­tische Klasse soll Gestalter sein, bezahlt vom Steu­er­zahler, Kon­troll­in­stanz Politbüro. Ein Staats­twitter, ange­siedelt viel­leicht bei der EU, über­wacht von einem EU-Kom­missar und einem Über­wa­chungs­aus­schuss, in dem pari­tä­tisch die guten Par­teien ver­treten sind. Das klingt alles eher nach 1984 als nach fröh­lichen Dis­kursen, aber wir dürfen beruhigt sein, denke ich. An der Rea­li­sierung solcher Pro­jekte scheitern die Welt­ver­bes­serer und poli­ti­schen Gestalter in schöner Regel­mä­ßigkeit. Ich könnte mir denken, man lässt es am Ende mit der Ein­führung einer Digital-Kopf­steuer in der EU bewenden, die Umsetzung ver­läuft im Sande und wird irgendwann zwi­schen zwei Fünf­jahr­plänen ganz aufgegeben.

„In den USA wurden in den Drei­ßi­ger­jahren ver­gleichbar große Unter­nehmen in der Ölin­dustrie zer­schlagen – ein Schritt, der auch in Bezug auf die großen glo­balen Player der Digi­tal­wirt­schaft zu Recht immer wieder dis­ku­tiert wird. Denn solche mono­pol­ar­tigen Struk­turen gefährden nicht nur die Märkte, sie gefährden auch den Fort­schritt und letztlich unsere Gesellschaften.“

Zer­schlagen in was? Entlang welcher Schnitt­linien? Regio­nalt­witter? Linkst­witter und Links­extremt­witter? Soziale Medien sind keine Ölfirmen. Man kann sie eher mit Paket­diensten ver­gleichen. Wenn man hier Beschrän­kungen vor­nimmt, stärkt man den Wett­bewerb nicht, sondern ver­hindert ihn. Aber jetzt ist Esken so richtig in Fahrt und arbeitet sich am Kapi­ta­lismus ab.

„Microsoft und Google kaufen Inno­va­tionen auf, die ihnen gefährlich werden können, und behindern damit den Wett­bewerb alter­na­tiver Tech­no­logien, Ideen und Kon­zepte. Die Markt­be­herr­schung durch Facebook hat zahl­reiche alter­native soziale Netz­werke unter­gehen lassen.“ 

Die Markt­be­herr­schung ergab sich aus dem Produkt, sie ist das Ergebnis von Wett­bewerb, nicht sein Gegenteil. Dass alter­native Netz­werke ver­drängt wurden und unter­ge­gangen sind, liegt daran, dass sie nicht das anboten, was die User wollten. Aber wir freuen uns natürlich alle auf die Alter­native, die dem­nächst durch Eskens per­sön­liches Enga­gement ent­stehen wird. Als behördlich viel­leicht dem Innen­mi­nis­terium unter­stelltes Angebot wird es sicher voller guter Ideen und Kon­zepte sein. Übrigens, nur als Hinweis: Google hatte ver­sucht, ein zu Facebook alter­na­tives Netzwerk auf­zu­bauen und dafür sicher viel Geld ver­brannt. Google+ ist heute Geschichte.

Eine nationale Rechts­durch­setzung gegen diese Struk­turen fällt zunehmend schwer.“

Rechts­durch­setzung im Sinne der Bürger oder der Macht? Das NetzDG ist ein büro­kra­ti­sches Monster, das in seiner heu­tigen Form die Kom­mu­ni­kation eher behindert als absichert.

In diesem Ton geht es weiter und weiter, ich will Sie nicht lang­weilen, liebe Leser und nur weil der Artikel inzwi­schen hinter der Bezahl­schranke ver­schwand, zitiere ich über­haupt so aus­führlich. „Euro­päische Union, Neu­ordnung im digi­talen Raum, Para­dig­men­wechsel, Gewinne abschöpfen, öffent­liche Hand, Demo­kra­ti­sierung, Fort­schritt, Inno­vation…“ all die Klin­gel­worte, die die Gesell­schafts­ge­stalter vom Schlage Eskens im Munde führen, wenn sie über bunte Karten gebeugt den Angriff auf die Rea­lität ver­künden, finden sich im Artikel. Es lang­weilt einen zu Tode. Deshalb lasse ich die SPD-Tante aus dem Politbüro nur noch mit ihrem Schlusssatz zu Wort kommen, der die ganze Anmaßung und den poli­ti­schen Grö­ßenwahn perfekt einfängt.

Kleine Geister, große Pläne

„Wir brauchen eine Stra­tegie für mehr Sou­ve­rä­nität und Resi­lienz, die tech­no­lo­gische Inno­vation, demo­kra­tische Aus­ge­staltung und dafür not­wendige Kom­pe­tenzen zusam­men­denkt. Gerade in Zeiten wie diesen braucht es einen aktiven und starken Staat, der die demo­kra­tische Digi­ta­li­sierung als eine gesamt­staat­liche Mission begreift – mit und für die Bür­ge­rinnen und Bürger.“

Der starke Staat, der alles an sich zieht und reißt, da ist er wieder. Und weil es besser klingt, nennt man den ganzen Plan „demo­kra­tisch“ und „für die Bür­ge­rinnen und Bürger“, selbst wenn es um nichts weniger als Bevor­mundung und Ruhig­stellung geht. Nein, Esken hat nicht begriffen, wie soziale Netze funk­tio­nieren und dass es dort kein „Primat der Politik“ und schon gar kein „Primat der SPD“ geben kann. Es gilt das Primat des Pri­vaten, das sich öffentlich macht. Wer mit den Teil­nehmern dieser Netze spricht, kann nicht von einem braven Audi­torium aus­gehen, sondern hat es mit teils rauen Sitten und schmut­zigen Händen zu tun und man weiß nie, wo und in welcher Stimmung man die Men­schen antrifft. Facebook und Twitter sind Räumen mit einem unde­fi­nierten und für jeden ver­schie­denem Signal-Rau­schen-Ver­hältnis, dessen Gestaltung sich staat­lichen Regu­lie­rungen ent­zieht. Der kann nur ent­weder den Stecker ziehen oder sich darauf beschränken, Kri­mi­na­lität zu ver­folgen. Dafür braucht es keinen starken, sondern einen effi­zi­enten Staat.

Das Gezeter nach Musks Twit­terkauf wird schwächer werden, die ange­kün­digten Account­lö­schungen größ­ten­teils in der Drohung ver­harren, die Auf­for­de­rungen der gra­tis­mutigsten linken Akti­visten an Musk, er solle sie doch raus­schmeißen, uner­widert bleiben. Musk wird fest­stellen, dass sich der Laden auch mit der Hälfte der Soja-Latte-Trin­kenden Ange­stellten betreiben lässt und neue, libe­ralere Regeln ein­führen. Er wird gelöschte Konten wie­der­her­stellen, „Babylon Bee“ wird wieder senden und „Project Veritas“ wieder seine für die Regierung der USA unbe­quemen inves­ti­ga­tiven Ermitt­lungen publi­zieren. Viel­leicht wird Donald Trump „Ich bin wieder da“ twittern und Alex Jones „Ich hab’s euch doch gesagt“. Rau­schen für die einen, Signal für die anderen. Da wäre sogar Platz für die uto­pisch-eta­tis­ti­schen Ver­satz­stücke von Saskia Esken. Sie müsste nur den dann viel­leicht mal erreich­baren Support fragen. Das Schlüs­selwort heißt „Konto wie­der­her­stellen“. Dann rauscht es eben wieder ein bisschen mehr im Netz, damit werden wir schon klar kommen.


Quelle: unbesorgt.de