screenshot youtube

Der Mönch, der weder tot noch lebendig zu sein scheint

1852 geboren, 1927 gestorben und noch immer nicht verwest: Der Körper des bud­dhis­ti­schen Mönchs Daschi-Dorscho Iti­gelow, der in einem Kloster in der rus­si­schen Republik Bur­jatien auf­ge­bahrt wird, lässt die Wis­sen­schaft rätseln.

Was es mit dem unge­wöhn­lichen Leichnam, zu dem Pilger aus aller Welt kommen, auf sich hat – und was ein Foren­siker dazu sagt.

Noch heute sitzt er da, die Beine ver­schränkt, die Arme im Schoß, die Augen geschlossen, dabei ist er schon vor mehr als 80 Jahren gestorben. Wis­sen­schaftler rätseln und Pilger ver­ehren ihn – der bud­dhis­tische Mönch Daschi-Dorscho Iti­gelow ist ein Phänomen.

Einst lebte er in der rus­si­schen Republik Bur­jatien. Schon in jungen Jahren ver­kündete er laut einer Legende, dass er einmal Hambo Lama, das geistige Ober­haupt der dort lebenden Bud­dhisten, werden würde. Und er sollte recht behalten: 1911 wurde Iti­gelow zum Hambo Lama der Bud­dhisten in Bur­jatien ernannt. Sechzehn Jahre später ver­starb der Mönch, angeblich während einer tiefen Medi­tation im Lotussitz.

Noch vor seinem Tod kün­digte er an, dass sein Körper nicht ver­wesen werde. Es wird behauptet, dass Iti­gelow im Lotussitz in einer Holz­kiste begraben wurde. Vor seinem Ableben soll er seine Schüler ange­wiesen haben, ihn nach 30 Jahren wieder aus­zu­graben, wie unter anderem die „Ber­liner Zeitung“ berichtet.

Wunder lange geheim gehalten

Da die Bud­dhisten während der Sowjetzeit ver­folgt wurden, ver­zö­gerte sich eine öffent­liche Exhu­mierung Iti­gelows jedoch und fand erst im Jahr 2002 statt. Als die bud­dhis­ti­schen Mönche Bur­ja­tiens den ehe­ma­ligen Hambo Lama das erste Mal aus­gruben, bestä­tigte sich seine Ankün­digung: Der Körper war tat­sächlich in einem außer­ge­wöhnlich guten Zustand. Angeblich wurde Daschi-Dorscho Iti­gelow erstmals 1955 aus­ge­graben, doch wegen der kri­ti­schen Sicht der Regierung gegenüber der Religion hielt man das bud­dhis­tische Wunder bis 2002 geheim. Um sich die Unver­sehrtheit des Körpers bestä­tigen zu lassen, ließen die Mönche Wis­sen­schaftler den Leichnam untersuchen.

„Wir haben ihn äußerlich kom­plett unter­sucht, von Kopf bis Fuß“, sagt der Pathologe Juri Tam­poleev in einem Beitrag des Kul­tur­senders Arte. Er war einer der Wis­sen­schaftler, der sich mit dem Körper befasste. Juri weiter: „Wir haben aber kei­nerlei Spuren von künst­lichen Ein­griffen fest­ge­stellt. Ich meine Ein­schnitte, Nähte oder Spuren von Spritzen – nichts davon wurde fest­ge­stellt.“ Iti­gelows Körper soll sich kaum von einem lebenden Körper unter­scheiden. Obwohl schon schon seit 89 Jahren tot, weist der Körper angeblich die Merkmale eines seit gerade mal 36 Stunden ver­stor­benen Körpers auf.

Ist Daschi-Dorscho Iti­gelow tot oder in tiefer Meditation?

Seit 14 Jahren wird Iti­gelows Körper in einem Schrein in Ivol­ginsk aus­ge­stellt. Bud­dhisten und Pilger können ihn hier zu beson­deren Anlässen besuchen und ihren Glauben aus­drücken. Inzwi­schen ist Iti­gelow eine heilige Figur im Bud­dhismus der Region Bur­jatien. Viele glauben, dass er nicht tot ist, sondern sich vielmehr in einer tiefen Medi­tation befinde. Der neue Hambo Lama äußert sich in einem Beitrag des ZDF: „Die ganze Welt ist endlich, auch unser Geist. Aber Iti­gelow zeigt uns, dass die innere Welt des Men­schen viel reicher ist, als wir denken. Viel reicher ist als die äußere, mate­rielle Welt.“

