Jus­tiz­mi­nis­terium: Daten­schutz wird zu Denunziantenschutz

Am 4. April wurde bekannt, dass das Bun­desamt für Justiz ein Ver­fahren gegen Twitter wegen Umgang mit Belei­di­gungen ein­ge­leitet hat. Der Grund: Twitter habe belei­di­gende Tweets trotz Beschwerden nicht recht­zeitig ent­fernt, was das Bun­desamt für Justiz zu der Ver­mutung inspi­rierte, hier könne ein „sys­te­mi­sches Ver­sagen“ vorliegen.

Wei­terhin teilte des Bun­desamt mit: „In dem Buß­geld­ver­fahren gehe es um Bei­träge, die in einem Zeitraum von rund vier Monaten auf Twitter ver­öf­fent­licht worden seien. „Alle Inhalte ent­halten ähnlich gela­gerte, nicht gerecht­fer­tigte ehr­ver­let­zende Mei­nungs­äu­ße­rungen, die sich sämtlich gegen die­selbe Person richten“ (Quelle).

Diese Meldung ver­an­lasste die neue digi­tal­po­li­tische Spre­cherin der AfD-Fraktion im Bun­destag, Barbara Lenk (Foto l.) beim Bun­des­jus­tiz­mi­nis­terium genauer nachzufragen:

„Durch wen wurden nach Kenntnis der Bun­des­re­gierung die auf Twitter derart ehr­ver­let­zenden Beschimp­fungen ange­zeigt, wegen denen das Bun­desamt für Justiz laut Pres­se­mit­tei­lungen prüft, ob es bei Twitter ein „sys­te­mi­sches Ver­sagen im Beschwer­de­ma­nagement“ gibt und welche Belei­di­gungen wurden nach Auf­fassung der Bun­des­re­gierung angezeigt?“

Schutz­würdige Inter­essen der Meldestelle

Eine Anfrage, die in einem Rechts­staat jedem Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten als Reaktion auf die seltsame Nach­richt geradezu auf der Zunge liegen müsste. Umso mehr erstaunt dann die Antwort aus dem Bun­des­jus­tiz­mi­nis­terium, die ein Ben­jamin Strasser, seines Zei­chens Par­la­men­ta­ri­scher Staats­se­kretär beim Bun­des­mi­nister der Justiz ver­fasst hat: Man könne die Frage nicht beant­worten. Denn:

„Die Infor­ma­ti­ons­an­sprüche des Par­la­ments im Rahmen par­la­men­ta­ri­scher Fra­ge­rechte finden ihre Grenzen dort, wo andere ver­fas­sungs­rechtlich geschützte Inter­essen oder Rechte ent­ge­gen­stehen, wie etwa vor­liegend Grund­rechte Dritter, wenn sich im Ein­zelfall im Rahmen der Abwägung zwi­schen Aus­kunfts­in­teresse des Par­la­ments und schutz­wür­digen betrof­fenen Inter­essen ein Über­wiegen der ver­fas­sungs­rechtlich (hier: grund­rechtlich) geschützten Belange ergibt und das Infor­ma­ti­ons­ver­langen des Par­la­ments auch nicht durch alter­native Formen der Beant­wortung unter ver­hält­nis­mä­ßiger Wahrung des Grund­rechts­schutzes befriedigt werden kann. Soweit sich die Frage auf per­so­nen­be­zogene Angaben zur Meldung rechts­wid­riger Inhalte gegenüber dem BfJ bezieht, ist im Rahmen der Abwägung nicht nur das berech­tigte Interesse der betrof­fenen mel­denden Per­sonen an einem Schutz ihres Rechts auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stimmung zu berück­sich­tigen, sondern auch das Interesse an der Wahrung der Ver­trau­lichkeit solcher Mel­dungen im Hin­blick auf den Erhalt eines funk­ti­ons­fä­higen Ver­wal­tungs­ver­fahrens zur Umsetzung des NetzDG zugunsten einer Ant­wort­ver­wei­gerung in die Abwägung ein­zu­be­ziehen, da das Fehlen einer ver­trau­lichen Behandlung solcher Mel­dungen eine abschre­ckende Wirkung gegenüber anderen mel­de­wil­ligen Per­sonen ent­falten könnte. Insofern kommt vor­liegend auch keine ein­ge­stufte Beant­wortung in Betracht.“

Ver­stüm­meltes Ver­ständnis von Transparenz

Hier zeigt sich jene seltsame aus tota­li­tären Struk­turen bekannte Schi­zo­phrenie, die im Ver­halten des Jus­tiz­mi­nis­te­riums unter SPD-Poli­tikern Standard wurde und unter Marco Buschmann geradezu schamlos fort­ge­setzt wird.

Barbara Lenk dazu gegenüber PP: „Das Bun­desamt für Justiz (BfJ) legt ein ver­stüm­meltes Ver­ständnis von Trans­parenz an den Tag. Auf seiner Web­seite lädt es Nutzer sozialer Netz­werke dazu ein, mut­maßlich rechts­widrige Inhalte zu melden, die nach den Vor­gaben des NetzDG bisher nicht ent­fernt wurden; zu den Nutzern, die solche Inhalte melden, schweigt es sich aber beredt aus. Auf meine Schrift­liche Frage zur Iden­tität mel­dender Nutzer sagt das BfJ, eine Beant­wortung könne nicht erfolgen; die Infor­ma­ti­ons­an­sprüche des Par­la­mentes fänden ihre Grenzen dort, wo andere ver­fas­sungs­rechtlich geschützte Inter­essen dem ent­ge­gen­stünden. Es ist nicht ein­zu­sehen, warum die Urheber einer Meldung rechts­wid­riger Inhalte nicht namentlich genannt werden können, seien es private oder insti­tu­tio­nelle Nutzer. Soviel Offenheit muss eine demo­kra­tische Streit­kultur aus­halten können.“

Wer fühlte sich da in seiner Ehre verletzt?

Und so bleibt uns nur die Mög­lichkeit weiter zu spe­ku­lieren, welcher Poli­tiker („ein und die­selbe Person“) sich hier durch die Mei­nungs­äu­ße­rungen auf Twitter in seiner Ehre ver­letzt sah und so lange quen­gelte bis sich das Bun­desamt zu jener bizarren, ihm wenig Ehre machenden Aktion hin­reißen ließ.


Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog von David Berger www.philosophia-perennis.com