Auf dem Parkplatz eines Supermarktes in einem Vorort der Großstadt Columbus (Ohio) umstellt die Polizei das Auto der 21jährigen Ta’kiya Young. Sie soll im Supermarkt gestohlen haben. Sie weigert sich auszusteigen, stattdessen fährt sie an und auf einen der Polizisten zu. Er schießt durch die Windschutzscheibe. Die getroffene junge Mutter wird noch ins nächstliegende Krankenhaus gebracht, doch sie und ihr Ungeborenes überleben nicht. Eine außer Kontrolle geratene Verhaftung wegen eines möglichen Ladendiebstahls? Was auch leicht zu einem landesweiten Aufstand der Afro-Amerikaner hätte führen können, ist in den USA – trotz absurder Strafen – Alltag: Massenhafter Ladendiebstahl.
Hier ist die Situation zu sehen, das Video endet aber vor dem Schuss:
Ladendiebstahl ist quasi zum Volkssport geworden. „Sie kommen einfach hier rein und gehen wieder“ sagen Ladenbesitzer:
„Es sind kuriose Szenen, die sich in einer Drogeriefiliale im Mai in Washington D.C. abgespielt haben. Ein maskierter Mann räumt in aller Seelenruhe ein Regal leer, stopft Dutzende Produkte in einen weißen Sack. Ein Mitarbeiter, so zeigen es Videoaufnahmen, steht drei Schritte dahinter, stützt seinen linken Arm in die Hüfte und schaut zu. Erst als eine Kundin mutmaßlich die Polizei ruft, ergreift der Dieb mit dem prall gefüllten Sack über der Schulter die Flucht.“
Neu ist das nicht. Kalifornien ist eines der Bundesländer, deren Gerichte unter der Last der massenhaften Ladendiebstähle für Diebstahl von Waren im Wert von unter 950 US-Dollar jede strafrechtliche Verfolgung eingestellt hat. Es ist nur noch eine „Ordnungswidrigkeit“. Diese Regel „Proposition 47“ wurde bereits 2014 eingeführt. Was natürlich Auswirkungen hat. Die Verluste durch Diebstahl wurden in bestimmten Stadtteilen von San Francisco untragbar. So sah sich auch die in den USA weit verbreitete Gruppe „Walgreens“ gezwungen, Filialen zu schließen. Allein in 2021 waren es wieder fünf. Andere Ladenketten sind nur noch im ländlichen Raum zu finden, wo die soziale Kontrolle hoch ist und niemand als Krimineller gelten möchte.
In der Anonymität der Stadt aber blüht die Klauerei, die man in den USA „shoplifting“ nennt, und beschränkt sich schon länger nicht mehr auf einzelne Personen, die sich mal ein bisschen die Tasche vollstopfen:
So berichtet CNN von einem bankraubähnlichen Überfall auf einen Louis Vuitton-Laden in Oakbrook, Illinois. 14 Männer stürmten in das Ladengeschäft und packten blitzschnell Waren im Wert von um die 100.000 $ ein und waren genauso schnell wieder draußen. Hier ist das kurze Video der Überwachungskamera von der Plünderungsaktion zu sehen:
Ein weiterer solcher Überfall in Los Angeles:
Das sind keine Einzelfälle. Es gibt sogar Hitlisten der danebengegangenen Ladenüberfälle. Ziemlich eindrücklich die Nummer drei, wo der ältere Ladenbesitzer sich erfolgreich zur Wehr setzt und nicht einmal ablässt, als der Dieb eine Waffe zieht. Lustig Nummer 4, da sperrt der doofe Dieb sich selber ein:
Nummer sechs der Sammlung zeigt, wie die Ladenbesitzerin im Schlafanzug aber mit großer Feuerkraft eine ganze Bande aus ihrem Lager vertreibt. Und Nummer acht belegt ebenfalls, dass Waffen in der Hand der NICHT-KRIMINELLEN durchaus ihre Berechtigung haben. Und auch Nummer zehn zeigt eine sehr eindrückliche Bereitschaft der normalen Leute in den USA, sich selbst entschlossen zur Wehr zu setzen.
