Alle Welt spricht von der Annexion der Krim 2014 oder des Kosovos 1999. Keiner denkt mehr daran, dass es auch hierzulande einmal einen staatlichen Supergau gab. Ein kompletter deutscher Staat, der übrigens der erfolgreichste Europas war, wurde mit einem Federstrich einfach so ausgelöscht! Die Rede ist vom Staat Preußen.
Preußen musste in jeder Hinsicht mit »Stumpf und Stiel« vernichtet werden!
Dafür war den Alliierten jedes Mittel recht!
Ganz gleich, welche hervorragenden Leistungen das Land in jahrhundertealter Tradition erbracht hatte!
LESEN SIE HIER DEN 1. TEIL …
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Am 25. Februar 1947 geschah etwas Unfassbares: Ein jahrhundertealter Staat hörte einfach auf zu existieren! Genauer gesagt, wurde er von Fremdmächten sozusagen mit »einem Federstrich aufgelöst!«
Die Rede ist vom Staat Preußen und bei den »Fremdmächten« handelte es sich um die alliierten Besatzungsbehörden, deren Vertreter mit der Unterzeichnung des Gesetzes Nr. 46 des Alliierten Kontrollrats dieses Land schlichtweg von der Landkarte tilgten. Und zwar für immer und ewig!
Wie erwähnt, lösten am 25. Februar 1947 die alliierten Besatzungsbehörden im Gebäude des preußischen Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, in persona deren Vertreter mit der Unterzeichnung des Gesetzes Nr. 46 des Alliierten Kontrollrats den Staat Preußen formal auf. In diesem Gesetz hieß es konkret :
Gesetz Nr. 46 Auflösung des Staates Preußen:
Der Staat Preußen, der seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist, hat in Wirklichkeit zu bestehen aufgehört. Geleitet von dem Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit der Völker und erfüllt von dem Wunsche, die weitere Wiederherstellung des politischen Lebens in Deutschland auf demokratischer Grundlage zu sichern, erlässt der Kontrollrat das folgende Gesetz:
Artikel I
Der Staat Preußen, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten Behörden werden hiermit aufgelöst.
Artikel II
Die Gebiete, die ein Teil des Staates Preußen waren und die gegenwärtig der Oberhoheit des Kontrollrats unterstehen, sollen die Rechtsstellung von Ländern erhalten oder Ländern einverleibt werden. Die Bestimmungen dieses Artikels unterliegen jeder Abänderung und anderen Anordnungen, welche die Alliierte Kontrollbehörde verfügen oder die zukünftige Verfassung Deutschlands festsetzen sollte.
Artikel III
Staats- und Verwaltungsfunktionen sowie Vermögen und Verbindlichkeiten des früheren Staates Preußen sollen auf die beteiligten Länder übertragen werden, vorbehaltlich etwaiger Abkommen, die sich als notwendig herausstellen sollten und von der Alliierten Kontrollbehörde getroffen werden.
Artikel IV
Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Unterzeichnung in Kraft.
Ausgefertigt in Berlin, den 25. Februar 1947.
Anmerkung: Die in den drei offiziellen Sprachen abgefassten Originaltexte dieses Gesetzes wurden von P. Koenig, General der Armee, V. Sokolowsky, Marschall der Sowjetunion, Lucius D. Clay, Generalleutnant, und B. H. Robertson, Generalleutnant, unterzeichnet.
Somit wurde der Staat Preußen, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten Behörden aufgelöst. Gebiete, die ein Teil Preußens waren, sollten demnach die Rechtsstellung von Ländern erhalten oder Ländern einverleibt werden. Dabei sollten auch die Vermögen und Verbindlichkeiten auf die beteiligten Länder übertragen werden.
