Neue Lage­ein­schätzung der RAND-Cor­po­ration – Langer Ukrai­ne­krieg schadet US-Inter­essen (+Videos)

Zufälle gibt’s …! Am 2. Februar ver­fasste die RAND-Cor­po­ration einen neuen Bericht zur Lage an der „Ost­front“. Gab man sich im letzten Lage­be­richt noch sehr sicher, die Fäden in der Hand zu halten und Russland langsam aber druckvoll über seine Kapa­zi­täten zu belasten, bis es zusam­men­bricht („Extending Russia“), schlägt man jetzt ganz andere Töne an: “Avo­iding a Long War” ist nun die Über­schrift des neuen Stra­te­gie­pa­piers, und es enthält eine deut­liche Warnung, beleuchtet die Risiken des Abnut­zungs­krieges um die Ukraine und stellt fest, dass die Gefahr eines Atom­krieges kon­ti­nu­ierlich wächst. Zufällig hatte einige Tage vorher ein rus­si­sches Kriegs­schiff, das „töd­lichste Schiff der Welt­meere“ Abschuss­übungen für seine Zirkon-Hyper­schall­ra­keten ver­an­staltet —  vor der Ost­küste der USA.

Diese Fre­gatte ist ein Kriegs­schiff einer ganz neuen Klasse: Die „Admiral Gorschkow“. Es handelt sich bei diesem Mehr­zweck-Kampf­schiff (Projekt 22350) um eine Fre­gatte mit Stealth-Eigen­schaften, ist also nicht so leicht mit Radar zu orten. Seine Außen­wände und Aufbau sollen aus Kom­po­sit­ma­terial bestehen, das die Radar­si­gnatur enorm minimiert.

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Diese hier im Video vor­ge­stellte Hyper­schall­rakete Zirkon ist so schnell, dass sie für die Luft­ab­wehr­systeme prak­tisch nicht zu erreichen ist. Und das Schiff ist kaum im Atlantik zu orten. Es ist bis an die Zähne bewaffnet und verfügt über tech­nische Mög­lich­keiten, die die USA bisher offenbar nicht haben. Es ist in der Lage, von See aus größere US-Ame­ri­ka­nische Städte bis zu 800 Kilo­meter ins Lan­des­innere aus­zu­ra­dieren. Auch mit ato­maren Spreng­köpfen. Die „Admiral Gorschkow“ soll zusammen mit Süd­afrika und China mili­tä­rische Übungen um Kap Horn und im Indi­schen Ozean abhalten. Schon im Vor­hinein tat sich selt­sames mit diesem Schiff und dann – so wurde berichtet – beor­derte der rus­sische Prä­sident Putin in den letzte Janu­ar­tagen die „Admiral  Gorschkow“ in den West­pa­zifik, um dort vor der US-Ost­küste Ziel­übungen mit den Zirkon-Hyper­schall­flug­körpern zu ver­an­stalten. So, dass die Ame­ri­kaner dieser Leis­tungs­schau auch bei­wohnen mussten. In Washington war man not amused.

Und nun, Zufall oder nicht, ändert die RAND Cor­po­ration fast sofort danach ihre Lage­ein­schätzung von „Russland bis zum Zusam­men­bruch über­dehnen“ in „einen langen Krieg ver­meiden“. Eine ziemlich krasse Kehrtwendung.

Die RAND Cor­po­ration ist ein US-ame­ri­ka­ni­scher Thinktank, Recherche- und Analyse-Dienst­leister und wird direkt vom US-Militär finan­ziert. Die Orga­ni­sation wurde direkt nach dem Zweiten Welt­krieg gegründet, um mili­tä­rische Planung mit For­schung und Ent­wicklung zu ver­binden, um die rich­tigen Ent­schei­dungen zu treffen. Die Ana­lysen und Schluss­fol­ge­rungen der Militärs und For­scher sind bekann­ter­maßen ohne jede Beschö­nigung, gna­denlos und knallhart fak­ten­ba­siert. Und immer in gepflegter, voll­kommen un-emo­tio­naler Sprache abge­fasst. Man macht in der neuen Analyse keinen Hehl daraus, dass die Dinge sich geändert haben und ein naher Sieg des „Westens“ kei­neswegs mehr sicher ist:

Die Dis­kussion über den Russland-Ukraine-Krieg in Washington wird zunehmend von der Frage beherrscht, wie er enden könnte. Um dieser Dis­kussion eine Grundlage zu geben, werden in dieser Per­spektive Wege auf­ge­zeigt, wie sich der Krieg ent­wi­ckeln könnte und wie sich alter­native Ver­läufe auf die Inter­essen der USA aus­wirken würden. Die Autoren argu­men­tieren, dass es den Inter­essen der USA am besten dienen würde, einen lang­wie­rigen Kon­flikt zu ver­meiden und gleich­zeitig die Risiken einer grö­ßeren Eska­lation zu mini­mieren. … Der Krieg in der Ukraine erschwert den USA die Kon­zen­tration auf ihre Bemü­hungen, sich auf einen künf­tigen Kon­flikt mit China vor­zu­be­reiten. Die Fähigkeit der USA, sich auf ihre anderen glo­balen Prio­ri­täten – ins­be­sondere den Wett­bewerb mit China – zu kon­zen­trieren, wird ein­ge­schränkt bleiben, solange der Krieg die Zeit hoch­ran­giger poli­ti­scher Ent­schei­dungs­träger und die mili­tä­ri­schen Res­sourcen der USA in Anspruch nimmt. 

