Bild: Fotocollage. Kind: Pixabay, Hintergrund: Zerstörte russische Panzer in der Ukraine. Foto: manhhai via flickr, Bildlizenz: CC BY 2.0

Ein edles Brü­derpaar: Einer erlässt Haft­befehl gegen Putin wegen Kin­der­ver­schleppung, der andere belästigt Kinder sexuell

Der Men­schen­rechts­anwalt und Chef-Ankläger des Inter­na­tio­nalen Straf­ge­richts­hofes (IstGH) in den Haag, Karim Khan, ist die trei­bende Kraft hinter dem Haft­befehl gegen den rus­si­schen Prä­si­denten Wla­dimir Putin. Dieser soll ukrai­nische Kinder ver­schleppt haben. Herrn Karim Khans Bruder Imrad Ahmad Khan ist im Februar vor­zeitig aus der Haft ent­lassen worden. Er hatte einen Min­der­jäh­rigen sexuell missbraucht.

Den Haags Chef­an­kläger Karim Khan wirft dem rus­si­schen Prä­si­denten Wla­dimir Putin zahl­reiche Kriegs­ver­brechen in der Ukraine vor. Die nach­weislich eben­falls gesche­henen Kriegs­ver­brechen der ukrai­ni­schen Militärs an rus­si­schen Kriegs­ge­fan­genen, die Kriegs­ver­brechen an den rus­sisch­stäm­migen Bewohnern im Donbass, die men­schen­rechts­wid­rigen Bom­bar­die­rungen von Schulen und Kin­der­gärten wird er sicher genauso gewis­senhaft auf­ar­beiten und Herrn Prä­sident Selenskij eben­falls ver­haften lassen und zur Rechen­schaft ziehen. Darauf können und müssen wir vertrauen.

Sein Enga­gement für die schutz­lo­sesten Men­schen in dem ganzen, fürch­ter­lichen Krieg ist edel und lobenswert, wenn auch sehr spät. Denn die Bevöl­ke­rungen der beiden Don­bass­re­pu­bliken waren schon seit dem Euro­maidan stän­digen Angriffen ausgesetzt.

Es starben viele Tau­sende schon während dieser Zeit an den Artil­le­rie­be­schüssen. Schon 2015 stellte ein Uno-Bericht fest, dass innerhalb des ersten Jahres 6.000 Men­schen gestorben waren. Durch Angriffe der ukrai­ni­schen Truppen:

Unter den Opfern seien viele Zivi­listen, teilte der UNO-Hoch­kom­missar für Men­schen­rechte, Seid Ra’ad al-Hussein, in Genf mit. Frauen, Kinder und ältere Leute hätten besonders unter dem ‚gna­den­losen‘ Kon­flikt gelitten. In dem Bericht ist von will­kür­lichen Erschie­ßungen, Ver­schlep­pungen und Folter die Rede.“

Es ist sehr schwer, neu­trale Berichte in den Qua­li­täts­medien über die mas­siven Men­schen­rechts­ver­let­zungen und auch Mas­saker an der Bevöl­kerung in der Ost­ukraine zu finden. Aber es gibt sie bis­weilen. So berichtet die Seite Tele­polis im Februar 2020:

„Ins­gesamt 600 Klagen von durch ukrai­nische Geschosse Geschä­digte aus dem Front­gebiet der ‚Volks­re­publik Lugansk‘ wurden mit Hilfe von Memorial-Lugansk schon beim Inter­na­tio­nalen Straf­ge­richtshof in Den Haag ein­ge­reicht, erklärt Sergej Below von Memorial- Lugansk. Außerdem seien 300 Klagen wegen ukrai­ni­scher Kriegs­ver­brechen und ‚Genozid‘ beim Euro­päi­schen Gerichtshof für Men­schen­rechte in Straßburg ein­ge­reicht worden.“

„Wie die Stadt­ver­waltung (der Front­stadt Per­wo­majsk) berichtet, wurden wegen der Beschie­ßungen von Seiten der ukrai­ni­schen Armee alle sechs Koh­le­berg­werke still­gelegt. Nur Unter­nehmen aus den Bereichen Nah­rungs­mit­tel­in­dustrie, Maschi­nenbau und Metall­urgie seien noch in Betrieb, so die Stadt­ver­waltung. (…) Wie hoch sind die Opfer­zahlen für die ‚Volks­re­publik Lugansk‘ in den sechs Kriegs­jahren? Letztes Jahr gab die Staats­an­walt­schaft der LNR bekannt, man habe den Tod von 2954 Bürgern, den Tod von 29 Kindern sowie 1296 Ver­letzte doku­men­tiert. ‚Fak­tisch‘, so heißt es in einer Erklärung der Staats­an­walt­schaft, sei die Zahl der Geschä­digten in der LNR aber ‘weit höher’.“