In einer 2021 erschie­nenen Doku­men­tation von „TerraX“ wird Iti­gelows Leichnam zudem genauer beschrieben. Alex­ander Chat­scha­turow von der Che­misch-Tech­ni­schen Uni­ver­sität Moskau schildert den Zustand des Körpers: „Er ist weder ein­bal­sa­miert, noch mumi­fi­ziert. Er hat weiche Haut, die dem Druck nachgibt, die Gelenke sind elas­tisch. Er reagiert auf die Umgebung. Nicht schnell, aber er reagiert. Ab und zu macht er den Mund auf, ab und zu die Augen.“

Das ZDF berichtet weiter, dass der Körper nun seit 86 Jahren ohne Stütze in der Lotuspose ver­weilt. Auch sein Blut soll noch vor­handen sein, jedoch nicht mehr ganz flüssig, sondern eher gelee­artig. Unter­suchte Gewe­be­proben unter­scheiden sich angeblich kaum von dem Gewebe eines lebenden Men­schen. Auch die Tem­pe­ratur und das Gewicht des Glas­kastens, in dem Inti­gelows Leichnam auf­be­wahrt wird, sollen sich immer wieder ändern. „Wenn ein System von sich aus aktiv ist, dann kann man sagen, es ist lebendig. Es ist eine Exis­tenzform, von der wir nichts wissen, aber er ist lebendig. Das ist ein Fakt“, sagt Chat­scha­turow weiter.

Die Wis­sen­schaft widerspricht

Einige deutsche Wis­sen­schaftler stehen der „Leben­digkeit“ des Körpers hin­gegen eher skep­tisch gegenüber. „Anti Matrix“ sprach mit dem bekannten Foren­siker Mark Benecke, der den Fall Iti­gelows auch in seinem Buch „Dem Täter auf der Spur: So arbeitet die moderne Kri­mi­nal­bio­logie“ behandelt. Auf die Frage, wie es dazu kommen kann, dass ein Körper, der seit mehr als 80 Jahren tot ist, keine oder kaum Ver­we­sungs­spuren auf­weist, ant­wortete Benecke: „Das ist Zufall. Der Körper ist teils aus­ge­trocknet, teils ist even­tuell auch Fett­wachs entstanden.“

So sieht es für Benecke zumindest auf den ältesten Fotos des Leich­names aus, die kurz nach der Exhu­mierung ent­standen sind. Fett­wachs, auch Wachs­leiche genannt, ent­steht, wenn der tote Körper sich in einem luft­dichten Raum befindet. Die Ver­wesung wird gestoppt und kör­per­eigene Fette bilden eine Schutz­hülle um den Leichnam und das Innere des Körpers. So wird er von Bak­terien, Selbst­zer­setzung und äußeren Ein­flüssen geschützt.
Zudem gibt Benecke zu bedenken, dass der Leichnam in Sibirien begraben wurde, wo bekanntlich ein eher kühles Klima herrscht. „Kälte wirkt auch erhaltend.“

Auch die elas­tische, weiche Haut sei nichts Unge­wöhn­liches, so der Foren­siker. „Es könnte sich auch um eine Lösung, also um eine Flüs­sigkeit, handeln, die bei Lenins Leiche in Moskau, der kleinen Rosalia in Palermo und anderen ver­wendet wurde. Sie kann die Haut geschmeidig halten, auch nach dem Tod.“ Für eine solche Behandlung sind auch keine Ein­schnitte oder ‑stiche nötig. Zur Ver­deut­li­chung ver­gleicht Benecke die Haut Iti­gelows mit Leder: „Das ist auch weiche Haut von Wir­bel­tieren, die eben bear­beitet wurde.“

Viele Annahmen sind umstritten

Dass das Blut noch gelee­artig vor­handen sein soll oder die Zell­proben noch lebendige Bestand­teile auf­weisen könnten, betrachtet Benecke eher skep­tisch. Es gäbe keine wis­sen­schaft­lichen Quellen, die das belegen würden. Benecke hat schon mehrere „Blut­wunder“ unter­sucht, „und meist waren sie weniger rät­selhaft, als es sich nach zehn Runden stiller Post und fal­schen Über­set­zungen angehört hat“.