Nach dem Ende des von Deutschland verlorenen Zweiten Weltkriegs haben die siegreichen Alliierten durch einen skurrilen Beschluss ihres Kontrollrates vom 25. Februar 1947 Preußen nochmals aufgelöst und gesetzlich verboten. »Die offizielle Begründung des Auflösungsbeschlusses, dass der Staat Preußen seit jeher der Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen sei, verriet nur die ganze Ahnungslosigkeit bzw. auch Böswilligkeit einer Welt, die den wirklichen Staat Preußen nicht mehr gekannt, nicht mehr verstanden hat oder nicht mehr verstehen wollte (Schoeps).«
Der australische Historiker Christopher Clark erklärte dazu, wie die Alliierten dachten: »Preußen war kein deutsches Land wie jedes andere, auf einer Stufe mit Baden, Württemberg, Bayern oder Sachsen. Preußen war der eigentliche Ursprung der deutschen ‚Krankheit‘, die Europa ins Unglück gestürzt hatte. Preußen war der Grund, warum Deutschland den Pfad des Friedens und der politischen Moderne verlassen hatte (…) Dass Preußen von der politischen Landkarte Europas verschwand, war daher zumindest symbolisch eine Notwendigkeit. Seine Geschichte war ‚zum Alb geworden, der auf dem Gehirne der Lebenden lastete.‘«
Auch der in Königsberg geborene deutsche Historiker Ludwig Dehio schlug einst in diese Kerbe, bekundete er doch, dass der Nationalsozialismus »kein Zufall gewesen sei, sondern das akute Symptom eines chronischen (preußischen) Gebrechens.« Der Österreicher Adolf Hitler sei von seiner Mentalität her ein »Wahlpreuße« gewesen.
Dabei gilt: Die Geschichte und das Wirken Preußens ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Nationalsozialismus zu betrachten, ist genauso falsch, wie etwa die Sowjetunion nur auf Stalins »Rote Schreckens-Herrschaft« zu beschränken.
Auch hier erkennt Christopher Clark folgerichtig: »Die stark polarisierten Urteile (über Preußen/GG), die in zeitgenössischen Debatten (und in Teilen der geschichtswissenschaftlichen Literatur) immer wieder auftauchen, sind nicht nur deshalb problematisch, weil sie der wechselvollen preußischen Geschichte nicht gerecht werden, sondern weil sie diese Geschichte auf eine teleologische Betrachtungsweise der deutschen Schuld verkürzen.« Und: »Die Wahrheit ist, dass Preußen ein europäischer Staat war, lange bevor es ein deutscher wurde. Deutschland (…) war nicht die Erfüllung Preußens, sondern sein Verderben.«
FORTSETZUNG FOLGT!
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Quellen: Christopher Clark: Preußen – Aufstieg und Niedergang 1600–1947, München 2007///Hans-Joachim Schoeps: Preußen – Geschichte eines Staates, Hamburg 2019///“Auflösung Preußens“ ( http://1000dok.digitale-sammlungen.de/dok_0231_pre.pdf Datum: 19. September 2011)/Archiv Grandt///Sabine Kaufmann: „Deutsche Geschichte: Preußen“ (https://www.planet-wissen.de/geschichte/deutsche_geschichte/geschichte_preussens/index.html)/Zugriff: 27.04.21///Hans Misdorf: „300 Jahre Preussen“ (https://derweg.org/deutschland/geschichte/preussen/)///“Preußen im Deutschen Kaiserreich 1867–1918) (http://web.fu-berlin.de/akip/preussenforum/chronik/PriDk18671918/index.html#)///“Deutscher Orden“ ( https://web.archive.org/web/20160402215953/http://www.deutscher-orden.de/all_wurzeln_start.php)/Zugriff: 28.04.21///“20 große Preußen – Lebensbilder preußischer Persönlichkeiten“ in: Preußische Allgemeine Zeitung (Sonderausgabe)/Archiv Grandt///“Bismarcks Sozialgesetzgebung“ in: Geschichte Kompakt (https://www.geschichte-abitur.de/lexikon/uebersicht-deutsches-kaiserreich/kaiserreich-bismarcks-sozialgesetzgebung)/Zugriff: 28.04.21)///“Potsdam – Portrait“ in: www.potsdam.de (https://www.potsdam.de/kategorie/portrait-geschichte)/Zugriff: 01.05.21 „Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrates in Deutschland über die Auflösung des Staates Preußen, 25. Februar 1947“ in: Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, Berlin, Nr. 14 vom 31. März 1947, S. 262.///Golo Mann: Das Ende Preußens in: Otto Büsch/Wolfgang Neugebauer, Wolfgang (Hrsg).: Moderne preußische Geschichte: 1648–1947, Veröffentlichung der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 52, 1981, S. 260ff. „Umgang mit Preußen ist eine historische Groteske“ in: welt.de v. 23. Februar 2007 (https://www.welt.de/politik/article732926/Umgang-mit-Preussen-ist-eine-historische-Groteske.html)/Zugriff: 29.04.21///Rudolf Stadelmann: Moltke und der Staat, Krefeld 1950, S. 395ff.
Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de
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