Die Leh­rerin Olga schildert dem Tele­polis-Jour­na­listen die Zustände, unter denen die Bewohner der Lugansker Volks­re­publik leben bzw. sterben. Mehrere Tausend sind bei den Angriffen allein auf diese Stadt gestorben. Die Leh­rerin berichtet:

(Olga:) „Die Toten wurden zunächst dort beerdigt, wo sie starben. Dann wurden sie auf Friedhöfe umge­bettet. Denn während der Bom­bar­die­rungen konnte man die Men­schen nicht normal beer­digen. Viele Men­schen wussten nicht, dass ihre Ange­hö­rigen gestorben sind. Sie haben sie dann aber auf Video-Doku­men­ta­tionen gesehen.“ (Frage:) „Kommt es jede Nacht zu Beschie­ßungen?“ (Olga:) „Nicht nur nachts. Als ich jetzt hier­herging, habe ich gehört, dass irgendwo geschossen wurde. Im letzten Jahr, am 20. Juli, sind Geschosse zu einem Haus geflogen. Das war im Wohn­bezirk “40 Jahre Sieg”. Eine Frau starb. Sie war nach draußen gegangen, um ihren Hund aus­zu­führen. Da wurde sie getroffen. Die Frau war etwas über 50 Jahre alt.“ (Frage:) „Wie reagierte die Bevöl­kerung?“ (Olga:) „Die Men­schen waren erschüttert, denn sie waren es schon nicht mehr gewohnt, dass man auf die Stadt schießt. Die Kinder haben Angst.“ 

Auch ein Bericht der UNICEF aus dem Mai 2019 beleuchtet die Situation ins­be­sondere der Kinder im Donbass, um die es ja bei dem Straf­befehl gegen Putin geht:

„Ein­schuss­löcher in den Fenstern der Klas­sen­zimmer, gefähr­liche Fahrten mit dem Schulbus, Bomben-Schutz­räume in Kellern und nicht explo­dierter Spreng­stoff in Schul­höfen: Das ist heute der Alltag vieler Kinder in der Ost-Ukraine.

‚Manchmal bringen wir unser Spielzeug hierher, damit das Warten nicht so lang­weilig wird‘, sagt Lera (10) über die Schutz­übungen an ihrer Schule. Während der wöchent­lichen Übungen im Bunker unterhalb des Schul­ge­bäudes lernen die Kinder, was sie tun müssen, wenn die Schule beschossen wird. (…) Immer wieder werden bei den Kämpfen zwi­schen den beiden Bevöl­ke­rungs­gruppen auch Schulen heftig beschossen. Mehr als 400.000 ukrai­nische Mädchen und Jungen gehen an vor­derster Front zur Schule. Ihre Schul­ge­bäude stehen direkt in der Schuss­linie. Die anhal­tenden Kämpfe hin­ter­lassen Spuren in den Seelen der Kinder. Nachts können sie nicht schlafen, weil in ihrer Nähe Gra­naten fallen und laute Explo­sionen verursachen.“

Der UNICEF-Artikel zeigt ein Foto, auf dem die kleine Masha in ihrem Klas­sen­zimmer steht, nachdem ein Panzer der Ukrai­ni­schen Armee die Schule beschossen hat.

Haben Sie, lieber Leser, solche Bei­träge in der Presse gelesen? Wenn über­haupt, dann doch sehr vor­sichtig und ein­ge­färbt. Die Opfer von Beschuss durch die Milizen der Volks­re­pu­bliken (Ost­ukrainie, Donbass), die es auch gibt! werden aller­dings mit großen Repor­tagen und Fotos breit berichtet.

Wenige Main­stream­m­edien berich­teten von dem unglaub­lichen Leid und der Angst der Kinder in der „Ost­ukraine“, also den Volks­re­pu­bliken im Donbass (Rebellengebiet/Separatisten). Die Rhei­nische Post berichtet auch aus­schließlich von der „Ost­ukraine“, um nicht klar zugeben zu müssen, dass es die Kiewer Truppen sind, die dort bom­bar­dieren und alles ver­minen. Aber immerhin, man berichtet, wo fast alle anderen schweigen.

Seit über acht Jahren werden Kriegs-Wai­sen­kinder nach Russland in SOS-Kin­der­dörfer gebracht, Die Hilfs­or­ga­ni­sation SOS-Kin­derdorf hat sich vor­bildlich darum bemüht, den Kindern eine neue Familie zu geben. Sie werden mit einer rus­si­schen Staats­bür­ger­schaft ver­sehen und viele werden von rus­si­schen Ehe­paaren adop­tiert. Ob es für die Kinder besser gewesen wäre, in einem zer­störten Land, mög­li­cher­weise völlig auf sich allein gestellt, zu bleiben? Wai­sen­kinder, die bei Ver­wandten unter­ge­kommen sind wurden – soweit bekannt – nicht in die SOS-Kin­der­dörfer gebracht. „SOS-Kin­derdorf-Russland“ wird seit Jahren von der großen Hilfs­or­ga­ni­sation begleitet, was bisher nir­gends Anstoß oder Protest erregt. Jetzt plötzlich schon.