So auch hier in einem Seven-Eleven-Shop in Californien:
Lustig: trotz der heftigen Szene werden die „unanständigen“ Ausdrücke weg-gepiept.
Die Banden-Ladenüberfälle mit Waffen werden meist auf Geschäfte mit höherwertigen Waren gemacht, wie Elektronik, Handys, Designermode, Schmuck, — und ähnliches. Die Beute wird dann auf eBay oder anderen privaten Verkaufsplattformen vertickt. Und diese Überfälle werden immer häufiger und gefährlicher für das Personal und auch für zufällig anwesende Kunden.
Gleichzeitig sorgte das Maskentragen während der Pandemie dafür, dass man die Täter kaum identifizieren konnte, was wiederum zu einem Ansteigen der Taten sorgte. Die National Retail Security Survey 2021 (Nationale Umfrage zur Sicherheit im Einzelhandel 2021) ergab, dass 57 % der befragten Einzelhändler einen deutlichen Anstieg der organisierten Einzelhandelskriminalität erfahren haben und die dadurch entstandenen Verluste beträchtlich sind.
Das, was die Supermärkte und Einzelgeschäfte ausbluten lässt, sind nicht nur Überfälle, sondern insbesondere auch die stillen und heimlichen, aber massenhaften Diebstähle. Diese machen mittlerweile über 3 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Besonders beliebt sind antiallergische Medikamente, Waschmittel, Rasierer, teure Spirituosen, Babynahrung, Schmerzmittel, Deodorants, Kosmetik und Laptops. Insbesondere hochwertige Elektrowerkzeuge werden in der Baumarktkette „Home Depot“ massenhaft gestohlen. Der Markt reagierte darauf mit einem neuen Sicherheitsmerkmal. Die Werkzeuge funktionieren erst dann, wenn sie an der Kasse gescannt und aktiviert worden sind.
Und es gibt noch eine weitere Auswirkung: Ladengeschäfte, die bevorzugte Ziele für Überfälle sind, haben Probleme, Mitarbeiter zu halten und zu finden. Gerade Geschäfte für hochwertige Kosmetik und teure Mode, die hauptsächlich weibliches Personal beschäftigen, finden kaum noch Verkäuferinnen. Der Geschäftsführer von „Best Buy“, Corie Barry sagte CNN: „Das ist traumatisierend und inakzeptabel für unsere Mitarbeiter. Wir tun und versuchen alles, um eine möglichst sichere Umgebung zu schaffen“.
Doch in Stadtteilen, in denen Ladendiebstahl und Überfälle schon fast täglich passieren, haben sehr viele Geschäfte schon geschlossen. Insbesondere Ketten, wie Drogeriemärkte, Baumärkte, Modegeschäfte, Elektromärkte und Supermarktketten. Nicht nur wegen der Verluste durch den Diebstahl. Die ständigen Angriffe von Kriminellen verscheuchen die Käufer. Die Kunden nehmen sich keine Zeit mehr, in den Geschäften zu stöbern, vielleicht den ein oder anderen Artikel doch zusätzlich zu kaufen, ein Schwätzchen mit Bekannten zu halten, Geschenke für Freunde und Familiengeburtstage dort zu suchen. Man geht für das, was man braucht hinein, sucht es sich zügig zusammen, schaut immer wieder um sich, ob sich etwas Verdächtiges tut und verlässt das Geschäft möglichst schnell.
Das schmälert den Umsatz, was wiederum Auswirkungen auf die Infrastruktur der Communities hat. Denn die Umsatzsteuer auf die Waren finanzieren wichtige öffentliche Dienstleistungen und Einrichtungen, wie Schulen, Bibliotheken, Kindergärten, Schulbusse, Feuerwehr, Krankenhäuser, Rettungsdienste und Polizei.
Das ist nur ein Sektor, der deutlich macht, wie Amoral und Gewissenlosigkeit, aber auch bei vielen die blanke Armut sowie die staatliche Unfähigkeit und ein Laissez-Faire für bestimmte Gruppen, die gesamte Gesellschaft und das Funktionieren der Wirtschaft in den Abgrund treibt.
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.