Und daher scheint die neue Devise zu heißen: Besser jetzt raus mit Schaden als alles aufs Spiel zu setzen: Das Risiko eines langen Krieges in der Ukraine bestehe darin, dass die Gefahr eines rus­si­schen Atom­waf­fen­ein­satzes und eines länger dau­ernden NATO-Russ­land­krieges stetig wächst. Diese beiden Eska­la­tionen gelte es unbe­dingt zu vermeiden.

Und dabei brächte die Rück­eroberung der von den Russen jetzt besetzten Gebiete eigentlich wenig Vorteil. Das Risiko einen langen Krieges mit ver­hee­renden Folgen wiege da wesentlich schwerer. Man solle nun die Ukraine zu Ver­hand­lungen drängen – ansonsten keine weitere Mili­tär­hilfe mehr leisten. Überdies könne man dann Russland auch Bedin­gungen für die Auf­hebung von Sank­tionen diktieren.

Natürlich weiß man bei RAND, dass der Bericht auch Moskau vor­liegt und daher ist er spürbar auch so abge­fasst, dass er sich an diese Adresse richtet. Moskau weiß, dass Washington weiß, dass es den Krieg nicht ratzfatz – wenn über­haupt – gewinnen kann. Man weiß hüben wie drüben, dass die Ukrainer schon aus Mangel an Sol­daten sehr junge und sehr alte Männer von der Straße weg ein­fangen und an die Front als Kano­nen­futter schicken. Moskau weiß, dass dem „Westen“ die Munition ausgeht, während Russland ton­nen­weise Munition aller Art aus China und Süd­afrika und Iran erhält. Anfang Dezember hat Russland im süd­afri­ka­ni­schen Mari­ne­stütz­punkt Simon’s Town offenbar zwei Tage und Nächte lang Con­tainer voll Munition auf­ge­laden, wie das Wall­street Journal berichtete. Und auch was Flug­körper und Mis­siles betrifft ist bekannt, dass die USA die Pro­duktion von 13 Jahren Javelin- und Stinger-Mis­siles in nicht einmal einem Jahr in der Ukraine kom­plett ver­pulvert hat und so schnell keine neuen pro­du­zieren kann.

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Foreign Policy berichtet, dass NATO-Beamte über diese Eng­pässe sehr besorgt sind. Selbst der Neo­kon­ser­vative Fre­derick Kagan gibt zu, dass die NATO auf einen Kon­flikt wie den in der Ukraine nicht vor­be­reitet ist. „Die NATO plant nicht wirklich, Kriege wie diesen zu führen, und damit meine ich Kriege mit einem sehr inten­siven Einsatz von Artil­le­rie­sys­temen und vielen Panzern und Geschützen“, sagte Kagan gegenüber Foreign Policy. „Wir waren von vorn­herein nicht für diese Art von Krieg gerüstet“. Nach Angaben des CEO von Ray­theon hat die Ukraine dreizehn Jahre Javelin-Pro­duktion in zehn Monaten verbraucht.

Die Emp­fehlung, die die Rand-Analyse gibt, heißt — frei über­setzt — dass die USA jetzt zwar keine Kehrt­wende machen können, aber sich nun doch in Richtung Ver­handlung zur mög­lichst „Soften“ Bei­legung des Kon­fliktes bewegen sollten. Und das auch der Ukraine bei­biegen müssen, um noch recht­zeitig aus der Sache herauszukommen:

Ein „dra­ma­ti­scher Wandel“ der US-Politik gegenüber der Ukraine ist unwahr­scheinlich. (…) Aber die Ent­wicklung dieser (oben genannten) Mög­lich­keiten  — und deren Ver­traut-Machen mit der Ukraine und den Ver­bün­deten der USA —  könnte dazu bei­tragen, einen Prozess in Gang zu setzen, der diesen Krieg in einem Zeit­rahmen, der den Inter­essen der USA ent­spricht, auf dem Ver­hand­lungswege beenden könnte. 

Schön aus­ge­drückt. Doch die Ukraine liegt zu großen Teilen zer­stört am Boden. Unzählige Ukrainer und unzählige Russen haben diesen Krieg jetzt schon mit ihrem Leben bezahlt. Die Europäer wollen über­haupt keinen Krieg mit Russland, weil alle wissen, dass Europa dabei mit unter die Räder kommt, und weil wir Nachbarn von und mit Russland sind. Wir wollen alle Frieden in Europa. Über 90 Prozent der Deut­schen sind absolut gegen die Pan­zer­lie­ferung, und Kanzler Scholz weiß das. Das Ver­trauen der „Ver­bün­deten“ in die USA ist arg ange­kratzt. Es wäre in der Tat dringend geboten, dem irren Schlachten Einhalt zu gebieten.

Doch ein wei­terer Aspekt der Analyse lässt eben­falls auf­horchen: Was viele schon lange so sehen, wird hier offen ange­sprochen: Letzt­endlich geht es den USA um das Duell mit China. China steigt gerade zur Welt­macht Nummer 1 auf und DAS ist des Pudels Kern. Die USA-Führung will der Platz­hirsch bleiben, und das will sie mit aller Gewalt.

Der Showdown zwi­schen den Giganten USA vs. China sollte eigentlich auf dem Ter­ri­torium Europa/Russland ent­schieden werden. Wenn das nun nicht ganz so funk­tio­niert wie gedacht, wird der „End­kampf“ sich wohl in’s Süd­chi­ne­sische Meer ver­lagern. Aber auch da haben die Chi­nesen schon vorgesorgt.

Es wird sehr wahr­scheinlich so bald keinen echten Frieden mehr geben. Bereitet Euch vor.