SOS-Kin­derdorf-Russland arbeitet „mehr als 30 Jahre in Russland und betreut dort 600 Kinder. Der Verein ver­weist darauf, dass er in der Ukraine seit Kriegs­beginn mehr als 74.000 Kinder unter­stützt habe“, schreibt das ZDF jetzt, am 21. Februar 2023.

Jetzt, ganz plötzlich, nach über acht Jahren Krieg im Donbass (Ost­ukraine) und 74.000 Kriegs­kindern, meldet das ZDF, dass die Wai­sen­kinder aus den Kriegs­ge­bieten „ver­schleppt“ und  „zwangs­rus­si­fi­ziert“ werden. Und natürlich:

„Bun­des­au­ßen­mi­nis­terin Annalena Baerbock (Bündnis90/Die Grünen) bezeichnete dies als Kriegs­ver­brechen. Der Kreml bestreitet die Vor­würfe. Wie viele Kinder betroffen sind, ist unklar. Der Huma­ni­tarian Research Lab der US-Uni­ver­sität Yale ging zuletzt von etwa 6.000 ukrai­ni­schen Kindern aus, die ukrai­nische Regierung rechnet aktuell mit min­destens 14.000.“

Nun gibt es also einen Haft­befehl gegen den rus­sische Prä­si­denten Wla­dimir Putin. Der Leser möge sich aus den wenigen Bei­spielen von vielen (wenn man sucht), die er in der Qua­li­täts­presse nicht zu lesen bekommt, selbst ein Bild machen.

Aber wenden wir uns dem mutigen Richter zu, der um dieser ver­schleppten Kinder willen, sich tapfer dem ver­bre­che­ri­schen, rus­si­schen Prä­si­denten ent­ge­gen­stellt, aus Sorge um die Rus­si­fi­zierung der rus­sisch­stäm­migen Kinder aus der Ostukraine.

Anmerkung: Wer’s nicht weiß: Die Leute dort sind zum weit über­wie­genden Teil Russen, aber ukrai­ni­scher Staats­an­ge­hö­rigkeit. Die beiden Volks­re­pu­bliken Donezk und Lugansk haben sich als unab­hängig erklärt, nachdem die USA durch den Maidan-Auf­stand eine Mario­net­ten­re­gierung in Kiew instal­lieren konnten und seitdem in der Ukraine das Sagen haben.

Dieser hel­den­hafte Richter Karim Khan hat einen Bruder, für dessen Taten er natürlich nicht ver­ant­wortlich ist, was aber trotzdem … erwäh­nenswert ist. Denn es ist doch ein Geschmäckle dran.

Der bri­tische Examiner berichtet am 23, Februar, dass der Bruder des Chef­an­klägers am Inter­na­tio­nalen Straf­ge­richtshof in den Haag vor­zeitig aus der Haft ent­lassen worden ist.

Imrad Ahmad Khan ist ein ehe­ma­liger Abge­ord­neter der Kon­ser­va­tiven aus York­shire. Er wurde aus der Kon­ser­va­tiven Partei (Tories) aus­ge­schlossen und trat zurück, nachdem er wegen sexu­eller Über­griffe auf einen min­der­jäh­rigen Jungen ver­ur­teilt und inhaf­tiert worden war. Er soll dem damals 15-Jäh­rigen Alkohol ein­ge­flößt und ihn im betrun­kenen Zustand Por­no­filme zu sehen gegeben haben. Dann warf er den betrun­kenen Jungen auf das Bett und soll ihn sexuell belästigt haben. Herr Baker, der Richter im Prozess, beschei­nigte dem Ange­klagten, er habe ein „erheb­liches Maß an Bru­ta­lität gezeigt“.

Herr Imrad Ahmad Khan wurde im Mai 2022 zu 18 Monaten Gefängnis ver­ur­teilt und nun vor­zeitig ent­lassen. Irgend­welche Anteil­nahme oder Reue soll er zu keinem Zeit­punkt gezeigt haben.

Die ganze Sache hatte ziemlich Staub auf­ge­wirbelt, denn der Über­griff soll bereits im Jahr 2008 statt­ge­funden haben. Das Opfer meldete sich ein paar Tage, nachdem Herr Imrad Ahmad Khan bei den Par­la­ments­wahlen im Dezember 2019 einen Sitz gewonnen hatte, also elf Jahre später. Herrn Kahns Rück­tritt führte dazu, dass eine Nachwahl statt­finden musste.

