Bekommt Aldi Nord seinen Bud­weiser Light Moment? Man spielt sich als Mei­nungs­zensor auf und blockt miss­liebige X‑Nutzer

Der Hashtag #ALDI­BOYKOTT geht gerade viral. Aldi Nord hat einen Account auf „X“ (vormals Twitter). Ein X‑User namens „Marcel“ hatte ein Wer­befoto für Outdoor-Jacken ret­weetet. Darauf sieht man eine weiße Frau beim Wald­spa­ziergang und hinter ihr einen freundlich lächelnden sym­pa­thisch aus­se­henden Schwarzen, die beiden sollen offen­sichtlich ein Paar dar­stellen (Bild hier). Natürlich soll und kann sich jeder seinen Herzens-Partner aus­suchen, aber was hat das mit Aldi zu tun? Das fragte sich auch „Marcel“ und twit­terte „Was will uns diese Werbung von @ALDINord_Presse ver­mitteln? Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Eine völlig offene Frage, die auf ver­schiedene Weise beant­wortet werden kann. Aldi beant­wortete sie mit einer Blo­ckade. 

Aldi Nord hätte ja einfach freundlich ant­worten können, dass man seinen Beitrag zur Ver­stän­digung aller Men­schen mit­ein­ander bekunden wollte und gerne mit den Kunden in eine Kom­mu­ni­kation dazu tritt und sich für die Meinung der Kund­schaft inter­es­siert. Aber nein. 

Mas­sen­hafte Blo­ckie­rungen — Warum so eine völlige Über­re­aktion von Aldi Nord? 

Nochmal: Der Stein des Anstoßes war der Tweet: „Was will uns diese Werbung von @ALDINord_Presse ver­mitteln? Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.“ Was daran ras­sis­tisch ist, ist nur die Inter­pre­tation von Aldi Nord. Das ist weder Hetze noch Hass noch offen ras­sis­tisch, sondern eine Frage. 

Aldi Nord scheint nur darauf gewartet zu haben, dass irgendwer mut­maßlich kri­tisch darauf reagiert, um mit – Tadaaa!!! — als neuer Player im Woke-Theater die Bühne zu betreten.

Erste Maß­nahme: Aldi blo­ckierte sofort den User „Marcel“. Aber nicht nur das, auch andere Nutzer, die gar nicht auf Aldis Account gepostet haben, sondern auch die, die einfach unter Kon­takt­schuld in Sip­penhaft genommen wurden. Ein Kom­mentar des Nutzers „Frei­heitund­Iden­tität“ dazu:

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Block­listen und Sippenhaft?

Anfangs wurden offenbar Nutzer geblockt, die Tweets auf dem Aldi-Account ver­öf­fent­lichten, die man dort als Hass/Hetze/Rassismus empfand. Dann aber auch solche User, die nach­weislich über­haupt nicht rechts oder ras­sis­tisch waren, sich aus­drücklich von Hass/Hetze/Rassismus distan­zierten und zur Rechts­staat­lichkeit und gegen Faschismus bekannten, aber eben zur Rede- und Mei­nungs­freiheit auf „X“ (Twitter). In ihrem Wahn blo­ckierte die Fir­men­führung sogar Jour­na­listen wie Tim Röhn von der “Welt” (gehört zu Axel Springer) oder der Arzt und frühere Gesund­heits­amts­leiter Dr. Friedrich Pürner. Die Geblockten sahen das locker:

Während Jour­nalist Röhn süf­fisant schreibt: “Die Recherche hat doch noch gar nicht richtig ange­fangen”, teilt Friedrich Pürner iro­nisch mit: “Oha. Was ist da los? Das ist jetzt echt schade. Die Hafer­milch von Aldi mochte ich echt gerne.”

Aldi Nord sperrte gleich mal pau­schal alle Fol­lower dieses Accounts. Alles Nazis, Batsch! Fertig. Das machte natürlich schnell die Runde, und zornige User machten ihrem Unmut auf dem Aldi-Account Luft. Der Hashtag #ALDI­BOYKOTT wurde zum Entrüstungssturm.

Und dann geriert Aldi Nord sich noch als Opfer…

Aldi Nord schwieg erst eine Weile, reagierte aber dann so, wie man das tut, wenn man seinen Auf­tritt als Vor­zeige-Gut­men­schen schon geplant hat. Auf der Stelle son­derte man die vor­ge­schrie­benen Wort­hülsen ab. Und sti­li­sierte sich zum Opfer. Unter der Über­schrift „Stel­lung­nahme in eigener Sache: Blo­ckierte „X“ Konten nach Ras­sis­mus­vorfall zu unserem Wer­be­pro­spekt“ (das ist schon rein sprachlich Murks) schreibt ALDI:

„Seit Kurzem erhalten wir unter einem ALDI Nord Posting auf X (ehemals Twitter) zahl­reiche Kom­mentare und Erwäh­nungen, die sich auf die Dar­stellung unserer Models im aktu­ellen Pro­spekt der Kalen­der­woche 44 beziehen. Die Tona­lität der Äuße­rungen ist fast aus­schließlich dis­kri­mi­nierend und teil­weise ras­sis­tisch. Solche Kom­mentare akzep­tieren wir nicht und ver­ur­teilen sie auf das Schärfste. 