Auch dass der Leichnam auf seine Umgebung reagieren soll, kann sich Benecke nicht vor­stellen. Licht­wechsel könnten dazu führen, dass man die Schatten als Bewegung fehl­in­ter­pre­tiert. „Bisher waren es immer reine Schatten-Effekte, wenn so etwas behauptet wurde. So auch bei der kleinen Rosalia Lom­bardo in Palermo.“ Dass der Leichnam keine Toten­flecken auf­weist, ist für Benecke eben­falls kein Anzeichen dafür, dass er noch lebendig sein könnte. Die Haut auf den Fotos ist braun und mit Kleidung bedeckt, „da würde man diese frühen Lei­chen­zeichen nicht sehen.“ Mög­li­cher­weise sind die Lei­chen­flecken also einfach nicht mehr zu erkennen.

Wer eine Behauptung auf­stellt, muss sie auch beweisen

Die Mög­lichkeit, dass Iti­gelow nur sehr tief medi­tiere und seinen Stoff­wechsel extrem her­un­ter­ge­schraubt hat, schließt der Foren­siker aus. „Es gibt bisher kein Bei­spiel und keine Erklärung für so etwas. Die Wis­sen­schaft funk­tio­niert so, dass der­jenige, der eine unge­wöhn­liche Behauptung auf­stellt, diese auch beweisen muss. Bisher hat niemand etwas Der­ar­tiges beob­achtet oder bewiesen.“

Zwar gibt es das Phä­nomen, dass Men­schen ihren Stoff­wechsel bewusst ver­lang­samen können, aber auch diese müssen nach einigen Tagen essen und vor allem trinken, so Benecke. Ein bekanntes Bei­spiel hierfür sei der Zau­ber­künstler David Blaine, der sich unter anderem sogar schon mal lebendig begraben lassen hat.

Rechts­me­di­ziner spricht von Scharlatanerie

Dass Iti­gelow noch in irgend­einer Form lebendig sei, sieht Benecke als aus­ge­schlossen. „Es ist mit dem Kennt­nis­stand aller Wis­sen­schaften nicht ver­einbar“, erklärt er. Auch Prof. Dr. Michael Tsokos, Direktor des Insti­tutes für Rechts­me­dizin der Charité, sagte, dass er „trotz 25 Jahren Berufs­er­fahrung als Rechts­me­di­ziner und über 100.000 Leichen keine natur­wis­sen­schaft­liche Erklärung“ für Iti­gelows angeb­lichen Zustand habe.

„Mit anderen Worten: Ich halte das für Schar­la­ta­nerie wie Tränen blu­tende Madon­nen­statuen und ähn­lichen Quatsch, der in allen Reli­gionen den Schwachen und Leicht­gläu­bigen etwas vor­gaukelt und sie damit in ihren Bann zieht – und das Geld aus der Tasche.“

An Fei­er­tagen können Inter­es­sierte den Leichnam von Daschi-Dorscho Iti­gelow besuchen
Auch ein Urlauber auf Tri­p­ad­visor schreibt, dass um viel Geld gebeten wird: „Was etwas stört, ist, dass man auf Schritt und Tritt um eine Spende gebeten wird oder etwas kaufen soll.“ Das Kloster sei aber dennoch einen Abstecher wert, so der User weiter: „Man erfährt sehr viel über Bur­jatien, den Bud­dismus in Russland und das Leben der Mönche.“ Inter­es­sierte können sich Daschi-Dorscho Iti­gelows Leichnam an bud­dhis­ti­schen Fei­er­tagen ansehen, dann ist der Schrein für Bud­dhisten und Pilger zugänglich.

Auch wenn man gerne abseits der typi­schen Tou­ris­ten­pfade reist, lohnt sich die umlie­gende Gegend: Nicht weit von Iti­gelows Standort ent­fernt liegt der tiefste und gleich­zeitig älteste Süß­was­sersee der Welt: der Bai­kalsee. Umgeben von bewal­deten Berg­ge­bieten lohnt sich eine Reise zu dem See allemal. Die tra­di­tio­nelle Speise der Region, den geräu­cherten Baikal-Omul, kann man in einer der Städte, wie List­wjanka, rund um den Bai­kalsee bekommen.

Fas­zi­nierend bleibt der Fall Daschi-Dorscho Iti­gelow trotz aller Zweifel der Wis­sen­schaft. Ob man in dem „lebenden Toten“ nun ein Wunder sieht oder das Thema rational aus einem wis­sen­schaft­lichen Blick­winkel betrachten möchte: Iti­gelows Fall ist spe­ziell. Wie spe­ziell könnten wohl nur weitere medi­zi­nische Unter­su­chungen beweisen. Die Mönche Bur­ja­tiens erlauben jedoch keine weitere For­schung – zu kostbar und heilig ist Iti­gelow für sie.


Quelle: anti-matrix.com