Herr Imrad Khan legte Ende 2022 Berufung gegen das Urteil ein. Das Argument seiner Anwälte: Die Ver­ur­teilung stehe auf unsi­cheren Füßen, die Beweise gegen den Man­danten seien schwach. Das Urteil sei maß­geblich durch „bad cha­racter evi­dence“ zustande gekommen.

Das ist eine bri­tische Beson­derheit vor Gericht, die uns seltsam vor­kommt, aber so ist. Man kann in Groß­bri­tannien auch wegen erwie­senem schlechten Cha­rakters und all­gemein ver­werf­lichen Ver­haltens ver­ur­teilt oder ver­warnt werden. Aller­dings sind nach dem „Common Law“ diese „Cha­rak­ter­be­weise“ in Straf­sachen unzu­lässig, es sei denn, der Ange­klagte bringt zuerst dieses Thema zur Sprache. Sie sind schon drollig, die Briten. Herr Imrad Khan wurde also offenbar wegen erwiesen schlechten Cha­rakters trotz angeblich schwacher Beweislage zu einer 18-monatige Haft­strafe ver­ur­teilt. Zweimal legten die Anwälte Beschwerde ein und zweimal wurde sie abge­lehnt – und das, obwohl eine pro­mi­nente Person der LGBTQ+ Com­munity, Herr Crispin Blunt, Vor­sit­zender der par­tei­über­grei­fenden par­la­men­ta­ri­schen Gruppe (APPG) für LGBTQ+-Rechte, Herrn Imrad Khan unter­stützte. Er twit­terte im April 2022, Herr Imrad Khan sei einem Jus­tiz­irrtum zum Opfer gefallen.  Der Guardian berichtet, dass dieser Tweet zu einem Auf­schrei aller Abge­ord­neten des gesamten poli­ti­schen Spek­trums geführt hat, und Herr Crispin Blunt ent­fernte seinen Tweet und gab sich reuevoll. „Nachdem ich nach­ge­dacht habe, habe ich beschlossen, meine Stel­lung­nahme zurück­zu­ziehen. Es tut mir leid, dass meine Ver­tei­digung von ihm Anlass zu erheb­licher Auf­regung und Besorgnis gegeben hat, nicht zuletzt bei Opfern von Sexu­al­straf­taten. Das war nicht meine Absicht. Um es klar zu sagen, ich dulde keine Form von Miss­brauch und glaube fest an die Unab­hän­gigkeit und Inte­grität des Justizsystems.“:

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Das ganze zog weite Kreise und sorgte für große Empörung. Herr Crispin Blunt trat von seinem Posten als Vor­sit­zender der LGBTQ+-Gruppe zurück.

Selbst­ver­ständlich kann man dem einen Bruder die Ver­gehen des anderen nicht zur Last legen. Aber es ist schon bemer­kenswert, dass der eine als Chef­an­kläger des inter­na­tio­nalen den Haager Gerichts­hofes (IstGH) gegen Prä­sident Putin einen Haft­befehl wegen Kin­der­ver­schleppung erlässt, während sein Bruder wegen Miss­brauchs Min­der­jäh­riger im Gefängnis sitzt. Bemer­kens­werter noch sind die zeit­lichen Koin­zi­denzen. Aus­ge­rechnet ein paar Tage, bevor der Richter, Herr Karim Khan, diesen Haft­befehl ausgibt, wird der Bruder, Herr Imrad Khan, frei­ge­lassen, obwohl seine Beru­fungen zweimal abge­lehnt worden waren. Sicher alles reiner Zufall. Ver­schwö­rungs­theo­re­tiker könnten aber dabei auf voll­kommen abstruse Gedanken kommen.

Wie das? Nun, es wäre ja – natürlich nicht ernsthaft – denkbar, dass es hier einen Handel gegeben haben könnte und die Ent­scheidung des einen Bruders mit der Frei­lassung des anderen belohnt wird. Oder dass Erpressung im Spiel sein könnte. In jedem Fall ist es ein selt­samer Zufall, dass diese beiden Gescheh­nisse so eng mit­ein­ander ver­knüpft sind. Seltsam, aber sicher reiner Zufall.

Der IstGH bittet nun um finan­zielle Unter­stützung, um die rus­si­schen Kriegs­ver­brechen in der Ukraine zu unter­suchen. Natürlich wird man die urkai­ni­schen Ver­brechen in der Ost­ukraine (Don­bass­re­pu­bliken) gerech­ter­weise mit unter­suchen. Und ganz sicher werden die guten und gerechten USA als gewis­sen­hafte Welt­po­li­zisten das finan­ziell groß­zügig unterstützen.