Da seitens der Platt­form­be­treiber nicht aus­rei­chend gegen solche soge­nannte Hate Speech vor­ge­gangen wird, haben wir ent­schieden, selbst aktiv zu werden. Im Rahmen einer „Block­chain“ haben wir das Profil, auf dem der frem­den­feind­liche Post initial ver­öf­fent­licht wurde, seitens ALDI Nord blo­ckiert. Ebenso alle Profile, die diesem Konto folgen. Soge­nannte „Block­listen“ kamen hierbei nicht zum Einsatz. Sollten wir dabei Use­rinnen und User geblockt haben, die dieses Gedan­kengut nicht teilen, bedauern wir das sehr und ent­sperren diese Konten selbst­ver­ständlich wieder.

Für kon­struk­tiven Aus­tausch und Kritik in unseren Medien sind wir im Rahmen eines demo­kra­ti­schen Dis­kurses jederzeit bereit. Dieser endet jedoch, wenn die Würde anderer Men­schen ver­letzt und diese durch Hetze beleidigt werden. Bei uns wird jede Form der Dis­kri­mi­nierung abge­lehnt. Bei­träge, deren Inhalte Straf­tat­be­stände erfüllen (wie z.B. Belei­digung oder Volks­ver­hetzung), bringen wir daher auch zur Anzeige.

Bei ALDI Nord heißen wir alle Men­schen herzlich will­kommen, gleich welchen Geschlechts, Geschlechts­iden­tität, Alters, Religion, sozialer, eth­ni­scher oder natio­nalen Her­kunft, Behin­derung, Staats­an­ge­hö­rigkeit, sexu­eller Ori­en­tierung oder anderen Kri­terien und per­sön­lichen Eigen­schaften. Wir stehen für Vielfalt und Toleranz, das spiegelt sich nicht nur in unserer Kund­schaft, sondern auch in unseren Mitarbeitenden.

Bis auf Wei­teres haben wir uns dazu ent­schlossen, die Kom­men­tar­funktion unter unseren Bei­trägen ein­zu­schränken. 

… und erntet Kritik und Spott sogar im geblockten Promi-Milieu

Diese Vor­ge­hens­weise, einfach mas­senhaft User zu blocken, ohne dass diese sich über­haupt auf dem Aldi-Account gemeldet hatten oder irgend­etwas Anstö­ßiges get­weetet hatten, stößt auch bei Pro­mi­nenten auf Entrüstung:

Der Regisseur und Autor Tom Bohn kri­ti­siert Aldi in diesem Zusam­menhang nun scharf. Er schreibt: “Wer Men­schen nur auf­grund von Listen in den sozialen Medien blockt, sie aber als Kunden wei­terhin will­kommen heißt, handelt ver­logen. Klare Ansage, bitte Aldi-Nord: Wen alles wollen Sie zukünftig nicht mehr in Ihren Läden sehen?” 

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 Aldi Nord heißt eben nicht alle Men­schen will­kommen, sondern nur die, die seiner Meinung sind. Und wenn Aldi die Plattform „X“ nicht mag, weil die als eine der wenigen Platt­formen NICHT ZEN­SIERT, zwingt niemand Aldi dazu, dort zu posten. Es gibt immer weniger Bereiche in denen sich immer größere Teile der Bürger straffrei äußern dürfen. Immerhin hat die AfD etwa 20 Prozent der Wähler hinter sich. Eine echte Demo­kratie hat das zu respek­tieren. Aldi Nord ist natürlich ein pri­vat­wirt­schaft­liches Unter­nehmen und kann sich posi­tio­nieren, wie es will. Wir haben — auf dem brü­chigen Papier des Grund­ge­setzes — noch Reste von Meinungsfreiheit.

Nur bedeutet Mei­nungs­freiheit eben gerade nicht die Zensur anderer Mei­nungen. Die Freiheit von Mei­nungen und Über­zeu­gungen endet da, wo die Unfreiheit der anderen beginnt. Aber ob Aldi auch so standfest ist und einen Verlust an Kund­schaft von ca. 20 Prozent für sein Tugend­ge­wedel akzep­tiert? Das könnte sich zu einem Umsatz­rückgang in desas­trösem Ausmaß ent­wi­ckeln. Eine schmerz­hafte Lektion, die auch die US-ame­ri­ka­nische Bier­marke „Bud­weiser Light“ ein­stecken musste.